Ihn gab es auch in Wetter-Freiheit
Hungerlohn für den Nachtwächter: Nebenjob reichte für Kriegsinvaliden gerade so zum Überleben

Sandsteinskulptur des Nachtwächters mit seinen Attributen Horn, Stab und Hund  an dem 1927/1928 erbauten Haus Hauptstraße 54 in Herdecke . | Foto: M. Sollbach-Papeler
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  • Sandsteinskulptur des Nachtwächters mit seinen Attributen Horn, Stab und Hund an dem 1927/1928 erbauten Haus Hauptstraße 54 in Herdecke .
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Auch in Wetter-Freiheit hat es früher einen Nachtwächter gegeben. Seit wann dieser seinen nächtlichen Runden in dem Ort gemacht, sein Horn geblasen und die Stunden ausgerufen hat, ist nicht bekannt. In einem Schreiben des Rats vom 17. Mai 1801 wird der Nachtwächterdienst als ein „altes Herkommen“ bezeichnet. Nach diesem „alten Herkommen“ gab es den Nachtwächterdienst aber nicht das ganz Jahr über, sondern nur in den Wintermonaten, nämlich von dem St. Martins-Tag (11. November) bis Mitte März. Deshalb wurde die Tätigkeit des Nachtwächters auch nur im Nebenamt ausgeübt.

So war der Nachtwächter Piepenstock, der vom Martini 1800 bis Mitte März 1801 das Nachtwächteramt innehatte, zugleich als Ratsdiener beschäftigt. Der Lohn für den Nachtwächter betrug 30 Reichstaler im Jahr. Das war auch als Zuverdienst äußerst wenig. Daher verwundert es nicht, dass der Nachtwächter seinen Dienst nur nachlässig oder auch gar nicht versah. Aus einem vom 16. März 1801 datierenden und von 38 Einwohnern der Freiheit Wetter eigenhändig unterschriebenen Beschwerdeschreiben an den Rat geht hervor, dass der Nachtwächter seine Runden nicht gehörig gemacht und auch die Stunden nicht geblasen hatte. In den letzten Jahren hatte er sich sogar durch seine Kinder vertreten lassen.

Drei Ämter

Der um 1800 neu ins Amt gekommene Rat hielt jedoch einen ganzjährigen und auch ordentlich wahrgenommenen Nachtwächterdienst für erforderlich. Um dafür ein „tüchtiges Subject“ zu bekommen, musste aber auch ein besseres Gehalt geboten werden. Die Lösung bestand darin, dass der neue Nachtwächter außer der Ratsdienertätigkeit auch noch das Amt des Aufsehers über den Gemeindewald auf dem heutigen Harkortberg übernehmen und die dafür angesetzten 16 Reichstaler beziehen sollte. Dadurch kam ein Jahresgehalt von 77 Reichstaler 40 Stüber zusammen.
Eine Familie konnte ein Mann davon nicht ernähren, aber für eine Einzelperson mochte es vielleicht gerade so reichen. Daher erbat der Rat von der Regierung die Namhaftmachung eines invaliden Unteroffiziers. Tatsächlich hatte schon der preußische König Friedrich II. solche öffentlichen Posten für die Versorgung ausgedienter Soldaten beansprucht. Von der Regierung wurde der invalide Unteroffiziers Johann Kammet vom Infanterie-Regiment von Brehmer (Generalmajor Johann Friedrich von Brehmer, ab 20.3.1802 Johann Friedrich Schneck zu Schweinsberg) in Hamm nach Wetter gesandt, der auch die Stellung annahm und zunächst provisorisch angestellt wurde. Kammet verstarb Ende November 1804. Bereits in einem Schreiben vom 10. September 1801 hatte das Generaldirektorium in Berlin jedoch Bedenken geäußert, ob die Funktion des Nachtwächters mit der des Waldaufsehers vereinbar sei, ob nämlich diese Person „des Nachts, wo er den Nachtwächterdienst verrichten muß, zugleich das Gehölz wird in Aufsicht haben können“. Auch der Rat musste sehr bald einsehen, dass niemand an zwei Stellen gleichzeitig sein kann und der Nachtwächter vor allem auch bei seinen Verpflichtungen als Ratsdiener „unmöglich“ zugleich die Stelle des Waldaufsehers „mit Effect“ (um die damals häufigen Holzdiebstähle zu verhindern) ausüben könne. Daher hatte man das Amt des Waldaufsehers nach kurzer Zeit dem Küster Henrich übertragen, der auch den Lohn dafür erhielt. Kammets Nachfolger, der ebenfalls invalide Unteroffizier Caspar Wilhelm Noelle, ist dann auch nur als Ratsdiener und Nachtwächter angestellt worden.

Schimpfwort

Übrigens tut das Schimpfwort „Nachtwächter“ dem historischen Nachtwächter Unrecht. Der Nachtwächter übte früher eine wichtige Tätigkeit aus. Zu seinen Aufgaben gehörte nämlich auch das rechtzeitige Entdecken eines Brands. Das war wichtig, damit der Brand schnell gelöscht und so die Entstehung einer Feuersbrunst verhindert werden konnte. Ein solcher Großbrand entstand bei der damals hier vorherrschenden Fachwerkbauweise und Strohbedachung der eng zusammenstehenden Häuser schnell. Bei einem derartigen am 8. September 1724 im Flecken Hagen ausgebrochenen Großbrand z. B. wurde die Hälfte aller Häuser am Ort zerstört. Wetter ist von einer Feuersbrunst jedoch verschont geblieben.

Sandsteinskulptur des Nachtwächters mit seinen Attributen Horn, Stab und Hund  an dem 1927/1928 erbauten Haus Hauptstraße 54 in Herdecke . | Foto: M. Sollbach-Papeler
Beschwerdeschreiben vom 16. März 1801 von Einwohnern der Freiheit Wetter wegen des Nachtwächterdiensts, letzte Seiten mit den eigenhändigen Unterschriften. | Foto: Stadtarchiv Wetter, Akte A I-3
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Lokalkompass Hagen aus Hagen

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