Rechtsgrundloses Bußgeldverfahren durch das Jobcenter Märkischer Kreis
Bußgeld gefordert - schlampige Sachbearbeitung entlarvt
Das Jobcenter Märkischer Kreis leitet jährlich Hunderte von Bußgeldverfahren ein. 2019 waren es 2841 Fälle, 2020 waren es 2420 Fälle Die Angeschuldigten sind dem Jobcenter, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht meist schutzlos ausgeliefert. Mit Unterstützung verändert sich das allerdings.
Presseberichte zum Thema: Bußgeldverfahren durch das Jobcenter Märkischer Kreis
Im vorliegend geschilderten Fall unterstellte die Ordnungswidrigkeiten-Stelle des Jobcenters verspätete Mitwirkung, behauptete Verschuldung an Überzahlungen und forderte ein Bußgeld in Höhe von 178,50 €. - Nachgewiesen werden konnten jedoch gravierende interne Absprachefehler und gesetzwidrige Rechtsanwendung, also falsche Anschuldigungen.
Im Einstellungsbeschluss vom 02.09.2021 formulierte Richterin Holtgrewe: "Das Verfahren wird nach Anhörung der Betroffenen nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt, weil eine Ahndung nicht geboten erscheint. Die Staatsanwaltschaft hat der Einstellung zugestimmt."
Die Aussage ist irreführend, denn es gab nie etwas "zu ahnden", außer vielleicht den Straftatbestand der falschen Verdächtigung durch das Jobcenter Märkischer Kreis.
Bei fachkompetenter Fallbearbeitung hätte die OWi-Abteilung die Hinweise der Sachbearbeiter hinterfragen müssen und bei korrekter Gesetzesanwendung nie die Anschuldigung an die Staatsanwaltschaft weitergeben dürfen, denn "die falsche Verdächtigung stellt einen Tatbestand des deutschen Strafrechts dar, der im 10. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs in § 164 geregelt ist. Die Norm verbietet es, vor einer öffentlichen Stelle bewusst den unwahren Eindruck zu erwecken, ein anderer habe eine Straftat begangen." wikipedia
§ 164 StGB Falsche Verdächtigung
(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft
Es ist aber herauszustellen, dass auch die Staatsanwaltschaft Hagen verpflichtet war, die Anschuldigung eigenverantwortlich zu prüfen und nicht nur naiv gläubig der Jobcenter-Anzeige zu vertrauen. Die Weiterleitung an das Amtsgericht war überflüssig. Aber selbst das angerufene Amtsgericht Iserlohn hätte bereits aus den Akten erkennen müssen, das die behaupten Vorwürfe sachlogisch nicht schlüssig waren.
Falsche Verdächtigung
Regelmäßig erhebt das Jobcenter Märkischer Kreis den Vorwurf verspäteter Meldungen bei Veränderungen wie Arbeitsaufnahme oder Heiz- und Nebenkostenabrechnungen.
Der Standart-Textbaustein heißt:
"Diesen Sachverhalt haben Sie nicht rechtzeitig mitgeteilt, denn Sie meldeten sich erst am . . . . . und teilten die Arbeitsaufnahme telefonisch in der Dienststelle mit.
Bei Antragstellung erklärten Sie, dass Ihnen bekannt sei, dass Sie unverzüglich alle Veränderungen, insbesondere der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse, anzuzeigen haben, die gegenüber den im Antrag angegebenen Verhältnissen eintreten."
Und regelmäßig zeigt sich in der Beratungspraxis, dass die telefonische Erreichbarkeit des Jobcenters nicht gegeben ist, oder dass Anruf beim Callcenter nicht weitergegeben werde, bzw. nicht in der Leistungsakte vermerkt werden. Die hausinterne Weiterleitung ist nicht ausreichend sichergestellt.
Als die Angeschuldigte am 11.01.2021 in unserer Beratung vorstellig wurde, legte sie uns den Bußgeldbescheid des Jobcenters Märkischer Kreis vor und war psychisch merklich angeschlagen. Das Jobcenter forderte ein Bußgeld samt Gebühren in Höhe von 178,50 €. Diese Zahlung sei innerhalb von vier Wochen zu erbringen.
In der Rechtsbehelfsbelehrung heißt es:
"Dieser Bußgeldbescheid wird rechtskräftig und vollstreckbar, wenn Sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung, schriftlich oder - nach vorheriger Terminabsprache - zur Niederschrift, bei der im Briefkopf bezeichneten Stelle Einspruch einlegen."
Alle ihre Einwände waren ignoriert worden, ihr Entlastungszeuge, Jobcentermitarbeiter Tobias O., wurde nun als Zeuge gegen sie aufgezählt.
Weiter ist zu lesen:
Wichtige Hinweise für den Fall des Einspruchs:
Nach einem Einspruch kann auch eine für Sie nachteiligere Entscheidung (z. B. eine höhere Geldbuße, Ausdehnung des Verfahrens, Abschöpfung des rechtswidrig erlangten wirtschaftlichen Vorteils) getroffen werden.
Zuletzt erfolgt noch Hinweis auf Erzwingungshaft:
Zahlen Sie die Geldbuße nicht fristgerecht und legen Sie auch Ihre Zahlungsunfähigkeit nicht dar, so kann das Amtsgericht Erzwingungshaft anordnen (§ 96 eWiG).
Einschüchterung, Angst und Schrecken lässt die überwiegende Mehrzahl der Angeschuldigten resignieren. Auf diese Weise werden Tausende oft rechtsgrundlos kriminalisiert und in den Schuldturm geworfen.
Dieser Frau konnte geholfen werden. Bereits die Akteneinsicht wies bei genauerem Hinsehen mehrere Fehler auf . Darüber hinaus wurde falsche Gesetzesanwendung bei der Einkommensanrechnung aufgedeckt.
Das war nicht das erste Mal.
Das Jobcenter reagierte zeitnah im nächsten Fall:
Herr Wockelmann darf Ihnen daher im Rahmen der Akteneinsicht nicht beistehen.
Der Verein aufRECHT e.V. ist Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband.
Auch dieser Beitrag ist nur die Sichtweise eines Bürgerreporters ohne juristische Ausbildung.
Die anonymisierten Dokumente und Schriftwechsel sind als Beispielklage139 bestmöglich ausgearbeitet.
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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