Besondere Fahrt zur Goldenen Hochzeit
Oldtimer können glücklich machen
Eine Tour mit dem Oldtimer rührt mich nicht gleich zu Tränen. Da hätte ich viel zu Schniefen, bewege ich solche Autos in den Sommermonaten doch sehr intensiv. Es gab jedoch eine Fahrt, da bekam ich tatsächlich feuchte Augen. In Iserlohn habe ich diese Erfahrung kürzlich gemacht.
Sommer 1973. Ich schaue auf den Ford Capri meiner Eltern. Groß kommt er mir vor, dem bald vierjährigen Jungen. Die Tankklappe befindet sich in meiner Augenhöhe. Beim Einsteigen in das Coupé ist für mich ein hoher Einstieg zu überwinden. Ich knie mich auf den Kardantunnel im Fußraum zwischen den hinteren Sitzen. Ich klammere mich zum Unwillen meiner Mutter an die Lehne ihres kopfstützenlosen Sitzes und schaue, was mein Vater macht. Die Tachonadel zeigt unsere Geschwindigkeit, mit einem hörbaren Klacken aktiviert ein Kippschalter das Gebläse. Papa tritt die Kupplung und legt den nächsthöheren Gang ein. Die Fuhre nimmt Fahrt auf, Geschwindigkeit und Straßenzustand sind spürbar und signalisieren, was Sache ist. Für mich ist jede Fahrt, wenn wir nicht gerade im Stau oder vor roten Ampeln herumstehen, ein ablenkungsfreies Erlebnis.
Aus meiner heutigen Sicht musste es unweigerlich dazu kommen, Capri-Fahrer zu werden. Erstes Auto: Capri. Heute noch vorhanden. Großer Spaß, auch wegen der Gemeinschaft unter Gleichgesinnten. Im Capri Club Deutschland versammeln sich die Enthusiasten.
Dort laufen seit einigen Jahren vermehrt Anfragen auf. Längst erwachsene Kinder sind es meist, deren Kindheit ähnlich verlief wie meine. Ähnlich, weil auch ihre Eltern Capri fuhren. Nicht gleich, weil der schnittige Ford für die wachsende Familie bald zu kompakt war und intensive persönliche Prägungen des Nachwuchses angesichts frühzeitigen Verkaufs ausblieben. Den Anfragen liegt aber stets die offenkundige Sehnsucht vor allem des Papas zu Grunde, der immer wieder von den schönen Zeiten im Capri schwärmt.
Ist es möglich, jemanden mit Hilfe eines Capri eine kleine sentimentale Zeitreise zu ermöglichen? Ja, so etwas machen wir vom Capri Club gern!
In Iserlohn feierten nun Maria und Helmut Kramp ihre Goldene Hochzeit. Am 28. Juni 1973 gaben sie sich im dortigen Standesamt das Ja-Wort. Helmut besaß damals einen Capri 2600 RS. Das Spitzenmodell, 150 PS unter der langen Haube, ein "Porsche-Jäger". Mit diesem Flitzer fuhren sie vor. Stefan, eines von drei Kindern, entwickelte gemeinsam mit seinen Geschwistern Karina und Michael nun die Idee, die Eltern 2023 noch einmal Capri fahren zu lassen. Mitfahren, wohlgemerkt.
Drei Telefonate mit Stefan, eine kurze Abstimmung vor Ort: dann steht der Fahrplan. Während vom "goldenen Ehepaar" auf der Treppe des damaligen Standesamtsgebäudes Fotos gemacht werden, parke ich das Auto seitlich vom Haus. So, dass man es erspähen kann. Ich selbst gehe in Deckung und lasse der Sache zunächst ihren Lauf.
Schnell ist der Capri entdeckt. Solch ein Zufall, steht an diesem besonderen Tag doch tatsächlich dieses besondere Auto an diesem Ort! Zwar kein RS, aber egal. Die Kameras der Handys werden aktiviert, erste Fotos und Videos entstehen. Ich habe die Türen unverschlossen gelassen, was Helmut sofort erkennt. Beherzt öffnet er die Fahrertür und kann sein Glück beim Blick ins Innere kaum fassen. Das Glücksgefühl wird sich schnell noch steigern.
Zeit für meinen "Einsatz". Ich schlendere nun auf die Gruppe zu, äußere meine Verwunderung, dass ich vergessen habe, die Türen zu verschließen. Zum Schein erkundige ich mich, welcher Anlass vorliegt. Hurra, Goldene Hochzeit. Ich gratuliere.
Die rührende Capri-Überraschung
Gleich beginnt eine Fachsimpelei zwischen Maria, Helmut und mir. Ihre Kinder haben größte Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie die Sache eingefädelt haben. Ich erkundige mich, was der Tag noch bringt. "Wir fahren nun zum Sorpesee, wo wir gemeinsam feiern und bereits erwartet werden", sagt Maria und Helmut ergänzt beinahe bedauernd: "Darum müssen wir nun auch los."
"Auf also zum Sorpesee. Dorthin fahren sie heute mit dem Capri", sage ich zu den beiden. Helmut sieht mich perplex an, umarmt seine Maria und die Tränen kullern. Es ist so herzlich, dass nicht nur das Paar Taschentücher benötigt. Reihum feuchte Augen, inklusive meiner Person. Es berührt mich, dass ich mit meinem Auto eine solche Freude auslösen kann.
"Anders als vor 50 Jahren sitzen sie bei dieser Fahrt jedoch nicht in der ersten Reihe", sage ich fast entschuldigend. "Ich möchte hinten rechts sitzen. Dann habe ich das Armaturenbrett im Blick", sagt Helmut mit nun leuchtenden Augen. Natürlich hat Maria nichts einzuwenden. Ich denke: wie der kleine Marc vor eben 50 Jahren!
Wir fahren los und diese kleine Tour wird zu einem Erlebnis für die beiden, trotz beengter Verhältnisse auf den rückwärtigen Sitzen. Es sprudeln die Erinnerungen. Von Fahrten zweier motorsportbegeisterter junger Menschen zu Rennen am Nürburgring und nach Zandvoort. Vom großen Spaß, den der Capri ihnen machte. Vom Motorensound, von leicht überzogenen Geschwindigkeitsbegrenzungen.
Beinahe zu schnell, obwohl streng nach Straßenverkehrsordnung fahrend, erreichen wir den Sorpesee. Nun auch per Du, Capri-Enthusiasten unter sich halt.
Ich verabschiede mich, überlasse Maria und Helmut ihrer Festgesellschaft und lenke meinen Oldie über die Landstraßen in Richtung Heimat. Diesmal verspüre ich ein noch wohligeres Gefühl als üblich, wenn ich Capri fahre. Zwei Menschen glücklich gemacht und selbst ein glückliches Erlebnis gehabt. Mehr geht nicht, an einem Samstag im Juli.
Autor:Marc Keiterling aus Essen |
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