Hohenhof - Kulturdenkmal für Europa
Mit dem Hohenhof steht in der heutigen Folge der Reihe „Historische Gebäude“ ein Haus im Mittelpunkt, das nicht nur für die Stadt Hagen, sondern auch für die gesamte Kunst- und Kulturwelt eine herausragende Bedeutung besitzt.
Grau und hässlich war die Stadt Hagen Anfang des 20. Jahrhunderts, die Industrie prägte das triste Stadtbild. Ebenso trist gestaltete sich das Leben der meisten Hagener. Der junge Bankierssohn Karl Ernst Osthaus wollte diese Industriestadt aufwerten und seine Bewohner bereichern: Kunst und Kultur sollten mit dem Leben verbunden werden. Osthaus, der Kunstgeschichte, Philosophie und Naturwissenschaften studierte, gründete ein Museum der Weltkulturen, ein Deutsches Museum für Kunst in Handel und Gewerbe und den Folkwang-Verlag. Ausgangsort seines Handelns ist sein Wohnhaus, das Osthaus‘ Gedanken von der Verbindung zwischen Leben und Kunst verkörpert: Der Hohenhof.
Als Kunstwerk selbst ließ Osthaus zwischen 1906 und 1908 sein Domizil von dem belgischen Maler, Architekten und Designer Henry van de Velde gestalten. Das Besondere: Henry van de Velde schuf ein Wohnhaus „aus einem Guss“ - vom Grundriss über die Gestaltung der Wände bis hin zur kompletten Einrichtung. Selbst der Steinway-Flügel im Gesellschaftszimmer wurde optisch nach den Vorstellungen des Belgiers angefertigt.
Expertin für den Hohenhof ist Dr. Elisabeth May, die regelmäßig Führungen anbietet. „Van de Velde kannte den Tagesablauf der Familie Osthaus, er hat versucht, das Haus ganz auf die Bedürfnisse seines Besitzers zuzuschneiden und dementsprechende Verkehrswege geschaffen.“ So wurde die Tür grundsätzlich von einem Diener geöffnet - von außen gab es deshalb kein Schloss am Haupteingang.
Nur ein Raum war für den Besucher einsehbar, der sogenannte Verweilraum. Erst dann erschließt sich auch heute noch die Größe und Schönheit des Gebäudes, das im unteren Bereich die Gesellschaftszimmer und das Büro beherbergte, während der obere Teil der Familie und dem Privatleben vorbehalten war. Zwei Treppen verbanden das Erdgeschoss mit dem ersten Stockwerk - eine der beiden durfte lediglich von dem Ehepaar Osthaus genutzt werden. Die Bediensteten waren im Dachgeschoss untergebracht, während in den Kellerräumen die aufwändige Technik des Hauses ihren Platz hatte. So verfügte das Haus sogar über einen Speiseaufzug.
Wer den Hohenhof besichtigt, sollte vor allem auf die Details der Einrichtung achtgeben, die Dr. May gut zu erklären weiß: „Der große Tisch im Büro hatte unter der Platte eingebaute Holznischen, damit dort Getränke abgestellt werden konnten - sonst hätte zu leicht etwas über Entwürfe oder Bilder verschüttet werden können, die auf dem Tisch ausgebreitet waren.“ Schönheit, Kunst und Funktion zu verbinden, ist Henry van de Velde in jedem einzelnen Raum gelungen. „Es gibt eigentlich nur einen Fehler hier“, schmunzelt Dr. May, „das ist der Steinway-Flügel! Das Design passte einfach nicht zur Bauweise des Instruments. Der Flügel klang vom ersten Tag an verstimmt.“ Und tatsächlich, schlägt sie einige Tasten an, klingt das Instrument seltsam disharmonisch.
Bedeutende Künstler verkehrten bei der Familie Osthaus. So lebte Henri Matisse drei Monate auf dem Hohenhof, um eine Auftragsarbeit fertigzustellen: Drei Wandbilder, als Kacheln in die Wand eingefügt, hängen noch heute an ihrem Platz.
Bis zu seinem Tod im Jahr 1921 war der Hohenhof Mittelpunkt künstlerischen Schaffens. Dann begann die wechselvolle Geschichte des Gebäudes, das 1927 an die Stadt verkauft wurde mit der Auflage, es als Gesamtkunstwerk zu erhalten. 1933 nahm die NSDAP Besitz von dem Gebäude und richtete eine Gauverwalter-Schule ein. „Das Brisante ist, dass die Matisse-Bilder an ihrem Platz geblieben sind, denn eigentlich wurde ein entartetes Objekt gezeigt“, so die Hohenhof-Expertin.
Gegen Kriegsende wurde der Hohenhof zum Lazarett, von 1946 bis 1962 war eine Frauenklinik untergebracht, ab 1976 diente er als Abteilung der Pädagogischen Hochschule Dortmund. Im Dachgeschoss des Hohenhofes, der aus Verkehrsschutzgründen der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, stehen heute noch beschriebene Tafeln der Hochschule.
In dieser gesamten Zeit wurde mit dem Kunstwerk Hohenhof Raubbau betrieben - umfangreiche Sanierungsarbeiten und Rekonstruktionen waren notwendig, um den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Zu diesem Zweck wurden sogar die Originalmöbel zurückgekauft und wieder an ihren Platz gestellt. So gilt der Hohenhof heute als eines der wenigen erhaltenen architektonischen Gesamtkunstwerke des Jugendstils.
Autor:Anja Seeberg aus Hagen |
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