Hegel - Grundlinien der Philosophie des Rechts § 257-269 Der Staat
Der Staat ist die Verwirklichung der sittlichen Idee. Der sittliche Geist offenbart
sich und denkt sich im Staate. Seine Existenz hat er unmittelbar aus der
Sitte. Der Staat ist die Manifestation des Willens, dessen Selbstbewusstsein
das Vernünftige an sich verkörpert. Dieser Wille, der sich im Staat manifestiert,
ist absoluter Zweck an sich selbst. Darin kommt die Freiheit zur höchsten
Güte. Dieser Staat hat gegenüber dem einzelnen Individuum das absolute
Recht. Gleichwohl hat jeder Bürger die absolute Pficht, ein Teil dieses Staates
zu werden. Der Staat ist nicht mit der bürgerlichen Gesellschaft oder gar
im Zusammenhang mit dem Schutz des Eigentums oder persönlicher Interessen
gleichzusetzen. Wenn dem so wäre, dann wäre der Staat nicht an sich
selbst Zweck, sondern Mittel zum Zweck. Der Schutz des Eigentums bzw. die
Durchsetzung der Einzelinteressen wären in diesem Falle Zweck an sich selbst,
dass was der Staat eigentlich sein sollte und sein muss, ist jedoch Endzweck.
Andernfalls könnte jeder Mitglied des Staates werden. Dieser Staat hätte ein
anderes Verhältnis zum Einzelnen. Der Staat von dem Hegel spricht ist objektiver
Geist, denn nur so, davon war Hegel überzeugt, erlangt das Individuum
als Teil des Staates ebenfalls Objektivität, Wahrheit und Sittlichkeit. Die Verschmelzung
der Individuen mit dem objektiven Geist ist Zweck der Individuen.
Die Vernunft ist das Resultat der Vereinigung der Allgemeinheit mit der Einzelheit in der objektiven Freiheit. Diese objektive Freiheit äußert sich in allgemeinen Gesetzen, die das Handeln des Individuums bestimmen. Die sittliche Idee ist das ewige Sein des Geistes. Aus dieser Idee heraus entstehen Staaten, ihre Verfassungen und ihre Rechte unabhängig davon, ob der Ursprung
der Entstehung dieser Staaten auf patriarchalische Strukturen, Kooperation
oder Zwang beruhen bzw. auf was die darauf entstehenden Rechte zurück gef
ührt werden (göttlicher Ursprung, Verträge etc.). Die Idee des Staates an sich
bleibt unberührt. Die daraus resultierenden Gesetze sind nichts anderes als
gedachte Begriffe. Der Staat und die daraus gedachten Begriffe sind das an
und für sich vernünftige des Willens. Rousseau hingegen, kritisiert Hegel, hat
den Willen in zwei Formen zerlegt. In Form des einzelnen Willens und in einen
allgemeinen Willen, womit Rousseau das Gemeinschaftliche meint. Das Gemeinschaftliche geht bei Rousseau aus dem einzelnen Willen hervor. Der Staat ist demnach nichts anderes als die Vereinigung mehrerer Individuen mittels eines Vertrages. Der Staat hat nichts absolutes, göttliches an sich, sondern ist das Resultat eines Vertrages. Damit einhergehend ieÿen in einem solchen Vertrag menschliche Neigungen wie Habgier, Willkür aber auch Meinungen.
Die Menschheitsgeschichte hat gezeigt, dass in solchen Staaten die Gewalt
herrscht. Es kommt zu Revolten und zu Umsturzversuchen und Revolution,
die dazu führen, dass man immer wieder von Vorne beginnen müsse, dies sei
das Ergebnis des Prinzips des Einzelwillens. Der objektive Wille hingegen ist
das wahre Vernünftige, unabhängig davon, ob der Einzelne dies erkennt oder
nicht. Die Subjektivität, das Wissen und Wollen sind lediglich Momente des
objektiven Willens. Reichtum und Äuÿerlichkeiten sind Momente der historischen Entwicklung.
