Seuche in Hagen
Zwei Drittel der Einwohner erkrankt: Seuche in Hagen vor 225 Jahren
Auch in der Vergangenheit ist Hagen immer wieder von Epidemien heimgesucht worden. So wurde während des Dreißigjährigen Kriegs das damalige Dorf Hagen in den Jahren 1635 bis 1636 von einer besonders schweren Pestepidemie heimgesucht, der nach einer zeitgenössischen Quelle 600 Menschen und damit die große Mehrheit der Bewohner zum Opfer fielen.
Von Dr. Margrit Sollbach-Papeler
1795/1796 grassierte in der nunmehrigen Stadt Hagen eine Ruhrepidemie. Sie begann im Juni des Jahres 1795 und erreichte in den Monaten August und September ihren Höhepunkt. Danach klang sie langsam ab, dauerte jedoch noch bis in das Jahr 1796 an. Von den damals in Hagen vorhandenen 233 Wohnhäusern blieben keine zwanzig von der Seuche verschont. Rund zwei Drittel der etwas über 1.300 Einwohner erkrankten daran.
Ungepflasterte Straßen
Da die bakterielle Ursache der Ruhr damals noch nicht bekannt war, tappten Mediziner wie Behörden hinsichtlich der Erklärung für den Ausbruch der Seuche im Dunkeln. Nach der Ansicht des für Hagen zuständigen staatlichen Beamten, des Kriegs- und Steuerrats Friedrich August Alexander Eversmann war die Ursache der Seuche das Fehlen des Straßenpflasters. Damit lag er gar nicht so falsch. Da es damals keine reguläre Abfallbeseitigung gab, versickerten nämlich Kot und sonstigr Unrat im Boden. Dort wurde das Grundwasser verseucht, das die Bewohner aus ihren Ziehbrunnen entnahmen. Doch die Regierung wollte von dieser Ursachenerklärung des Eversmann nichts wissen. Nach ihrer Überzeugung lag der tiefere Grund für die Ruhr-Epidemie in Hagen in der mangelhaften und ungeeigneten Ernährung der Bevölkerung.
Hygienische Zustände
Auch der örtliche lutherische Prediger, Johann Friedrich Dahlenkamp, äußerte sich in seinem von der Regierung angeforderten Bericht über die Ursache der Ruhr-Epidemie in Hagen. Auch er sah die Ursache in den ungesunden hygienischen Zuständen in der Stadt, die aus heutiger Sicht als katastrophal zu bezeichnen sind. In dem auf der rechten Seite der Volme gelegenen Teil der Stadt „unter dem Berge“ (heute Unterberg), wo nach der Erkenntnis Dahlenkamps die Seuche ihren Ausgang genommen hatte, gab es laut Dahlenkamps Bericht überall „faulende und stinkende Pfützen“, da das Wasser keinerlei Abfluss hatte. Dieser Zustand werde noch dadurch verschlimmert, dass die dortigen Bierbrauer und Schnapsbrenner das gegorene Wasser in diese Pfützen schütteten und auch die vielen Gerber den Abfall von den Häuten dort hinein warfen. Die jüdischen Metzger ließen ebenfalls das Blut und die Überreste der geschlachteten Tiere in diese Pfützen gelangen. Aber auch in den anderen Teilen der Stadt sah es nach der Schilderung Dahlenkamps nicht besser aus. Da selbst die Hauptstraßen bloße Erdwege waren, hatte der Verkehr dort derartige Vertiefungen verursacht, dass Fußgängern ein Überqueren der Straße unmöglich war. Um auf die andere Straßenseite zu gelangen, hatten die Bewohner daher an mehreren Stellen quer zur Straße eine Art von kleinen Erddämmen angelegt. Diese verhinderten aber nun endgültig jeglichen Abfluss, sodass, wie Dahlenkamp schreibt, „aller Ausfluß aus den Häusern, Kloaken und Ställen in den Höfen“ auf der Straße stehen blieb und einen „unaufhörlichen Gestank“ verbreitete.
Gepflasterte Straße
Doch an diesen Zuständen sollte sich auch noch zwei Jahrzehnte nichts ändern. Erst 1816 wurde in Hagen eine erste Straße gepflastert. Es war die Haupt-Durchgangsstraße (heute Märkischer Ring). Bis 1877 ist in Hagen lediglich eine weitere Straße mit einem Pflaster versehen worden, nämlich die schmale und kurze Kampstraße. Die Einrichtung einer zentralen Trinkwasserversorgung erfolgte in Hagen 1885/1886 und mit der Schaffung einer Kanalisation begann man in der Stadt schließlich 1903. Erst durch die Einführung einer geregelten Abfallbeseitigung sowie durch die Versorgung mit sauberem Trinkwasser konnte dem Ausbruch von Epidemien wie der Ruhr auch in Hagen entgegengewirkt werden.
Autor:Lokalkompass Hagen aus Hagen |
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