COVID-19 und die Notwendigkeit einer neurologischen Rehabilitation für körperliche und geistige Gesundheit
Neurologische Komplikationen bei Post-COVID-Patienten
COVID-19 und die Notwendigkeit einer neurologischen Rehabilitation für körperliche und geistige Gesundheit
Das zentrale Ziel der medizinischen Rehabilitation ist die Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben. Dies erfordert stets ein multimodales Maßnahmenpaket aus verschiedenen medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapien.
Ein erfahrenes multiprofessionelles Rehabilitationsteams und eine einzigartige interdisziplinäre Kooperation zwischen der pneumologischen Intensiv- und der neurorehabilitativen Behandlung bieten unseren Patienten eine optimale Post-COVID-Rehabilitation. Laut der aktuellen S2k-Leitlinie verkörpert die Post-COVID-Rehabilitation einen Grundbaustein der Gesamttherapie.
Neurologische Komplikationen bei Post-COVID-Patienten
Neben Husten, Fieber, Luftnot, entwickeln 36,4% der Patienten mit schwerer COVID-19 akut neurologische Symptome (McNeary L., 2020), darunter Bewusstseinsstörungen, Krampfanfälle, Kopfschmerzen, Geruchs- und Geschmacksstörungen sowie Parästhesien. Eine weitere mögliche Komplikation von COVID-19 ist das posteriore reversible Enzephalopathiesyndrom (eine seltene neurologische Erkrankung, die mit einem Ödem besonders im Hinterhauptslappen des Gehirns einhergeht), das Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Krampfanfälle und Sehverlust verursacht (Wu Y, 2020).
Es wird ebenfalls angenommen, dass COVID-19 das Risiko für akute zerebrovaskuläre Ereignisse deutlich erhöhen kann. Dies bestätigten die aktuelle Studienlage sowie klinische Beobachtung.
Psychologische und soziale Auswirkungen
Eine anhaltende psychische Beeinträchtigung wird häufig nach der Behandlung auf der Intensivstation beschrieben und wird in vielen Leitlinien berücksichtigt. Eine Rehabilitation direkt im Anschluss an die Intensivbehandlung, vor allem in einer Pandemie mit erheblichen psychosozialen Auswirkungen, ist eine essentielle und notwendige medizinische Versorgung. Es werden Symptome wie Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen und Angstzuständen bei Überlebenden nach mehreren Wochen und Monaten beobachtet. Darüber hinaus sind Pandemien mit einem hohen Maß an emotionaler Belastung in der Gesellschaft verbunden.
Die gebotene Distanz erschwert umso mehr die Wiedereingliederung und die normale Teilhabe am sozialen Leben. Denn aufgrund der Anforderungen an die Infektionskontrolle können Patienten für längere Zeit von ihren Familien getrennt werden, insbesondere wenn sie schwer krank sind.
Alleine die Aufnahme in ein Krankenhaus mit einer COVID-19-Diagnose kann bei Patienten und Familien Überlebensängste wecken. Geschultes Klinikpersonal unter Berücksichtigung solcher Auswirkungen kann den Patienten ganzheitlich über die Zeit während und nach der Krankheit gut betreuen.
Post-COVID-Rehabilitation
Während sich Millionen von Menschen vollständig von der COVID-19 erholen, entwickeln sich in einigen Fällen, vor allem bei schwer-betroffenen Patienten, symptomatische Komplikationen in Form einer kognitiven und körperlichen Erschöpfung. Die neurologische Rehabilitation bei Patienten nach COVID-19-Erkrankung konzentriert sich darauf, Menschen zu helfen, ihre körperlichen und kognitive Fähigkeiten nach der Krankheit wiederzuerlangen.
Menschen mit schweren Symptomen sowie nach einer langen Hospitalisierungsdauer benötigen multimodale Unterstützung, um sich körperlich erholen zu können.
Dies kann Folgendes umfassen:
• Physiotherapie
• Ergotherapie
• Krankengymnastik
• Lungenrehabilitation
• kognitive Rehabilitation
• Unterstützung der psychischen Gesundheit
• Virtual Reality-Therapie
Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass sich einige Komplikationen wie Herz-, Nerven- oder Lungenschäden mit der Zeit bessern können, insbesondere wenn sie sofort rehabilitiert werden. (European Lung Foundation: "COVID-19 patients suffer long-term lung and heart damage but it can improve with time: Coronavirus patients recover faster if they undergo rehabilitation as soon as possible after coming off ventilators or leaving intensive care.").
Diese Erkenntnis untermauert die Notwendigkeit einer möglichst umfangreichen Neurorehabilitation bei schwer-betroffenen Patienten. Ähnliche Beobachtung zeigt sich wiederholend bei anderen viralen Infektionen sowie nach langer Intensivbehandlung.
