Hagen: Quantensprung in der Tumorbestrahlung
Es sind aufregende Tage im Allgemeinen Krankenhaus Hagen (AKH). Nach langer Planung, aufwändigem Umbau und umfangreicher Installation ist seit kurzem ein neuer Linearbeschleuniger in Betrieb.
Was sich technisch-kühl anhört, treibt den Strahlenmedizinern der Klinik ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht: „Das ist ein Quantensprung in der Dosierung und Präzision bei der Bestrahlung von Tumoren“, sagt Dr. Bernhard Schopohl, Chefarzt der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie. Mit anderen Worten: Tumor-Patienten können ab sofort mit der bestmöglichen Strahlenbehandlung therapiert werden.
Je präziser krankes Gewebe den Strahlen ausgesetzt sind, um so besser ist die Wirkung. Und so entschloss man sich am AKH, 2,5 Millionen Euro zu investieren und das Hagener Krankenhaus technisch auf ein Top-Niveau zu bringen, wie es seinesgleichen in der Umgebung sucht. Geschäftsführer Reinhard Tennert ist stolz auf die Neuerung. „Das war eine große Kraftanstrengung“, sagt er.
Kernstück ist der Beschleuniger. Von außen ein großer Tisch mit Aufbauten und allerlei Technik drumherum, von innen ein Wunderwerk der Medizintechnik. Hauptmerkmal ist eine zusätzlich eingebaute Röntgenröhre, die während der Behandlung Computerbilder anfertigt und somit eine hochauflösende dreidimensionale Bildgebung ermöglicht. Diese bildgestützte Strahlentherapie sichert eine Optimierung der Behandlung, da die Lage der Tumoren jederzeit erkannt und die Strahlung so an die richtige Stelle gebracht werden kann.
Monatelang dauerten die Modellberechnungen, ehe erstmals Patienten auf dem Behandlungstisch - ausgelegt bis 200 Kilogramm Körpergewicht - Platz nehmen konnten. Die Medizinphysikerin Dr. Dagmar Schönenberg zeichnet verantwortlich für die Dosierungen der Therapien. Auch hier ist investiert worden, die Dosimetriegeräte wurden erweitert und modernisiert. „Es geht darum, Schädigungen des um den Tumor liegenden Gewebes und der Risikoorgane so gering wie möglich zu halten“, erklärt die Wissenschaftlerin. Dann erläutert sie die Komplexität der Berechnungen von Bestrahlungsdosen. Sie werden über spezielle Planungsrechner im Vorfeld für jeden Patienten individuell bemessen. Der Arzt gibt das zu bestrahlende Gebiet Schicht für Schicht in das Planungs-CT ein, der Physiker nimmt das als Grundlage, um an speziell für die Strahlentherapie entwickelten Rechnern die Dosis zu ermitteln. Sämtliche Rechner sind vernetzt, was einen problemlosen Zugriff von allen Abteilungen aus auf die Daten ermöglicht.
So fachtechnisch das alles klingt, so umfassend kann es eingesetzt werden. Das betonen die Mediziner: „Hiervon profitieren viele Abteilungen im Haus. Ob Urologie oder Gynäkologie, Chirurgie oder Onkologie - der Linearbeschleuniger „spielt im Konzert mit anderen Abteilungen“, so Geschäftsführer Tennert. Und doch betont Dr. Schopohl: „Nicht bei jeder Tumorart kann der neue Beschleuniger eingesetzt werden. Das ist Fall abhängig.“
Damit nicht genug der Neuerungen. Ebenfalls neu und hochmodern ist die Installation einer „Brachytherapieeinheit“. Dieses Gerät, im Aussehen einem überdimensionierten Staubsauger gleich, ermöglicht eine Bestrahlung von innen. Punktgenau kann die Strahlendosis auf den Tumor wirken - ohne dass Risikoorgane etwas abbekommen. Dazu werden sogenannte Applikatoren, flexible Hülsen, durch natürliche Öffnungen wie die Speiseröhre oder durch künstliche Zugänge an den Tumor geführt. Therapiert werden können wiederkehrende Kopf-Hals-Tumore, gynäkologische Tumore, Bronchus- und Speiseröhrentumore.
Bernhard Schopohl spricht von einer „freudigen Spannung“ mit Blick auf die neuen Möglichkeiten seiner Abteilung. Mit der Inbetriebnahme endet eine anstrengende Zeit, schließlich stand nur eine Bestrahlungseinheit zur Verfügung, was bedeutete, dass die 60 bis 80 Patienten, die pro Tag bestrahlt werden, von früh bis spät behandelt werden mussten. Fünf Ärzte, vier Physiker und sieben MTR-Assistentinnen sind in der Strahlenklinik im Einsatz, für die neue Technik gab es Schulungen. „Wir spielen in der Strahlentherapie jetzt ganz oben mit“, sagt der Chefarzt. Er blickt auf 32 Jahre Berufserfahrung zurück und kann aus eigenem Erleben sagen: „Es gibt wenige medizinische Fachgebiete, in denen so viele Fortschritte gemacht wurden.“ Fortschritte, die Menschen das Leben verlängern, im besten Fall retten. Denn das vergisst er bei aller Begeisterung nicht: „Diese Technik behandelt Menschen, die Tumore haben.“
Autor:Lokalkompass Hagen aus Hagen |
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