Gustl Wilke mit 68 Jahren verstorben
Ein Schock für den Handballsport in Deutschland und speziell für den VfL Ein-tracht Hagen gleich zu Beginn des neuen Jahres: Die personifizierte Kompetenz in Sachen Handball lebt nicht mehr. Gustl Wilke verstarb mit nur 68 Jahren plötzlich und unerwartet. In seinem Ferienhaus an der Nordsee hörte am 3. Januar 2013 sein Herz für immer auf zu schlagen.
„Wir sind sprachlos und geschockt. Unser Verein und speziell der Handballsport haben mit Gustl Wilke eine bedeutende Persönlichkeit verloren“, zeigte sich nicht nur Detlef Spruth, der Vorsitzende des VfL Eintracht Hagen und langjährige Mannschaftskollege, Freund und Wegbegleiter von Gustl Wilke, bestürzt.
Der Handballsport war ohne Frage einer der zentralen Lebensinhalte des Gustav Wilke, der von allen „Gustl" genannt wurde. Nur einen Steinwurf vom legendären Sportplatz an der Rehstraße, der als Wiege des Handballs in Westfalen gilt, fand er über seinen sechs Jahre älteren Bruder Ralf zum Handball. Und als einer der besten Feldhandballer in Deutschland sollte er Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre ganz wesentlich an der Rückkehr des VfL Eintracht in die nationale Spitzenklasse beteiligt sein. Seite an Seite mit seinem Bruder sorgte Gustl Wilke in der Halle mit dem Durchmarsch bis in die Regionalliga und auf dem Feld mit den Aufstiegen von der Verbands- bis in die Bundesliga für Furore. Nach dem Gewinn der Westdeutschen Meisterschaft 1971 zogen die Grüngelben im ersten Bundesligajahr auf Anhieb in das Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft ein. 1973 übernahm Gustl Wilke als Spielertrainer sowohl auf als auch außerhalb des Spielfeldes die Verantwortung beim Wehringhauser Traditionsverein - mit Erfolg: Denn die Eintracht sicherte sich erneut die Meisterschaft in der Nordgruppe der Bundesliga. Der anschließende Weg zur nationalen Handballkrone führte im Halbfinale über keinen geringeren als den mehrfachen Deutschen Meister TV Großwallstadt, der im Hinspiel mit 17:12 gewinnen konnte. Im Rückspiel vor 3.700 Zuschauern am Ischeland gelang den Hausherren zwar ein 16:15 Erfolg, aber dies war zuwenig. Der Eintracht blieb nur der Trost, zum zweiten Mal in Folge zu den vier besten deutschen Feldhandballteams gehört zu haben.
Zu diesem Zeitpunkt war Gustl Wilke trotz seiner gerade einmal 29 Lenze bereits ein erfahrener Trainerfuchs. Bereits mit 18 Jahren hatte er als A-Jugendtrainer beim VfL Eintracht fungiert, dann mit 20 Jahren das Traineramt beim DJK Schwarz-Gelb Hagen übernommen, mit dem er insgesamt zehn Aufstiege auf dem Feld und in der Halle bejubeln konnte. Nach weiteren Trainerstationen bei UTG Witten, in der Regionalliga beim VfL Eintracht Hagen und bei VfK Iserlohn führte er als verantwortlicher Mann am Spielfeldrand den Hasper SV von der Bezirksklasse über die Landes- und Verbandsliga bis in die Oberliga.
