Warum ein sachlicher Diskurs von Nöten ist

Ich beobachte seit einiger Zeit den sogenannten Diskurs um die Reformierung des Islam. Ich bin sogar ein wichtiger Teil davon. Ich war der festen Überzeugung, dass es sich um einen ehrlichen, sachlichen und kritischen Diskurs handeln würde. Ich ging davon aus, dass wir hier über die Leseart diskutieren.

Ich bin auch davon ausgegangen, dass wir Ziele haben. Diese auch erreichen wollen. Ich erhoffte mir durch diesen Diskurs das Umsetzen von ernsthaften Projekten und damit die Förderung der Integration. Ich habe immer gehofft, dass man im Diskurs sich "anständig" und "würdig" verhält.

Ich bin davon ausgegangen, dass diejenigen, die diesen Diskurs führen, tatsächlich etwas bewegen wollen.

Ich bin davon ausgegangen, dass man nicht eine ganze Gemeinschaft in Deutschland a priori verurteilt. Schon gar nicht eine Weltreligion.

Ich bin davon ausgegangen, dass man den Diskurs nicht für eigene Ziele und Zwecke mißbraucht!

Ich bin davon ausgegangen, dass ich es mit Experten zu tun habe.

Ich bin davon ausgegangen, dass der Diskurs auf Augenhöhe geführt wird.

Ich bin davon ausgegangen, dass man nicht instrumentalisiert wird.

Leider muss ich zu meinem Bedauern sagen, dass ich mich geirrt habe.

Ich bin entsetzt, um nicht zu sagen erschrocken darüber wie der Diskurs geführt wird und wer ihn führt.

Ich habe immer davor gewarnt, dass man solch einen Diskurs stets als Mittel und Zweck ansehen müsse- niemals nur als Zweck!

Ich habe immer davor gewarnt, dass der Diskurs zunehmend von Menschen geführt werden könnte, die von der Materie nichts verstehen oder sich selbst profilieren wollen!

Wenn wir Veränderungen wollen, dann müssen wir auch die Basis erreichen und wir dürfen uns nicht durch die Suche nach Anerkennung und Applaus zu unüberlegten Handlungen und Aussagen verleiten lassen.

Ich habe vor einer Zuspitzung des Diskurses gewarnt! Ich habe immer und immer wieder auf verletzende Äusserungen und Stellungnahmen einiger "Pseudointellektuelle" und "Liberale" hingewiesen!

Ich habe auch gezielt darauf aufmerksam gemacht, dass einige diese Spannungen nutzen, um für sich Kapital daraus zu schlagen- zum Beispiel durch Bücherverkauf mit zum Teil sehr provokativen und falschen Thesen. Durch diese "Thesen" fühlen sich viele Menschen in ihren Vorurteilen bestätigt. Das führt zu noch Spannungen und Hass. Das kann nicht im Sinne eines aufrichtigen Demokraten und Humanisten sein.

Eine Zuspitzung des Diskurses wird die Brücken, die von vielen aufrechten Demokraten gebaut wurden, zum Einsturz bringen.

Hier stellt sich für mich die Frage, ob bewußt eine Konfrontation gesucht wird.

Solch eine Konfrontation wird für uns alle fatale folgen haben. Daher müssen wir alle klug und sachlich agieren.

Ich habe auch mehrmals zu verstehen gegeben, dass "Populisten" und "Opportunisten" aktuell dem Diskurs sehr schaden. Diese werden die ersten sein, die das Boot verlassen, wenn die jetzt bewußt betriebene Zuspitzung zu einer Eskalation führt.

Wir müssen auf Menschen setzen, die in der Lage sind, längerfristig solch einen Diskurs zu führen und auch Veränderungen bewirken, ohne dass andere Menschen entwürdigt werden!

Menschen zu applaudieren und zu hoffieren, die bewußt zuspitzen und nachweislich auch Unwahrheiten verbreiten, mag für den Moment "In" sein oder gar eine gewisse Befriedigung verschaffen, aber längerfristig führen diese Handlungen dieser Menschen zu irreversiblen Schäden in den Beziehungen zwischen verschiedenen Kulturen und Glaubensrichtungen.

Die Probleme, die wir hier aktuell in Deutschland und auch in anderen westlichen Ländern haben bezogen auf die Migration und auf die Flüchtlinge sowie auf die mangelhafte Integration, sind mir wohl bekannt. Denn ich bin seit mehr als 10 Jahren dabei!

