123 Mietsenkungsverfahren in Iserlohn und Hemer 2018
10.278 Mietsenkungsverfahren im Märkischen Kreis seit 2005
Als das Bundessozialgericht am 30.01.2019 sechs angeblich „schlüssige Konzepte“ zur Ermittlung der Mietobergrenzen für Sozialleistungsbezieher als unzureichend zurück wies, ging ein Raunen durch die Bundesrepublik. Die Konzepte der Hamburger Firma Analyse & Konzepte hatten über Jahre dafür gesorgt, dass immer mehr Kommunen Teile der Mietkosten auf Leistungsberechtigte abwälzten und so das Soziokulturelle Existenzminimum weiter aushöhlten.
Die Rügen der Kasseler Richter betreffen auch die Konzepte für den Märkischen Kreis und den Hochsauerlandkreis seit 2014. Etliche Verfahren sind immer noch Rechtsanhängig bei den Sozialgerichten. RA Lars Schulte-Bräucker hatte das LSG NRW eingebunden und dort auch die Übersendung des zugrunde gelegten Datenmaterials beantragt. Erhalten hat er es nicht.
Die BSG-Entscheidung hatte nun auch den Ausschuss für Gesundheit und Soziales des Märkischen Kreises erreicht und in der Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales am 19.03.2019 wurde das Thema eingebracht.
Auf Anfrage des Wochenkurier wurde mitgeteilt, dass das Jobcenter Märkischer Kreis im vergangenen Jahr 2018 insgesamt 271 Mietsenkungsverfahren eingeleitet hat. „Das waren knapp 4,9 Prozent aller 5.556 Erstanträge.“
Diese Aussage hat jedoch nur einen geringen Informationsanteil, denn es geht nicht um Kleingeld für einige Wenige, sondern um existenzsichernde Leistungen für Tausende.
Richtig ist, dass nach Informationen des Jobcenter Märkischer Kreis in den Jahren 2005 bis 2018 insgesamt 10.278 Mietsenkungsverfahren im Kreis eingeleitet worden waren. Über die genauen Zahlen der tatsächlichen Umzüge und der Folgekosten für die Steuerzahler liegen keine Informationen vor. Die Summen der aus den Regelbedarfen aufgebrachten Mietanteile könnten akribisch ermittelt werden durch den Datenabgleich der konkreten Mietkürzungen und dem Aufschlag der Nebenkostenabrechnungen.
Fakt ist, dass der Märkische Kreis von 2005 bis 2013 über kein „schlüssiges Konzept“ im Sinne der BSG-Rechtsprechung verfügte. Alle in diesen Jahren genannten Mietobergrenzen waren rechtswidrig und ausnahmslos jeder Betroffene, der Mietanteile und/oder Nebenkostennachforderungen aus eigener Tasche zugezahlt hat, hat durch diese Vortäuschung einer Rechtskonformität bezifferbare Vermögensschädigungen erlitten.
Das ab 2014 von Analyse & Konzepte entwickelte und 2016 fortgeschriebene „schlüssige Konzept“ für den Märkischen Kreis (und Hochsauerlandkreis) weist die gleichen vom Bundessozialgericht gerügten Ermittlungsfehler auf und hält vermutlich der gerichtlichen Überprüfung vor dem LSG NRW nicht stand. Der Hochsauerlandkreis hat in einem ähnlichen Verfahren inzwischen die Berufung zurückgezogen und sich zur Nachzahlung an die 82jährige Klägerin bereit erklärt.
Allein in den Jahren 2014-2018 wurden weitere 2131 Mietsenkungsverfahren eingeleitet. Es darf bestritten werden, dass die vorgegebenen Mietobergrenzen der gerichtlichen Prüfung standhalten.
Betroffene können weder vom Kreis, noch vom Jobcenter oder der Staatsanwaltschaft auf Unterstützung hoffen. Nur diejenigen, die gegen jeden Bescheid Rechtsmittel eingelegt haben, dürfen auf eine Erstattung hoffen.
Leistungsberechtigte, die auf Widersprüche und Klagen verzichtet haben, werden leer ausgehen.
Seit einer Gesetzesänderung unter Federführung von Ursula von der Leyen als Bundesministerin für Arbeit und Soziales 2011 wurden Überprüfungsanträge von vier Jahren auf ein Jahr begrenzt und die Rechte Erwerbsloser gravierend eingeschränkt.
Hilfe zu Überprüfungsanträgen bietet der Verein aufRECHT e.V.
Autor:Ulrich Wockelmann aus Iserlohn |
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