Hagen: Gastarbeiter der ersten Stunde
Von der Gesellschaft vergessen?

Die junge und durchaus moderne Familie fuhr in den Sommerferien jedes Jahr in die Türkei. Foto: privat
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  • Die junge und durchaus moderne Familie fuhr in den Sommerferien jedes Jahr in die Türkei. Foto: privat
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Es gibt nicht mehr viele Gastarbeiter der ersten Generation. Sie haben ihr Leben lang geschuftet, ihre Heimat für ein Land verlassen, das sie in der Wirtschaftswunderzeit unterstützen wollten. Und jetzt, 60 Jahre später, fühlen sich einige der noch Lebenden von der Gesellschaft vergessen.
„Die Anerkennung dieser Mitbürger fehlt“, meint Hakan Severcan, Integrationsratsvorsitzender der Stadt Hagen. Er sei selbst ein sogenanntes „Kofferkind“ einer türkischen Gastarbeiterfamilie (Kofferkinder sind Kinder von Arbeitsmigranten, die oft über lange Jahre von ihren Eltern getrennt leben mussten, Anm. der Red.).

Der junge Gastarbeiter Abuzer Severcan in den 70er Jahren in Hagen. Foto: privat
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„1969 kam mein Vater nach Deutschland“, verrät er. Zunächst habe er in Herdecke gearbeitet, ab 1970 dann in einer Schmiede in Eckesey. „Mein Vater hat immer schwer geschuftet, bekam im Alter von 57 Jahren einen Herzinfarkt und starb.“ 

Hakan Severcan mit seiner großen Schwester. Foto: privat
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Hakan Severcan hatte noch drei Geschwister und seine Mutter stand fortan mit den Kindern alleine da. „Natürlich hätte sie zurück in die Heimat reisen können, doch einige von uns Geschwistern waren noch in der Ausbildung, wir hatten hier unsere Freunde und Hobbys“, erklärt er.
Von Verwandten und Bekannten wusste die Familie Severcan zudem, dass es Heimkehrern oftmals sehr schwer gemacht wurde. „Viele bekamen zu hören, dass sie es wohl in Deutschland nicht geschafft hätten.“

Bevor Abuzer Severcan (re.) sich ein westliches Auto leisten konnte, fuhr er täglich mit dem Rad zur Arbeit. Foto: privat
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Die Severcans blieben also in Hagen. Hakans Mutter Sükran ist jetzt 79 Jahre alt und schwer krank. Sie wollte zwar immer zurück in die Türkei, aber daraus sei nie etwas geworden. „Sie hat ihr Leben für uns Kinder und für die Familie gegeben“, resümiert Hakan.
„Die Generation meiner Eltern hat auf vieles verzichtet, immer gespart und Geld den Verwandten in der Türkei zugesteckt.“
Zudem kam ein immer währendes Gefühl, die eigene Heimat und Kultur verraten und im Stich gelassen zu haben.

Abuzer Severcan war stolz darauf, in Deutschland Fuß gefasst zu haben. Foto: privat
  • Abuzer Severcan war stolz darauf, in Deutschland Fuß gefasst zu haben. Foto: privat
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Veranstaltungstipp

Professor Dr. Haci-Halil Uslucan lädt am Montag, 12. September, 16 bis 19 Uhr, zur Fachveranstaltung "Geschichte der Einwanderer oder Geschichte der Einladung(en)? - Wie Arbeiter:innen als Gäste ein- und ausgeladen werden" in die Lobby des Hagener Rathauses, Rathausstraße 13, ein.
Interessierte erhalten spannende und weiterführende Einblicke in die Geschichte der GastarbeiterInnen der ersten Generation.
Die Veranstaltung wird vom Integrationsrat der Stadt Hagen, in Kooperation mit dem Integrationszentrum, veranstaltet.

Fototermin im schicken Anzug. Foto: privat
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In seinem Impulsvortrag rekonstruiert Professor Dr. Haci-Halil Uslucan zunächst die Situation der ersten Generation von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern aus einer historischen und psychologischen Perspektive. Im zweiten Schritt stellt er die Frage, was die Gelingensbedingungen von Integration und Beheimatung sind. Was müssen Zugewanderte tun? Welche Anstrengungen muss die Aufnahmegesellschaft leisten? Wie sollte das Zusammenleben organisiert werden? Wo liegen nach wie vor Unterschiede zwischen Zugewanderten und der einheimischen Bevölkerung? Hierzu werden sowohl eigene empirische Untersuchungen, als auch plastische Fallbeispiele vorgeführt. Im Anschluss startet eine Podiumsdiskussion, die Professor Dr. Haci-Halil Uslucan moderiert.

Anmeldung

Die Anmeldung erfolgt über Jessica Randt, Geschäftsführung des Integrationsrats, unter Telefon 02331/207-4436 oder per E-Mail an: Jessica.Randt@stadt-hagen.de.

Autor:

Anja Jungvogel aus Unna

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