Emst - Zukunft eines Stadtteils / Entscheidung über Vollsortimenter-Standort
Der Standort des Vollsortimenters, der auf Emst gebaut werden soll, ist an diesem Wochenende zentrales Thema im Stadtteil. Am Wochenende (6. und 7. Dezember) haben die Bürger von 10 bis 16 Uhr die Gelegenheit, im Kulturhof mit Vertretern der Kommunalpolitik verschiedener Parteien zu diskutieren und ihre Vorschläge oder Einwände einzubringen. Vorab hatte die SPD-Initiative "Wir auf Emst" zu einer Informationsveranstaltung und Podiumsdiskussion eingeladen, deren Inhalt allerdings nicht nur die Nahversorgung, sondern die Zukunft und damit Weiterentwicklung des gesamten Stadtteils war.
SPD-Ortsvereinsvorsitzender Jörg Meier, Moderator der Veranstaltung, hatte am Freitag drei Referenten und Diskussionspartner eingeladen: Die Hagenerin Carolin Krüger, die als Studentin der Ruhr-Uni Bochum 2011 ihre Masterarbeit über die demografische Entwicklung auf Emst verfasste, Georg Thomys, ebenfalls aus Hagen, stellvertretender Vorsitzender des Architekten- und Ingenieurvereins Mark Sauerland, und Thorsten Bölting, Geschäftsführer von "WIR wohnen im Revier", einem Zusammenschluss kommunaler Wohnungsbaugesellschaften, dem die Ha.Ge.We. seit zwei Jahren angehört. Bölting ist ebenso Geschäftsführer von InWIS, dem vom Land NRW geförderten Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung mit dem Schwerpunkt "altergerechtes Quartier".
Etwa 10.750 Einwohner wohnen auf Emst, gab Jörg Meier Auskunft, 25 Prozent zählen mit über 80 Jahren zu den "Hochbetagten", gab Meier zum Einstieg des Abends Auskunft. "Seit den 60-er und 70-er Jahren hat es keine Entwicklung mehr gegeben. In anderen Stadtteilen wurden neue Wohngebiete erschlossen, es sind junge Familien nachgezogen, das hat es hier nicht gegeben", erklärte Meier. Im Zeitraum der damaligen Bebauung - an der sein Vater als Architekt beteiligt war - habe niemand darüber nachgedacht, dass aufgrund des felsigen Untergrundes sparsam gebaute herausragende Keller oder fünfstöckige Gebäude ohne Aufzug eines Tages ein Problem darstellen könnten. Heute muss sich der Stadtteil dieser demografischen Entwicklung und der gleichzeitigen Überalterung der Gebäude stellen.
Wie nun muss sich der Stadtteil Emst entwickeln, um seinen alten Bewohnern gerecht zu werden, aber auch jungen Familien Perspektiven zu bieten? Kernfragen des Abends.
Mobilität, Nahversorgung, aber auch Möglichkeiten der Kommunikation in Form von Begegnung brachten die Diskussionsteilnehmer schnell auf die Themen, die die Emster in diesen Tagen schwer beschäftigen. Es geht um den Erhalt der "Emster Quelle" als Zentrum vieler Feste und Vereine, es geht um den Bau eines neuen Einkaufszentrums, dessen Standort im Januar entschieden werden soll. Die Emster diskutierten am Freitag sachlich und kontrovers.
"Investoren stehen Schlange"
"Irgendwie brennt hier das Thema Nahversorgung - kann ich nicht nachvollziehen", stieß Thorsten Bölting die Diskussion um den Neubau des geplanten Einkaufszentrums an, der keinen Zweifel an seiner Meinung ließ, dass dieses Projekt für Emst zwingend notwendig sei, um die Nahversorgung und den Einzelhandel auf Emst zu sichern. Auf die Frage, ob denn Investoren vorhanden seien, antwortete Meier (der nach eigener Aussage als Architekt an diesem Projekt nicht beteiligt ist): "Die Investoren stehen für das 1.200 Quadratmeter große Gebiet Schlange!" "Dann wäre doch alles gut", brachte Bölting sein Erstaunen zum Ausdruck, "Ob Sie das an dem einen oder anderen Standort aufmachen, das ist doch egal, oder? Das ist doch erstmal sehr zu begrüßen!" Bölting gab allerdings zu, den Ortsteil Emst persönlich nicht zu kennen und betonte, die Standortdiskussion müsse vor Ort geführt werden. Diskutiert werden derzeit die Standorte Haßleyer Straße und Marktplatz, wobei für ein modernes Einzelshandelskonzept, da sind sich Bölting und Thomys einig, nur der Standort Haßleyer Straße mit über 1.000 Quadratmetern in Frage kommt: "Die wirtschaftlichen Konzepte sind knallhart kalkuliert und funktionieren nur mit einem Sortiment, dass diese Quadratmeter braucht." Sowohl Bölting als auch Thomys warnten davor, zu lange mit einer Entscheidung zu warten, "bevor hier gar nichts mehr ist" und sich Einzelhändler aufgrund mangelnder Fläche und Wirtschaftlichkeit zurückziehen.
