Auswirkungen von Corona
Suche nach Wegen aus der Krise: Industrie- und Handelskammer über Ausbildung und die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft
In einem gemeinsamen Pressegespräch informierten die Präsidenten und Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammern Arnsberg, Hagen und Siegen über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalens stärkster Industrieregion und Wege aus der Krise. Dabei reichte das Themenspektrum von der Ausbildung, der europäischen Dimension der Krise bis hin zur Zukunft der sozialen Marktwirtschaft in Zeiten staatlicher Unterstützung von Unternehmen.
Andreas Rother, Digitalunternehmer und Präsident der IHK Arnsberg, sah insbesondere die berufliche Ausbildung vor großen Herausforderungen, ist aber auch zuversichtlich gestimmt. „Trotz Corona gibt es auch 2020 sehr gute Chancen für einen Karrierestart über eine berufliche Ausbildung“, so Präsident Rother. Noch immer stellten die Unternehmen deutlich mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung, als es Bewerberinnen und Bewerber gebe. Die Herausforderung bestünde aktuell darin, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen. „Schülerinnen und Schüler sind für die Unternehmen über die Schulen derzeit schwer zu erreichen und Ausbildungsmessen können in der klassischen Form aktuell nicht stattfinden“, so Rother. Die IHKs unterstützen beide Seiten bei der Suche, zum Beispiel mit Azubi-Findern, Berufliche Bildungslotsen und Programme der passgenauen Besetzung. Auch virtuelle Ausbildungsmessen sind in verschiedenen Bereichen Südwestfalens bereits in Planung.
Für Ralf Stoffels, Industrieunternehmer aus Ennepetal und Präsident der SIHK zu Hagen, darf vor allem auch die europäische Dimension der Corona-Krise nicht aus dem Fokus geraten. „Nationale und internationale Wertschöpfungsketten sind Teil der DNA unserer südwestfälischen Industrieregion. Die industrielle Produktion fußt vom Anfang bis zum Ende auf internationalen Lieferbeziehungen, die in der Krise komplett auf den Prüfstand gekommen sind“, so Präsident Stoffels. Diese Grundlagen müssten auf europäischer Ebene gesichert werden. Deshalb sollte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, sich dafür einsetzen, dass die angekündigten Grenzöffnungen - bei aller notwendigen Rücksicht auf den Pandemieschutz – europaweit möglichst einheitlich und transparent sind. Europa müsse zudem weiterhin Taktgeber gegen den weltweit aufkeimenden Protektionismus und Vorbild für den weltweiten Freihandel sein.
Stoffels fordert zudem: „Der europäische Green-Deal darf die Wirtschaft in der Krise nicht überfordern. Die Unternehmen stehen zum Klimaschutz, aber zusätzliche finanzielle Belastungen könnten viele Unternehmen an den Rand der Belastungsfähigkeit bringen. Dies gilt auch für die diskutierte Verschärfung des CO2-Reduktionsziels für das Jahr 2030“. Die Übergangsphase des Brexit, die Ende des Jahres endet, sollte zudem um zwei Jahre verlängert werden, um die wichtigen Handelsbeziehungen zum Vereinigten Königreich reibungslos abwickeln zu können.
Felix G. Hensel, Unternehmer aus der Elektroindustrie und Präsident der IHK Siegen, meinte, dass das Einmalige der derzeitigen Krise darin besteht, dass sie zeitgleich nahezu alle wirtschaftlichen Bereiche sowie die gesamte Gesellschaft trifft. „Dadurch gibt es Baustellen ohne Ende“, betonte Felix G. Hensel. „Bei jeder einzelnen dieser Baustellen wird der Staat um Hilfe gebeten. Bund und Land häufen derzeit Schuldenberge auf, die jedes bisherige Maß sprengen. Die damit vielfach verbundene Vorstellung, man könnte mit geliehenem Geld in Hülle und Fülle jedes Problem lösen, ist auch eine Hypothek, die uns das Virus hinterlässt.“
Die derzeitige Krise sei nur zu überwinden, wenn es schnell gelinge, die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen. Hierfür benötige man eine grundlegende Steuerreform, verbesserte Möglichkeiten degressiv ausgestalteter Abschreibungen, deutlich weniger Bürokratie und flexiblere Arbeitszeitvorschriften, die besser zu modernen Produktionsbedingungen passten.
Felix G. Hensel: „Neiddebatten um Reichensteuern helfen da nicht wirklich weiter. Es muss vielmehr darum gehen, möglichst viele Unternehmen zu behalten, die überhaupt noch Steuern zahlen können.“
Zudem müsse wegen der starken außenwirtschaftlichen Orientierung der südwestfälischen Industrie auch aus seiner Sicht insbesondere auf europäischer Ebene alles dafür getan werden, unterbrochene Lieferketten wieder in Gang zu bringen und bestehende Liefer- und Reisebeschränkungen schnellstmöglich zu beseitigen.
Schließlich gingen über 60 Prozent der südwestfälischen Exporte in den europäischen Raum.
Autor:Lokalkompass Hagen aus Hagen |
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