Armut ist politisch gewollt - Offener Brief eines langjährigen Insiders

Solidarität mit Inge H. von Norbert Wiersbin

„Ich nehme das vorweg: Ich bin inzwischen aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden, ich konnte es mit meiner Ethik und mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren, an der Verelendung großer Bevölkerungsschichten mitzuwirken. Ich konnte die Ungerechtigkeit und die Unmenschlichkeit nicht mehr ertragen, mit der dieses System beseelt ist und das den Betroffenen wie den Akteuren auf der anderen Seite des Schreibtisches die Seele, die Menschlichkeit raubt.“
Offener Brief

Nach mehr als 30 Jahren aktiver Arbeitsmarktpolitik wirft Norbert Wiersbin hin.

Dem ehemaligen Fallmanager und Personalratsvorsitzender ist es wichtig zu betonen, dass er gerade kein Verwaltungsmensch sei. Stattdessen betont er seine langjährige Berufserfahrung und Fachkompetenz, und ist stolz seinen Blick für die Lebenswirklichkeit nicht verloren zu haben.

Nun ergreift er für seine mutige Kollegin aus Hamburg-Altona Inge Hannemann Partei und wendet sich mit warmen und zugleich warnenden Worten an die Tausende von Mitarbeitern der Sozialbehörden in Deutschland.

Dabei stellt er einen in der Öffentlichkeit wenig beachteten Missstand besonders heraus: Hartz IV macht krank, psychisch krank; gerade auch die Jobcenter-Mitarbeiter.

Damit gibt er einen Einblick in die Schärfe dieses künstlich geschaffenen sozialen Brennpunktes der Arbeitslosenverwaltung. Endlich nicht mehr abhängig vom Arbeitgeberwillen präzisiert der einige Nöte der Behördenmitarbeiter in seinem Appell an Mitarbeiter und Verantwortliche:

„Viel gravierender ist jedoch das wachsende Bewusstsein dafür, als mieser Handlanger missbraucht zu werden, um Menschen zu unterdrücken und sie ihrer Grundrechte zu berauben. Es werden immer mehr, die insgeheim verstanden haben, dass es so nicht weiter geht, dass wir nicht jede Moral und alle Ethik über Bord werfen können, um dem Mammon zu frönen. Meine Solidarität und mein Respekt gilt Ihrer Mitarbeiterin, Frau Inge Hannemann. Sie hat den Mut, gegen den Strom zu schwimmen und auf Missstände hinzuweisen.“

Dann wendet er sich an die Geschäftsführung:

„Ich kann nur hoffen, dass Frau Hannemann auch unter Ihnen, der Führung Ihres Hauses und Ihrer Personalvertretung Nachahmer und Unterstützer findet, die bereit sind, eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Wie auch immer werden Sie über kurz oder lang nicht um eine ehrliche Auseinandersetzung mit Ihrem administrativen Handeln umhin kommen. Sie sind gut beraten, sich schon gleich daran zu machen, der Druck im Kessel steigt und führt in absehbarer Zeit in eine Katastrophe. Ich wünsche Ihnen, dass Sie dann mit einem reinen Gewissen in den Spiegel schauen können.“

Nun, sein Appell scheint bisher nicht gefruchtet zu haben.
„Inge Hannemann 'Aktivistin gegen Hartz-IV soll für geisteskrank erklärt werden -Arbeitsagentur hat Arbeitslagerkonzept“

Unkommentiert, aber doch erwähnenswert.
sozialrechtsexperte.blogspot.de

„Die Geschichte lehrt die Menschen,
dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt.“

Mahatma Gandhi

Zur Erinnerung:

Als sie die ersten Kommunisten holten

Als sie die ersten Kommunisten holten, habe ich geschwiegen;
denn ich war kein Kommunist.

Als sie die ersten Juden holten, habe ich geschwiegen;
denn ich war kein Jude.

Als sie die ersten Katholiken holten, habe ich geschwiegen;
denn ich war kein Katholik.

Als sie mich holten, war niemand mehr da,
der seine Stimme hätte erheben können.

Martin Niemöller
deutscher evangelischer Theologe (1892 - 1984)

Bereits heute ist es so, dass immer mehr Jobcenter-Mitarbeiter die Seiten wechseln,
vom erwerbstätigen Sachbearbeiter zum „arbeitslosen Sozialschmarotzer“.
– Wo aber bleiben diejenigen, die die internen Missstände ans Licht zerren.

Es gibt kein Dienstgeheimnis für rechts- und verfassungswidrige, kriminelle Firmeninterna.

.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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