Drei Fragen an
Eine Schlüsseldisziplin im Kampf gegen Corona: Medizintechnik-Professor Sinan Ünlübayir im Interview

Prof. Dr. Sinan Ünlübayir lehrt an der Fachhochschule Südwestfalen in Hagen und Lüdenscheid im Studiengang Medizintechnik.  | Foto: privat
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Die Corona-Krise deckt Stärken und Schwächen von Gesundheitssystemen gnadenlos auf. Das Fundament eines guten Gesundheitssystems sind gute und genügend medizintechnische Geräte. Im Studiengang Medizintechnik an der Fachhochschule Südwestfalen werden Spezialitsten ausgebildet, die beispielsweise Beatmungsgeräte konzipieren, warten und verbessern können. Medizintechnik-Professor Sinan Ünlübayir im Interview über Antikörpertests und eine Disziplin, deren Unverzichtbarkeit gerade überdeutlich wird.

Welche medizintechnischen Geräte helfen bei der Diagnose und Behandlung des Coronavirus?

Prof. Dr. Sinan Ünlübayir: "Je nach Betrachtungsweise sind das ganz schön viele. Für die Diagnose sind dies insbesondere Geräte zur Durchführung von laboranalytischen Untersuchungen nach einem Nasen-Rachen-Abstrich, wie z.B. die Polymerase-Kettenreaktion (PCR), zum Nachweis der Infektion mit dem Virus. Aber auch bildgebende Verfahren wie Röntgen und Computertomographie (CT) helfen bei der Diagnose von Covid-19. Für die Therapie von Covid-19-Patienten sind Beatmungsgeräte zur zeitweisen Unterstützung bzw. Aufrechthaltung der Atemtätigkeit im Einsatz. Im weiteren Sinne sind alle medizintechnischen Geräte, die zur Basisausstattung einer Intensivstation gehören, therapieunterstützend und somit zur angemessenen Durchführung der Therapie notwendig. Unter den Geräten für diesen Zweck fallen Patientenmonitoringsysteme zur Überwachung der Vitalparameter, automatisierte Infusionssysteme bis hin zu den Patientenbetten. Und schließlich ermöglicht Medizintechnik Antikörpertests, die extrem wichtig sind, weil sie zeigen können, wer infiziert war und die Krankheit, möglicherweise auch ohne Symptome, überstanden hat. Solche Informationen können für eine schrittweise Rückkehr in die Normalität enorm nützlich sein."

Wie funktionieren Antikörpertests und welche Rolle spielt dabei die Medizintechnik?

Prof. Dr. Sinan Ünlübayir: "Mit Antikörpertests ist der Nachweis von sogenannten Antikörpern im Blut möglich. Antikörper werden vom körpereigenen Immunsystem als Reaktion auf in den Körper eindringende Erreger wie beispielsweise Viren gebildet. Die vollständige Ausbildung der Antikörper dauert in der Regel mehrere Wochen, daher ist mit Antikörpertests keine akute Infektion nachweisbar. Zum Nachweis ist die Entnahme einer geringen Menge von Blut notwendig. Antikörpertests nutzen die spezifische Kopplung zwischen dem Erreger, welcher in diesem Zusammenhang als Antigen bezeichnet wird, und dem entsprechenden Antikörper aus. Diese Kopplung zwischen Erreger und Antikörper kann man sich bildlich wie zwischen Schlüssel und Schloss vorstellen. Nur wenn der Schlüssel ins Schloss passt, findet eine Kopplung statt. Dafür reichen Fragmente von Erregern, auf welche die Blutprobe aufgegeben wird. Befinden sich nun Antikörper gegen den Erreger in der Blutprobe, koppeln diese mit den Erregerfragmenten. Um das sichtbar zu machen, gibt es verschiedene Methoden. Beispielsweise können weitere Antikörper, markiert mit leuchtenden Fluoreszenzfarbstoffen, verwendet werden. Diese sogenannten Markerantikörper koppeln spezifisch mit den gesuchten Antikörpern. Ist nun ein Leuchten zu sehen, ist davon auszugehen, dass die gesuchten Antikörper in der Blutprobe vorgelegen haben müssen. Das grundlegende Prinzip ist für alle Antikörpertests zwar sehr ähnlich, allerdings gibt es recht unterschiedliche Ausführungsformen. Diese reichen von einfachen Selbsttests, ähnlich einem Schwangerschaftstest, bis hin zu automatisierten Hochdurchsatztests für den Laboreinsatz. Die Entwicklung und Anwendung solcher Analysesysteme ist auch Thema der Medizintechnik. Daher behandeln wir im Medizintechnikstudiengang an der FH Südwestfalen diese Themen unter anderem im Modul „Biosensorik“."

Funktionieren Antikörpertests beim Coronavirus genauso wie bei anderen Viren?

Prof. Dr. Sinan Ünlübayir: "Im Prinzip ja. Eine Problematik ist jedoch, dass es zu Kreuzreaktionen mit anderen Coronaviren kommen kann. Coronaviren sind uns ja schon länger bekannt, viele Menschen sind mit ihnen in Berührung gekommen. Das aktuelle Sars-CoV-2-Virus und die älteren Coronaviren ähneln sich in bestimmten Strukturen. Daher können sich in der zu untersuchenden Blutprobe Antikörper aufgrund der Infektion mit älteren Coronaviren befinden, auf die der Sars-CoV-2-Antikörpertest anschlagen kann. Dieses sogenannte falsch positive Ergebnis suggeriert fälschlicherweise, das bereits eine Krankheit überstanden wurde und drückt sich in dem Wert für die Spezifität des Tests aus. Für die meisten der aktuell vorliegenden Antikörpertests ist dieser Wert noch weit unterhalb von 100 Prozent. Aber auch die Sensitivität, ein Wert, der anzeigt wie sicher tatsächlich vorliegende Antikörper erkannt werden, ist noch zu gering bei den aktuellen Tests. Insbesondere die bereits erhältlichen Antikörper-Schnelltests für Sars-CoV-2 weisen unzureichende Genauigkeiten auf."

Autor:

Lokalkompass Hagen aus Hagen

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