Ein wesentlicher Einwand der Emster gegen die Errichtung eines Vollsortimenters war die Verkehrsproblematik, die man schon mit dem Umzug des Rahel-Varnhagen-Kollegs in die ehemalige Realschule unterschätzt habe. Und die eigentliche Zufriedenheit der (Alt-) Emster, die zum Großeinkauf auch nach Eilpe fahren. Das Argument des erhöhten Verkehrsaufkommens wollte Bölting allerdings nicht gelten lassen: "Wie fahren Sie einkaufen? Mit dem Auto oder dem Fahrrad? Das sind wir doch auch selbst! Eine Fläche von 350 Quadratmetern ist mit einem Vollsortimenter jedenfalls nicht zu machen, dann müssen Sie über andere Konzepte nachdenken wie Dorfläden. Auch das ginge. Aber dann reden wir über etwas anderes."
Sowohl Bölting als auch Thomys machten deutlich, will Emst den Vollsortimenter, bleibt nur der Standort mit der größten Fläche - an der Haßleyer Straße. Diese Fläche war bis vor kurzer Zeit noch als Grünfläche ausgewiesen, wurde nach dem Sommer in ein Bebauungsplanverfahren geführt - zum Unmut der Anwohner, deren Vorgärten direkt an das geplante neue Gebäude grenzen und die bisher ins Grüne sehen.
Die Emster Quelle
Verfahren scheint die Situation um Erhalt oder Abriss der Emster Quelle, die als traditioneller Treffpunkt im Ort dient. Nach Auskunft von Jörg Meier gibt es keinen anderen Sachstand, als dass der Wohnungsbauverein als Besitzer des Gebäudekomplexes nicht weiter in den Erhalt investieren will, um nach entsprechendem Verfall auf dem Gelände Parkplätze zu errichten. Parkplätze, die auf Emst sicherlich fehlen: "Familien, die hierher ziehen möchten, brauchen einen Parkplatz, aber die kennen die Emster Quelle nicht", gab ein Teilnehmer des Abends zu bedenken, der Wohnungsbauverein würde Garagen an dem Standort sicherlich sofort vermieten können. "Gibt es Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, wie kann man den Wohnungsbauverein doch noch einmal dafür begeistern, in die Emster Quelle zu investieren?", wollte Jörg Meier von seinen geladenen Diskussions-Gästen wissen. Bölting betonte, man könne den Eigentümer nicht zwingen und müsse den Dialog suchen, gab aber den Hinweis: "Wo kann man Flächen finden, ruhenden Verkehr unterzubringen, vielleicht einen Tausch von Flächen vorschlagen?" Und: "Der Wohnungsbauverein ist doch eine Genossenschaft - haben die keine Mitglieder, die sich wehren? Sie sind doch im Prinzip Miteigentümer!" Moderator Jörg Meier, der sich selbst für den Erhalt der Emster Quelle einsetzt, hielt sich mit einer Erklärung zurück, deutete aber an, dass die Mieter Hemmungen hätten, sich mit der Geschäftsfuhrung ihrer Genossenschaft auseinanderzusetzen. Ein Anwohner formulierte: "Aus vielen Schreiben wird ersichtlich, jedem wird Beleidigung unterstellt, der sich für die Emster Quelle einsetzt." Bölting sieht die einzige Möglichkeit im Dialog: "Gibt es nicht einen neutralen Moderator, der den Dialog führen könnte?" Jörg Meier: "Wir haben einen neuen Bezirksbürgermeister und einen neuen Oberbürgermeister, die können den Gesprächsfaden bestimmt wieder aufnehmen."
Alle Bürger sind eingeladen, sich am Samstag und Sonntag im Kulturhof Emst selbst zu informieren.
Autor:Anja Seeberg aus Hagen |
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