1990 übernahm Gustl Wilke das Traineramt bei den Handballerinnen von Borussia Dortmund. Und auch in der benachbarten Bierstadt wurde sein Name schnell mit einem grandiosen Aufschwung in Verbindung gebracht. Nach dem Aufstieg 1991 von der Regionalliga in die 2. Bundesliga gelang 1993 im zweiten Anlauf der Sprung in das nationale Oberhaus, wo die Wilke-Schützlinge weiter für Furore sorgen sollten. 1994 standen die BVB-Damen im Endspiel um den deutschen Handballpokal und qualifizierten sich für den Europapokal der Pokalsieger. 1996 und 1997 beendeten die Dortmunderinnen die Spielzeit jeweils als Dritte und gewannen 1997 erstmals den deutschen Handballpokal. Doch damit war der Erfolgshunger keinesfalls gestillt. Denn im gleichen Jahr zog das Wilke-Team in das Endspiel um den europäischen EHF-Cup gegen R.O. Ljubljana ein. Dabei stellten die Borussinnen einen Weltrekord im Frauenhandball auf: Denn sage und schreibe 8.700 Zuschauer sahen das Finale in der Dortmunder Westfalenhalle. 1998 belegten die Schwarzgelben abermals den 3. Platz in der Bundesliga und standen erneut im DHB-Pokalfinale, ehe sich Gustl Wilke 1999 als Deutscher Vizemeister von der Kommandobrücke der Dortmunderinnen verabschiedete.
Ganz nebenbei hat der Erfolgscoach, der lange Jahre in Haspe ein Sportgeschäft betrieb, zwischenzeitlich mit der Damenmannschaft der Ruhr-Universität Bochum die Deutsche Hochschulmeisterschaft gewonnen und 1995 als Co-Trainer der Damen-Nationalmannschaft seinen reichhaltigen Erfahrungsschatz weitergegeben. Außerdem betreute er mehrere Jahre die deutsche Studenten-Nationalmannschaft der Damen, mit denen er 1998 in Breslau den 5. Platz bei den Weltmeisterschaften belegte.
Nach seinem Engagement beim BVB schlüpfte Gustl Wilke noch einmal beim VfL Eintracht in die Trainerrolle und stand für zwei Spielzeiten als verantwortlicher Mann am Spielfeldrand der Grüngelben, ehe er noch einmal als Feuerwehrmann bei den Bundesligadamen von Borussia Dortmund einsprang. Insgesamt 39 Jahre fungierte er als Trainer, um sich danach als Sportlicher Leiter und 2. Vorsitzender in den Dienst seines Stammvereins zu stellen.
Auch beruflich war Gustl Wilke ein Aufsteiger-Typ: Seine Werdegang vom gelernten Schlosser über eine Umschulung zum Vermessungstechniker, den Besuch der Abendschule und die Begabtensonderprüfung zum Studium an der deutschen Sporthochschule in Köln ist sicherlich außergewöhnlich. Seit 1972 arbeitete er als Sportdozent für Handball und Hockey, zeitweilig auch für Basketball und Fußball, an der Ruhr-Universität in Bochum. Auch hier hatte er sich nicht auf den Lorbeeren ausgeruht, sondern sich durch zahlreiche Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, der Erstellung der Handball-Richtlinien für den Schulsport in Nordrhein-Westfalen und als Autor von verschiedenen Handball-Lehrbüchern einen Namen gemacht.
„Irgendwann wird man müde, täglich den Zampano und Animateur für eine Mannschaft zu machen", mit diesen Worten hatte Gustl Wilke im Frühjahr 2001 das Ende seiner Trainerlaufbahn eingeläutet, nicht aber ohne seiner großen Liebe, dem Handball, bis zu seinem Tode eng verbunden zu sein. Kaum eine Woche verging, in der er nicht mehrmals in der Halle war. Zuletzt fungiert der stets dynamische und engagierte Gustl Wilke als Leiter des Festkomitees, dass die Feierlichkeiten zum 150-jährigen Bestehen des VfL Eintracht Hagen im Juni dieses Jahres vorbereitete. Ein Jubiläum, das ein großartiger Sportsmann und Funktionär, nicht mehr erleben wird.
Die Trauerfeier findet am Freitag, 11. Januar 2013, um 11.30 Uhr in der St.-Michael-Kirche in Wehringhausen statt.
Autor:Karsten-Thilo Raab aus Hagen |
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