"Als Herr über Leben und Tod aufgespielt"

Mit einem Messer bewaffnet hatte ein 18-jähriger Hagener im September letzten Jahres das Recht selbst in die Hand genommen und den mutmaßlichen Beleidiger seiner Schwester gewaltsam und mit gedankenloser Aggressivität zur Rechenschaft gezogen. Davon ging das Landgericht in Hagen heute Mittag aus und verurteilte den bereits mehrfach und einschlägig vorbestraften 18-Jährigen wegen dieser gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. In diese Strafe wurden weitere Strafen mit einbezogen.
Ein 15-jähriger „Kollege“ des 18-Jährigen hatte bei dieser Attacke tatkräftig mitgewirkt, hatte mit Tritten und Schlägen auf das Opfer eingeprügelt und saß aus diesem Grund auch auf der Anklagebank am Landgericht. Der ebenfalls vorbestrafte 15-Jährige wurde zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt, muss als Bewährungsauflage an einem Antiaggressionskurs teilnehmen.
Beide Angeklagte zeigten sich sofort bei Prozessauftakt in der letzten Woche geständig, nach also recht kurzer Verhandlung fiel schon heute das Urteil.
Zum Streit der beiden Angeklagten mit dem 16-Jährigen war es offenbar gekommen, da dieser behauptet haben soll, mit der Schwester des 18-Jährigen Sex gehabt zu haben. Diese vermeintliche Beleidigung der Ehre seiner Familie ließ den Angeklagten selbst im Gerichtssaal noch ausfallend werden und verbal hochgehen. Am Tattag sei er entsprechend „auf 180“ gewesen, wie sein Freund aussagte. Gezielt gingen die beiden auf die Suche nach ihrem späteren Opfer und fanden es auf der Lange Straße in Wehringhausen. Mit einem Klappmesser in der Faust versteckt, ging der 18-Jährige ohne Vorwarnung auf sein Opfer los. Sein Freund prügelte ebenfalls drauflos, hielt den 18-Jährigen aber letztendlich zurück, als er das Opfer bluten sah. Mit mehreren Messerstichen in Schultern und Rücken hatte der Angeklagte sein 16-jähriges Opfer lebensgefährlich verletzt. Nur durch ein schnelles Eingreifen von Zeugen der Attacke und schnelle medizinische Hilfe hatte der Jugendliche überhaupt überleben können, seine Lunge war durch die Stiche schwer geschädigt worden.
Die Beiden flohen, entsorgten die blutige Tatwaffe in der Ennepe. Töten hätten sie ihr Opfer aber nicht wollen, wie sie einhellig aussagten.
Davon ging zu ihren Gunsten auch das Gericht aus, machte aber dennoch unmissverständlich deutlich, wie knapp es für die beiden Angeklagten ausgefallen war: „Sie sind haarscharf am Tod eines Menschen vorbeigeschrammt. Sie hatten ganz, ganz viel Glück!“ Entschuldigen konnte oder wollte sich der 18-Jährige, der in seinen jungen Jahren schon als Intensivtäter bei der Hagener Polizei geführt wird, anders als sein 15-jähriger Mitangeklagter heute aber nicht bei dem Menschen, dem er beinahe das Leben genommen hätte. Er störte unbeeindruckt die Urteilsverkündung und zeigte kaum Reue für seine Tat. Entsprechend harsch fiel das abschließende Urteil des Vorsitzenden Richters Marcus Teich über ihn aus: „Sie haben das Recht in die eigene Hand genommen, haben Selbstjustiz geübt, haben sich als Herr über Leben und Tod aufgespielt. Sie haben ohne Bedenken den Tod eines Anderen in Kauf genommen.“ Erst bei diesen abschließenden richterlichen Ermahnungen schien etwas Erkennen im ruhiger werdenden 18-Jährigen aufzukeimen, dass er beinahe ein Menschenleben auf dem Gewissen gehabt hätte.

Autor:

Anja Grevener aus Menden (Sauerland)

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