Kathrin Heinrichs gewinnt den Glauser-Preis
"Allein die Nominierung hat mich umgehauen"
„Und gewonnen hat … Kathrin Heinrichs." - Die Mendener Autorin hat im Rahmen der diesjährigen Criminale den begehrten Glauser-Krimi-Preis gewonnen und gab daraufhin dem Stadtspiegel ganz spontan ein Exklusiv-Interview.
Wollten Sie eigentlich schon immer Schriftstellerin werden?
Kathrin Heinrichs: "Tatsächlich habe ich als Kind gesagt, ich wolle "Schriftstellerin" werden. In einem meiner Kinderbücher, "Ferien auf Saltkrokan", war der Vater Schriftsteller und zog sich regelmäßig mit seiner klapprigen Schreibmaschine aus dem turbulenten Familienleben zurück. Die Vorstellung, so zu leben und zu arbeiten, fand ich aufregend und anregend, das wollte ich auch. Dann zog irgendwann der Realismus ein, dennoch spielte Sprache weiter eine wichtige Rolle für mich. Ich wollte Journalistin werden, dann Lehrerin, daher mein Lehramtsstudium für Deutsch und Englisch. Mein erster Roman "Ausflug ins Grüne" war eigentlich nur ein Versuchsballon. Als ich dann positive Resonanz erhielt und viele Lesungen bekam, ließ ich den zweiten folgen. Das Ganze entwickelte eine Eigendynamik und nach kurzer Zeit war es ein vollwertiger Beruf - und für mich die Erfüllung eines Traums, wirklich hauptberuflich als Autorin arbeiten zu können."
Hätten Sie jemals geahnt, mit dieser Geschichte so erfolgreich zu werden?
Kathrin Heinrichs: "Die Geschichte "Freier Fall" ist schon intensiv und ich habe gespürt, dass ich mit der Thematik Schuld sowie Rache und Reue in einem ungewöhnlichen Setting etwas sehr Grundlegendes aufgreife. Die Frage, warum Menschen Gegenstände von Autobahnbrücken werfen, hat sich vielleicht jeder schon mal gestellt. Und die Tragik, auf diese Weise sein Kind zu verlieren, ist sicherlich auch sehr bedrückend. Dennoch: Allein die Nominierung für den Glauser hat mich umgehauen. Es gibt eben sehr viele gute Geschichten. Und dann noch zu gewinnen: Damit habe ich kein bisschen gerechnet. ich bin sehr glücklich."
Schreiben als Therapie - wie finden Sie das?
Kathrin Heinrichs: "Ich schreibe, weil ich Geschichten erzählen will. Gute Geschichten, die im besten Fall den Lesenden nahegehen, aber ich arbeite damit nichts auf. Bei meinem prämierten Kurzkrimi kann ich bestenfalls sagen, dass ich die Angst um die eigenen Kinder gut nachvollziehen kann, das kann vermutlich jede Mutter, es gehört irgendwie zum Elternsein dazu."
Über die preisgekrönte Story:
„Freier Fall“ aus der Anthologie „Im Mordfall Iserlohn“: Luisa ist achtzehn, als ihr Auto auf der A46 von einem heruntergeworfenen Gully-Deckel getroffen wird. Ihr alleinerziehender Vater kommt mit dem Verlust nicht zurecht und sinnt auf Rache.
Heinrichs‘ berührende Geschichte ist aus zwei Perspektiven erzählt: aus der des verzweifelten Vaters und aus der des getriebenen Mittäters.
Schuld ist das große Thema in Heinrichs‘ Text – und der Umgang damit. Die aufeinander zulaufenden Handlungsstränge scheinen in einer Katastrophe zu münden, bis ein überraschendes Ende einmal mehr alle Leseewartungen bricht. „Grandios“, formulierte es Laudator Jürgen Ehlers bei der Preisverleihung im Parktheater. Kathrin Heinrichs wiederum war nach eigenen Worten „einfach nur glücklich“.
Für sie, die vor allem als humorvoll schreibende Autorin bekannt ist, war es zudem eine besondere Freude, dass ihre sehr tragisch angelegte Geschichte nominiert und schließlich ausgezeichnet wurde. Sie versteht es als Ermutigung, auch diese ernsthafte Seite ihres Schreibens zu stärken.
Die Idee zu ihrer Geschichte kam der Sauerländerin nicht mit einem Schlag. Da war zunächst die Frage, „was das eigentlich für Menschen sind, die auf feige Art und Weise Gegenstände auf vorbeifahrende Autos werfen“. Darüber hinaus war der Verlust des eigenen Kindes ein Themenschwerpunkt, den die Autorin bearbeiten wollte. So flochten sich zwei Extremsituationen ineinander, ein Prozess, der über längere Zeit verlief – und der am Ende gut gelang.
Dass die Auszeichnung der Mendenerin zufällig vor der eigenen Haustür stattfand, war natürlich ein zusätzliches Bonbon. Die Criminale wird jedes Jahr in einer anderen Stadt ausgerichtet, in 2023 trifft man sich in Darmstadt.
Schon im Vorprogramm der Criminale hatte Kathrin Heinrichs die Geschichte „Freier Fall“ mehrfach gelesen, unter anderem in der Dechenhöhle und im Letmather Bahnsteig 42. Da wusste sie natürlich noch nicht, dass sie bald den Glauser-Preis in der Hand halten würde. „Es hat mich wirklich überrascht“, erklärt die Autorin. „Bis zuletzt habe ich nicht zu hoffen gewagt, dass ich am Ende wirklich oben stehen würde.“
Der Glauser Preis
Der Glauser Preis ist benannt nach dem Schweizer Kriminalschriftsteller Friedrich Glauser und wird als einziger Preis von KollegInnen vergeben. Die Jury besteht selbst aus Krimi-Autoren, die den besten Roman und die beste Geschichte in verschiedenen Kategorien auswählen.
Autor:Anja Jungvogel aus Unna |
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