Laut der neuen S2k-Leitlinie SARS-CoV-2, COVID-19 und (Früh-) Rehabilitation vom 24.11.2020 sollen rehabilitative Behandlungsansätze bereits auf der Intensivstation zum Einsatz kommen. Außerdem soll bei (COVID-19- und) Post-COVID-19-Betroffenen mit relevanten Schädigungen des peripheren und/oder zentralen Nervensystems eine neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation durchgeführt werden, diese schließt fallbezogen auch eine prolongierte Beatmungsentwöhnung (Weaning) ein (starker Konsens).
Des Weiteren sollen während der Rehabilitationsmaßnahme– basierend auf der sozialmedizinischen Beurteilung - auch die weiteren Schritte der medizinischen, beruflichen bzw. sozialen Rehabilitation initiiert werden. In einer Pandemie ermöglicht diese koordinierte Zusammenarbeit einen kürzeren Krankenhausaufenthalt für den Patienten, und entlastet somit die Kapazitäten der Intensivversorgung.
Wer muss nach COVID-19 möglicherweise rehabilitiert werden?
COVID-19 kann den Körper auf verschiedene Weise beeinflussen. Während 81% der Menschen an leicht bis mittelschwere Symptome leiden und sich ohne Behandlung erholen, entwickeln 14% der Erkrankten schwere Symptome, die mehrere Wochen oder Monate anhalten können. (https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/hcp/clinical-guidance-management-patients.html). Menschen, die sich von einer schweren Krankheit erholen oder lange an COVID-19 leiden, müssen rehabilitiert werden, um die Nachwirkungen dieser Erkrankung zu minimieren. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehören dazu:
• Lungenschäden und Lungenembolie
• Herzschäden oder Entzündungen wie Myokarditis oder Perikarditis
• kognitive Beeinträchtigungen (Gedächtnis und Konzentration)
• Gerinnungsstörung
• Dauerhafte Auswirkungen von Komplikationen wie Herzinfarkt, Schlaganfall
• Angst, Depression oder Trauma
• Muskel- oder Gelenkschmerzen
• chronische Müdigkeit
• Polyneuropathie (CIP)
Bei Personen, die während der Behandlung mit COVID-19 eine Beatmung benötigten, können weitere Komplikationen wie Delir oder Verletzungen der Atemwege auftreten. Anhaltende Müdigkeit oder längere Aufenthalte auf einer Intensivstation können die Muskeln und die versorgenden Nerven aufgrund der längeren Ruhezeit ebenfalls schwächen.
Eine typische Diagnose bei Patienten mit schwerem Influenza- bzw. COVID-19-Verlauf ist die sogenannte Critical-Illness-Polyneuropathie, eine periphere Nervenschädigung die im Rahmen einer andauernden Sepsis, eines Multi-Organ-Versagens oder einer Langzeitbeatmung auftritt. Die Erkrankung wird durch Atemgymnastik und Physiotherapie behandelt.
Bei einer Erkrankung wie COVID-19 gilt: Je eher die Rehabilitation beginnt, desto größer sind die Chancen, verlorengegangene Fähigkeiten wiederzuerlangen.
Körperliche Rehabilitation
Physiotherapie kann Menschen mit verminderter Kraft helfen, sich mehr zu bewegen und allmählich ihre Ausdauer aufzubauen. Laut einer wissenschaftlichen Übersichtarbeit (Yuetong Zhu, 2020) zielt die physikalische Therapie für diejenigen, die sich von COVID-19 erholen, auf Folgendes ab:
• Wiederherstellung der motorischen Funktion (Muskeln & Nerven)
• Verringerte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten psychischer Erkrankungen aufgrund eingeschränkter Mobilität.
• Patienten unterstützen zeitnah ihrem normalen Leben zurückzukehren
Eine physikalische Therapie umfasst folgendes:
• Frühere Mobilisierung bis hin zur bestmöglichen Selbständigkeit.
• Gangtraining und Koordination
• Kraft- und Gleichgewichtstraining
• Passive und aktive Gelenkbewegung und gezielte Übungen
• Trainingseinheiten, die der Patient im Bett oder am Bett machen kann
• Schluckstörungsdiagnostik und -therapie
• Lungenrehabilitation oder Atemphysiotherapie
o Kurzatmigkeit reduzieren
o Verbesserung der Lungenkapazität
o Behandlung von Komplikationen der Atemwege
o Verringerung der Auswirkungen von Atemwegsbeschwerden auf die psychische Gesundheit
Eine kognitive psychologische Therapie umfasst:
• Neuropsychologische Einzelbetreuung
• Gedächtnistraining
• Einsatz moderner Technologie (VR-Therapie)
• Sprachtraining und Logopädie
• Training der Aufmerksamkeit, Reaktionsverhalten und Exikutivfunktionen
Der Patient erhält also neben der medikamentösen Therapie neuropathischer bzw. somatischer Schmerzen eine multimodale Schmerztherapie bestehend aus Ergo-Physio- und kognitive Verhaltenstherapie.
Autoren:
Mimoun Azizi und Saif Al Basri
Autor:Mimoun Azizi aus Düsseldorf |
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