Landwirt wird im Verfahren um Gülle-Katastrophe freigesprochen

Etwas überraschend ist das Verfahren um die Gülle-Katastrophe in der Neyetalsperre bereits heute (9. Oktober) zum Abschluss gelangt: Die 3. Große Strafkammer des Landgerichts Hagen hat den Landwirt Tobias F. aus Halver mit Urteil von sämtlichen Anklagevorwürfen freigesprochen.Zuvor hatten Staatsanwaltschaft und Verteidigung Freispruch beantragt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.Trotz Freispruchantrages kann die Staatsanwaltschaft Revision gegen das Urteil einlegen.

Die Staatsanwaltschaft Hagen hat dem Landwirt Tobias F. mit der dem Verfahren zu Grunde liegenden Anklageschrift Gewässerverunreinigung in einem besonders schweren Fall und zweifache falsche Verdächtigung zur Last gelegt.Am 18. März 2015 waren etwa 1,7 Millionen Liter Gülle in den Neye-Bach in Halver-Kotten und in die Neye-Talsperre in Wipperfürth gelangt. Nahezu das komplette tierische und pflanzliche Leben im Neye-Bach sowie in den dort gelegenen Fischteichen starb dadurch ab, unter anderem auf Grund stark erhöhter Ammonium-Stickstoffwerte, die zeitweise ca. 800-fach über dem Richtwert lagen. In der Neye-Talsperre kam es zur biologischen Verödung. In diesem Bereich war u.a. der Ammonium-Stickstoffwert um das 500-fache und die Gesamtphosphat-Phosphorkonzentration um mehr als das 100-fache erhöht. Jedoch setzte sich der überwiegende Teil der Gülle an der Staumauer der Talsperre am Boden ab und konnte abgepumpt sowie einem Klärwerk zugeführt werden.

Die Staatsanwaltschaft Hagen sah in dieser Umweltkatastrophe zunächst den nunmehr freigesprochenen Landwirt als Verantwortlichen an und hat diesem vorgeworfen, in der Tatnacht gegen 1.00 Uhr auf dem Gelände des von ihm betriebenen Bauernhofes in Halver einen von einem ca. 6.000 Kubikmeter fassenden Güllesilo zu einem Pufferbehälter führenden Schlauch abgekoppelt und diesen hangabwärts gelegt zu haben. Sodann soll der Landwirt einen den Schlauch verschließenden Schieber geöffnet haben, um die in dem Silo befindliche Gülle abzulassen. Diese soll sodann hangabwärts über unterhalb des Güllesilos befindlichen Wiesen über den Neye-Bach in die ca. vier Kilometer entfernte Neye-Talsperre geflossen sein.

Die 3. Große Strafkammer hat diesen Tatvorwurf nach umfangreicher Beweisaufnahme, die u.a. auch die Vernehmung zahlreicher Zeugen aus dem Umfeld des freigesprochenen Landwirts umfasste, nicht als erwiesen angesehen. Die Verurteilung eines Angeklagten setze – so die Kammer – die Gewinnung einer sicheren Überzeugung, die vernünftigen Zweifeln schweigen gebietet, voraus. Von solch einer sicheren Überzeugung sei hier aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände nicht auszugehen.
Zunächst – so die mündliche Urteilsbegründung – habe der Angeklagte kein nachvollziehbares Motiv für eine illegale Entleerung des Gülle-Silos gehabt. Im Laufe des Monats März 2015 habe der Angeklagte lediglich noch eine weitere Zwangsgeldzahlung von 2.000 Euro für die Nutzung des nicht genehmigten Gülle-Silos an die zuständige Behörde erbringen müssen. Die nächste Zahlung wäre dann erst im April 2015 fällig geworden. Bis zu diesem Zeitpunkt, hätte der Angeklagte – dies könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls nicht ausgeschlossen werden –, das Silo auf legalem und wirtschaftlich sinnvollem Wege, nämlich durch Ausbringen der Gülle auf die Felder, nach und nach leeren können. Es sei nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Angeklagte nur um die Zahlung einer Rate von 2.000 Euro zu ersparen, eine derartige Umweltkatastrophe in Kauf genommen hätte.
Des Weiteren habe der Angeklagte in der Tatnacht einen Mitarbeiter bei sich übernachten lassen, den der Angeklagte in den Nachtstunden zum Kuhstall auf dem Hofgelände geschickt habe, um nach einer kalbenden Kuh zu schauen. Dies wäre aber vor dem Hintergrund einer möglichen frühen Entdeckung der Tat sehr riskant gewesen. Hätte der Angeklagte zuvor den Gülle-Schieber geöffnet, wäre zu erwarten gewesen, dass der Angeklagte sich nachher selbst auf das Hofgelände begibt.

Die Beweisaufnahme habe des Weiteren zu Tage gefördert, dass der Angeklagte in den Morgenstunden nach der Tatnacht bei Entdecken des geöffneten Gülle-Schiebers entsetzt und aufgebracht reagiert haben soll.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei der Leerung des Gülle-Silos, wie es der Angeklagte von an Beginn an beteuert hat, um den Sabotageakt eines Dritten gehandelt habe.
Unklar geblieben sei dagegen die Einordung einer Chat-Nachricht des Angeklagten in der Tatnacht, gerichtet an einen Dritten, die sinngemäß lautete, dass er – der Angeklagte – bei einem Rundgang festgestellt habe, dass alles laufe. Diese Erklärung sei aber nicht eindeutig und genüge allein nicht für eine Verurteilung.

Autor:

Lokalkompass Hagen aus Hagen

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