Hegel kritisiert die Philosophie Hallers diesbezüglich sehr scharf. Er wirft ihm vor, dass Hallers gedankenlos die Macht des Gerechten und
Sittlichen negiert habe und wohl stattdessen in der zufälligen Naturgewalt die
Ursache für die Entstehung eines Staates sehe. Damit negiert er die bürgerlichen Gesetze. Der Staat bei Hegel ist die Verkörperung der Sittlichkeit, die Manifestation der Freiheit und ist der Vernunftszweck. Hier wird die Freiheit
real. Der Staat ist auch absoluter Geist, der sich im Staate manifestiert, sich
dann erkennt und seiner selbst bewusst wird. Sich selbst erkennend, sich selbst
wissend, nur dann ist der Geist auch Staat. Wenn man so will ist der Staat das
Werk Gottes. Das Individuum ist ein Moment in der Zeit. Der Staat ist keine
Institution, sondern eine göttliche Idee. Mag der Staat noch so schlecht sein,
dennoch verbirgt er in sich die Idee der Sittlichkeit, des Absoluten. Die Idee
des Staates hat unmittelbare Wirklichkeit in Form einer Verfassung bzw. eines
inneren Staatsrecht, im Verhältnis zu sich selbst und ein äuÿeres Staatsrecht
im Verhältnis zu anderen Staaten. Der Staat ist der Geist, der sich im Verlauf
der Weltgeschichte verwirklicht. Im Staat entfaltet sich die Freiheit. Die Entfaltung
dieser Freiheit findet auch auf der persönlichen Ebene statt, innerhalb
der Familie und in der bürgerlichen Gesellschaft. Diese gehen aber von sich
selbst, als dann in das Allgemeine und zwar aus der Tatsache heraus, dass
sie die Existenz des objektiven Geistes anerkennen und darin ihren Endzweck
nden. Die Subjektivität kehrt, wenn man so will, in die substantielle Einheit
zurück, um auch sich in dieser Einheit zu erhalten. Mit anderen Worten,
die Interessen der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft kommen im Staate
zusammen. Innerhalb des Staates als Manifestation des objektiven Geistes
bleibt die Subjektivität erhalten. Der Staat ist Ordnungsmacht, aber zugleich
Interessenvertreter der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft. Die Familie
und die bürgerliche Gesellschaft haben innerhalb des objektiven Geistes Rechte
und Pfichten. Im Staate vereinen sich Rechte und Pfichten und bleiben
dennoch ihrem Inhalte nach verschieden. Rechte und Pfichten sind bezogen
auf das Individuum folglich gleich. Was X an Recht hat, muss auch für Y ein
Recht sein. Das gilt auch für die Pficht. Darin besteht die persönliche Freiheit
des Menschen. Ausgenommen die Sklaven. Sie können keine Rechte haben, weil
sie keine Pfichten haben und umgekehrt. Die Familie als eine wichtige Säule
des Staates, zeichnet sich dadurch aus, dass zum Beispiel der Sohn nicht die
gleichen Rechte habe wie der Vater. Auch habe er andere und mehr Pfichten
dem Vater gegenüber. Ähnlich verhält es sich mit den Bürgern gegenüber den
Regenten bzw. der Regierung. Der Staat ist also eine Vereinigung von Pfichten
und Rechten. Das besondere kommt durchaus im Allgemeinen zum Zuge,
so dass das Individuum zu seiner Befriedigung kommt. Das Besondere wird
somit im Allgemeinen nicht unterdrückt, sondern lebt mit dieser in Übereinstimmung.
Damit bleibt das Besondere, folglich auch das Allgemeine erhalten.
Das Besondere, das Individuum, findet im Allgemeinen den Schutz seiner Bed
ürfnisse und seines Eigentums, denn die Pficht ist gleichzeitig das Recht des
Individuums. Der objektive Geist ist unendlich, unsterblich, die Familie und
die bürgerliche Gesellschaft hingegen sind temporäre Erscheinungen und somit
endlich. Aber der unsterbliche Geist ist insofern lebendig, als das die Familie
und die bürgerliche Gesellschaft in ihm entwickelt sind. Der objektive Geist
ist somit eine Institution. Die Institutionen sind verfassungsgebend. In diesen
Gesetzen sind Vernunft und Notwendigkeit vereint. Der Zweck dieser Verfassung
ist das Glück der Bürger. Die Entwicklung der Idee innerhalb ihrer selbst
bezeichnet Hegel als Notwendigkeit. Diese ist das, was wir als politische Gesinnung
verstehen, wenn wir die Subjektivität betrachten. Darunter versteht
Hegel die patriotische Haltung. Diese subjektive Haltung ist das Ergebnis der
existierenden Institutionen. In diesen Institutionen hat sich die Vernunft verwirklichen
lassen. Man müsse dem Staat bei Hegel als ein Art Organismus
verstehen.
