Agenda News: Brauchen Staat und Kirchen einen neuen Martin Luther
Hagen, 12. März 2013 Während sich Handel und Industrie Anfang der 70er Jahre neu aufstellten und mit Risikominimierung, Gewinnmaximierung, Controlling, Produktivität, Marktanalysen und modernem Management den neuen Herausforderungen stellten, verharrten die Kirchen auf ihren antiquierten Dogmen. Martin Luther (1483-1546) wollte Fehlentwicklungen in der Kirche seiner Zeit überwinden. Mit seinen Reformen, er wollte keine neue Kirche, veränderte er die von der römisch-katholischen Kirche dominierte Gesellschaft der frühen Neuzeit nachhaltig. Danach haben in der katholischen Kirche so gut wie keine weiteren Reformen stattgefunden.
Ende 2011 waren 23,620 Millionen Menschen oder 28,9 % der Gesamtbevölkerung Deutschlands Mitglied der evangelischen Kirche. Die katholische Kirche hat 24.651 Millionen Mitglieder oder 30,2 %. Davon besuchen 3.103 Menschen (12,6 %) die Sonntagsmesse. In Polen sind es 33.523 Millionen Mitglieder (87,2%), von denen 15.705 (44,8 %) die Sonntagsmesse besuchen. Das mag der wesentliche Grund sein, dass Polen die glücklichste Nation der Welt ist (Deutschland die beliebteste). In den letzten Jahrzehnten sind rund 15 Mill. Menschen aus beiden Kirchen ausgetreten.
Die am häufigsten genannten Gründe sind: Das Zölibat, die Verpflichtung zur Ehelosigkeit, Scheidungen, Schwangerschaftsabbruch/-verhinderung, die Pille vorher und nachher, Missbrauchsfälle, langweilige Gottesdienste, Austritt weil die Kirchenbeiträge nicht mehr bezahlt werden können und fehlende Reformen. Beide Staatskirchen beschäftigen zusammen rund 1.2 Millionen Menschen - Schwerpunkt Diakonien und Karitas – und können ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen immer weniger nachkommen. Die Kirchenaustritte belasten die Kirchen stark, an allen Stellen muss gespart werden. Das führt dazu, dass immer weniger Geistliche immer mehr Gemeinden betreuen müssen, was die Seelsorge sehr einschränkt.
Von einem neuen Papst werden Reformen erwartet. Bleiben die aus, wird die katholische Kirche einen neuen Aderlass erleiden. Die Evangelische Kirche steht nicht abseits, auch sie wird nicht um weitere Reformen herumkommen. Ähnlich ergeht es den Gewerkschaften, auch sie haben Millionen Mitglieder verloren. Die Gründe liegen auf der Hand: Das deutsche Steuersystem ist in den vergangenen Jahren ungerechter geworden. Während insbesondere Vermögende und Unternehmen entlastet wurden, müssen Beschäftigte immer mehr zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben beitragen.
Die Schwächen der Gewerkschaften liegen darin, dass die Beschäftigten bei den Lohnzuwächsen in der EU an letzter Stelle liegen. Sie haben seit 1970 zugelassen, dass Frauen für die gleiche Arbeit, die ihre männlichen Kollegen leisten, 22 % weniger verdienen. Es fehlen gesetzliche Mindestlöhne. Sie haben tarif-unabhängige Leiharbeit, Niedriglöhne und Werkverträge zugelassen. Wie in den Jahren vorher, belaufen sich die Tarifabschüsse 2013 auf 2,6 %, 2,65 %, 2,95 % und 3,1 %. Zieht man die Inflationsrate von 2 Prozent ab, erhielten die Beschäftigten real zwischen 0,6 und 1,1% mehr Lohn/Gehalt. Forderungen von 30 % mehr Lohn wurden mit 5.9 % quittiert, verteilt auf zwei Jahre!
Die Politik legt sich geradezu einen Heiligenschein an. Bei 2.071 Mrd. Schulden, einer Überschuldung von 550 Mrd. Euro (allein in den letzten 7 Jahren wurden 700 Mrd. Euro neue Schulden gemacht), Billionen Bürgschaften für Banken, deren Schrottpapiere, Rettungsschirme und den ESM (Barleistungen) ist man der Meinung alles richtig gemacht zu haben. Es schlagen Billionen Einnahmeverluste zu Buche, die Abschaffung von 20 Steuerarten, der Vermögenssteuer, der Börsenumsatzsteuer und die Reduzierung des Steuer-Höchstbetrages von 57 % auf 42 Prozent haben riesige Einnahmelöcher hinterlassen.
Seit 1970 sind die Staatseinnahmen höher als die –einnahmen. Resümee der Politik „uns geht es doch relativ gut“, 70 Prozent der Menschen sind mit ihrem Status zufrieden. Das globale Problem sind die 30 Prozent der Bevölkerung denen es eben relativ schlecht geht. Die Sparmaßnahmen der EU gegenüber den Nehmerländern schaffen immer höhere Schulden und mehr Elend. Das liegt daran, dass man dem Spareifer keinen Investitionseifer zur Seite gestellt hat, um die Volkswirtschaften anzukurbeln.
Bei leeren Kassen wurden die große Steuerreform, Reform der Mehrwertsteuer, Reform der Renten in Verbindung mit Pensionen, gesetzliche Mindestrenten, gesetzliche Mindestlöhne nicht angegangen oder verschoben. Der soziale Wohnungsbau ist stark rückläufig, sozial Schwache erhalten jährlich 17 Mrd. Euro Mietzuschüsse. Die Subventionen liegen bei rund 165 Mrd. Euro pro Jahr und könnten laut Parlamentarier bis auf 70 Mrd. Euro gestrichen werden. Das iFo-Institut rät, sie problemlos abzuschaffen.
Die USA, Japan und Europa haben ein riesiges Einnahmeproblem. Die Mächtigen der Welt, der IWF, die Weltbank, die EZB, die Notenbanken der Länder und ihre Regierungschefs raten zu sparen, zu konsolidieren und zu strukturellen Reformen. Um die Märkte zu beruhigen wurden rund 10 Billionen Euro frisches Geld in die Märkte gepumpt, die die Weltmärkte überschwemmen. Die Börsen wurden damit beflügelt und befinden sich im Höhenrausch. Die Realität sieht anders aus, keiner hat ein Konzept wie die somit höher werdenden Schulden abgebaut werden können.
Eine Ausnahme stellt das Sanierungskonzept der Initiative Agenda 2011 – 2012 dar. Bereits im Mai 2010 wurde der Öffentlichkeit ein 30-Punkte-Programm vorgestellt, das mit einem Sanierungskonzept aufwartet, das für ein jährliches Volumen von über 275 Mrd. Euro und für ausgeglichene Haushalte und Rückführung der Staatsschulden steht. Die Kirchen haben theologische Probleme mit Ausstrahlung in soziale Bereiche. Die Politik hat ein fundamentales Problem, die Reichen angemessen an den Kosten des Staates zu beteiligen und somit die Staatseinnahmen zu erhöhen.
Die Kirchen und der Staat müssen beweisen, dass sie reform- und zukunftsfähig sind.
Dieter Neumann
Autor:Dieter Neumann aus Hagen |
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