Ich habe auch stets betont, dass ich Lösungen anbiete. Dabei scheint es aber so zu sein, dass man gar nicht an Lösungen interessiert sei! Warum auch, wenn der Konflikt viele Menschen Popularität und Geld verschafft und andere die Legitimation erhalten auf eine enthemmte Art und Weise zu kritisieren.

Meine Kritik richtet sich zum einen an die Medien, die entweder extrem-konservative hoffieren oder sogenannte "Liberale", die noch nie eine Moschee von Innen gesehen haben, aber "Ohne meine Tochter" gelesen haben. Die Einladung dieser Menschen und der Glaube, dass diese Erklärungen liefern könnten oder gar Lösungen- das ist ein fataler Irrtum!

Auch die Kirchen haben Fehler gemacht und machen sie weiterhin, denn sie glauben, dass tatsächlich die erzkonservativen muslimischen Verbände die "wahren" Ansprechspartner seien. Trotz mehrmalige Warnungen- schliesst die Kirche die Augen vor der Realität!

Gewagte Thesen, Provokationen, Opportunismus und die Befriedigung des eigenen Egos haben nie zu Lösungen geführt und auch hier werden sie kolossal scheitern.

Zuletzt möchte ich auf einige Dinge aufmerksam machen. Es wird selbstverständlich erwartet, dass man im Diskurs "Beleidigungen" aushalten müsse, weil das ja zur Kultur des Diskurses gehört.

Doch haben wir nicht im Grundgesetz die Würde des Menschen als unantastabar festgeschrieben?

Fordern wir nicht immer einen sachlichen Diskurs? Sind es nicht diejenigen, die das "Beleidigen" als Teil des Diskurses befürworten bzw. die Befürworter eines solchen Diskurses anfeuern, die bei Verschärfung des Tones, einem "Unsachlichkeit" vorwerfen?

Mehrmals habe ich darauf hingewiesen, dass ich selber muslimischen Glaubens bin und dass ich Beleidigungen und Entwürdigungen verachte. Ich habe auch immer betont, dass Veränderungen von der Gemeinschaft selbst ausgehen müssen. Tatsächlich würde es funktionieren, wenn uns nicht einige "Experten", die sich gerne im Fernsehen sehen, den Diskurs und die Fortschritte zerstören würden.

Nicht diejenigen, die bei Maischberger und Co. auftreten, sind es, die die wirkliche Arbeit machen. Sie arbeiten nur für sich. Wann wird man es endlich begreifen?

Der Versuch von Aussen einem Land oder einer Gemeinschaft ein System zu überstülpen, führt automatisch zum Widerstand. Das hat die Transformationspolitik doch gezeigt.(siehe hierzu die Werke von Wolfgang Merkel).

Wenn wir Probleme lösen wollen, dann müssen wir sie beim Namen bennenen und angehen. Wir müssen Lösungen anbieten.

Glauben Sie ernsthaft, dass der Antisemitismus innerhalb der muslimischen Gemeinschaft sich dadurch schwächen lässt, dass wir über mekkanische und medinisische Suren diskutieren?

Glauben sie wirklich, dass wir die Homophobie zurückdrängen indem wir Leute über diese Gemeinschaft reden lassen, die sie weder kennen noch Einfluss auf sie haben?

Glauben Sie wirklich, dass wir die Probleme ausschliesslich theologisch lösen können?

Die meisten Probleme haben mit der Theologie sehr wenig zu tun!

Ich kann nur davor warnen, dass tatsächlich geglaubt wird, dass einige Menschen, die eher von Aussenstehenden als "Reformer" bezeichnet werden, die Probleme lösen könnten. Viele dieser sogenannten "Reformer", die eher auf eigene Vorteile aus sind, sind Teil des Problems, weil sie keine Lösungen anbieten, sondern sich lediglich der Provokation bedienen.

Ist das der Diskurs, den wir wollen?

Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wenn es Probleme bei den Mormonen gibt- würden Sie einen Hindu als Experten einladen?

So schief und so grotesk ist momentan der Diskurs in Deutschland. Jeder, der es wagt zu sagen, dass es so nicht geht, der wird attackiert und in Frage gestellt!

Vielleicht sollte man zuhören und versuchen zu verstehen- was ich genau sagen will.

Ich halte als überzeugter Demokrat und Humanist wie gleichwohl als gläubiger Muslim- die aktuelle Vorgehensweise für falsch und sie ist zum Scheitern verurteilt!

Frei nach Hegel sage ich: " Das Wahre ist das Wirkliche und das Wirkliche ist das Wahre."

Autor:

Mimoun Azizi aus Düsseldorf

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