1.2 Zusammenfassung
Hegel versteht das Absolute als Geist. Daher kann man über den Geist Aussagen
treffen. Die Philosophie selbst ist die Aktivität des Geistes. Seine Philosophie
ist die Entfaltung des Geistes. Die Natur ist die unvollkommene Entfaltung
des Geistes. Der sich entfremdende Geist. Diese Erscheinung gilt es zu
überwinden, hin zum waren Wesen des Geistes. Daher betreibt er die Philosophie
des Geistes. Hier unterscheidet er in einen subjektiven Geist, das individuelle
Bewusstsein, welche er in Seele, Bewusstsein und Geist unterteilt. Die
nächste höhere Stufe ist der objektive Geist, das sind normative Ordnungen.
Sie sind überindividuell, die in einer Gesellschaft ausgebildet werden. Dabei
unterscheidet er hierbei zwischen Recht, Moralität und Sittlichkeit. Es sind
eigenständige Ebenen, die nicht auf Individuen reduzierbar sind. Dann folgt
der absolute Geist. Hier betrachtet der Geist sich selbst. Die überindividuelle
Selbstfindung des Geistes, davon existieren wiederum drei: es sind die Kunst,
die Religion und die Philosophie. Die Geschichte der Kunst, Religion und Philosophie
ist demnach nichts anderes als die Selbstfindung des absoluten Geistes.
Das Recht im engeren Sinne ist das abstrakte Recht. Es ist nicht konkret. Es
sind externe Systeme von Normen, aufgrund formaler Verhältnisse zwischen
den Menschen. Dabei geht es um Verfügung über Gegenstände, hierbei geht
es um Eigentum, Verträge etc. Die zweite Ebene ist die Moralität. Hierbei
kommt es zur Verinnerlichung von Normen. Normative Ausrichtung der eigenen
Persönlichkeit. Von Bedeutung sind hier Begriffe wie Schuld, Absicht
und Gewissen etc.. Die dritte Ebene ist die Sittlichkeit. Die Sittlichkeit geht über
die persönliche Moralität hinaus. dabei geht es über persönliche Realisation
von normativen Strukturen in der Gesellschaft. Die drei relevanten Stufen sind
die Familie, die auf Liebe beruht, die bürgerliche Gesellschaft, die durch Kooperation
besteht und der Staat. Der Staat ist die wahre Vereinigung der Individuen.
Die Wirklichkeit der sittlichen Idee. Der Staat kann nicht als Vertrag
verstanden werden. Der Staat ist nicht auf einen Vertrag gegründet wie es
J.J. Rousseau in seinem Werk Le Contract Social (Der Gesellschaftsvertrag)
beschreibt. Auch nicht als aktive Einigung bzw. als realer Zusammenschluss.
Deshalb nicht, weil Verträge auf der Ebene des abstrakten Rechts bestehen.
Der Staat ist aber die Verwirklichung der Sittlichkeit. Er steht also auf einer
höheren Ebene. Verträge gehen von individuellen Interessen aus. Der Staat ist
aber überindividuell. Der Staat ist ein ganzheitlicher Organismus, die Individuen
darin sind temporäre Erscheinungen, Momente. Verträge gibt es, weil
Sittlichkeit, Recht und Moralität in sich enthält. Der Staat ist eine organische
Totalität mit eigenen Gesetzen. Der Staat kann nicht aus der Perspektive der
Moralität bewertet werden. Denn Moralität ist nur die zweite Ebene des objektiven
Geistes. Die Sittlichkeit steht in der Hierarchie über der Moralität.
Sie hebt die Moralität auf. Es kann demnach keine Kritik seitens der Moralit
ät geben. Somit sind die Gesetze des Staates in sich vernünftig, in sich
sittlich. Der reale Staat, die geltenden Gesetze sind über jede Kritik erhaben.
Die sittlichen Gesetze, mögen sie sein wie sie sind, sind moralischen Kriterien
entzogen. Der Staat übersteigt persönliche Rechtsansprüche. Der Staat wird
nicht nach moralischen Kriterien beurteilt. Die sittlichen Formen entwickeln
sich, hier entfaltet sich der Weltgeist. Es handelt sich um die Selbsterfahrung
des Weltgeistes. Der Weltgeist realisiert sich in den Weltgeistern, in Völkern,
die aber auch nur temporäre Erscheinungen des Weltgeistes sind. Denn dieser
wandert zu den nächsten sich entwickelnden Völkern und überlässt die alten
Völker ihrem Schicksal. Kritik und individuelle Rechte sind irrelevant. In den
Verfassungen offenbart sich der Weltgeist als objektiver Geist. Die wahre Verwirklichung
des objektiven Geistes ist die Monarchie.
Autor:Mimoun Azizi aus Düsseldorf |
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