"Leben des Galilei" heißt ein Theaterstück von Bertolt Brecht, das von ihm meist als episches Stück und nicht als Drama bezeichnet wird. Es wurde 1939 im dänischen Exil verfasst und am 9. September 1943 in Zürich uraufgeführt. Die Musik schrieb Hanns Eisler.
Brecht fertigte 1945 mit dem Schauspieler Charles Laughton in Los Angeles eine zweite, englischsprachige Fassung an. Dabei stellte er die Verantwortung der Wissenschaft in den Vordergrund rückte. Während es ihm in der ursprünglichen Fassung vor allem um die Darstellung des Umgangs mit der Macht (der Kirche) ging, rückte er in dieser Fassung die Frage nach dem Wert und der Verwertbarkeit von Wissen sowie die politischen und gesellschaftlichen Bedingungen von Wissenschaft als zentralen Aspekt des Stückes in den Vordergrund.
Das Stück spielt im Italien des 17. Jahrhunderts. Dies ist eine Epoche des Umbruchs und der Erneuerung. In dem Theaterstück erstreckt sie sich über einen Zeitraum von 28 Jahren.
Der geniale Physiker Galileo Galilei leidet notorisch unter Geldmangel. Er verbessert ein in Holland konstruiertes Fernrohr, gibt es als seine eigene Erfindung aus und läßt sich dafür von der Stadt Padua mit 500 Scudi Gehaltsaufbesserung pro Monat belohnen. Sind die Scudi eine erfundene Währung oder gab es sie damals wirklich? Keine Ahnung. Galilei belegt mit Hilfe seines Teleskops jedenfalls das heliozentrische kopernikanische Weltbild und widerlegt die Vorstellung des alten geozentrischen ptolemäischen Weltbildes, daß die Erde der Mittelpunkt des Universums sei.
Dies führt natürlich zum Konflikt mit der katholischen Kirche. Sie verbietet ihm die Verbreitung seiner „ketzerischen“ Lehren. Und das nicht ohne Grund. Der Umsturz des alten Weltbilds löst bei den Mächtigen in Kirche und Politik die Besorgnis aus, daß damit möglicherweise auch ein gesellschaftlicher Umsturz eingeleitet werden könne. Nach einer innerkirchlichen Kontroverse wird Galilei schließlich verhaftet. Man verlangt von ihm, seine neue Lehre zu widerrufen. Entgegen der Vermutung seiner Freunde und Mitarbeiter tut er dies auch´- die Inquisition braucht ihm nur mit der Folter zu drohen. Der Anblick der Folterinstrumente löst bei Galilei ein riesiges Angstgefühlt aus.
Aufgrund seiner langen Beobachtung der Sonne fast völlig erblindet, zieht sich Galilei in den folgenden Jahren in ein Landhaus zurück, das er nicht mehr verlassen darf und das von der Kirche streng bewacht wird. Als ihn sein ehemaliger Schüler Andrea Sarti besuchen kommt, eröffnet ihm Galilei, daß er ein Exemplar seiner verbotenen Schrift, die Discorsi, außer Landes schmuggeln lassen, aber keine Verantwortung dafür übernehmen wolle. Andrea ist darüber hoch erfreut. Er erklärt sich bereit, die Papiere über die Grenze zu schaffen, und vermutet hinter Galileis Absicht den Plan, seine alten Studien erneut aufgreifen zu wollen. Doch Galilei muß ihn enttäuschen: Er bezichtigt sich selbst des Verrats an der Wissenschaft, da er seine Lehre aus Angst vor körperlichem Schmerz widerrufen habe.
Soweit zur Theorie. Und wie sieht die Praxis aus? Im Rahmen der diesjährigen Duisburger Akzente können wir uns das Theaterstück auch bei uns in Duisburg anschauen. Das Theater Bonn bringt das Stück bei uns auf die Bühne. Die Bezüge zu Mercator sind dabei zumindest theoretisch gegeben, hatte er doch zumindest in seiner flämischen Heimat Ärger und Konflikte mit der Kirche. Und in seiner Heimatstadt Duisburg beschätigte er sich mit religiösen und philosophischen Fragestellungen. Brecht greift hier ein Thema auf, das zeitlos aktuell ist. Oder?
Die Bühne ist anfangs ganz in Schwarz gehalten. Die Schauspieler sind ganz in weiß gekleidet und haben Glatze. Sie werden gezielt vom Licht angestrahlt.
Nach etwa 40 Minuten wandelt sich das Bühnenbild. Jetzt wird der ganze Raum der Bühne genutzt. Und es kommt Farbe ins Spiel, nämlich das Rot und Weiß der Kirche. Auch bei der Kleidung der Schauspieler tritt ein Wandel ein. Sie tragen teilweise historische Kostüme, die aus der Zeit des großen, gefeierten Karthografen stammen könnten - eine Hommage an Mercator?
Ich bin mir zwar nicht sicher, ob im Original ein nackter Herr vorgesehen ist. Mit viel Ernst, aber auch Humor wird der Klassiker der Moderne hier auf die Bühne gebracht. Die Aufführung gefällt in ihrer dezenten und zurückhaltenden Art. Behaupte ich etwas falsches, wenn ich sage, daß in einigen Szenen auch so etwas wie Melancholie zu sehen ist? Ich hoffe nicht. Die Brecht`schen Aussagen werden verständlich umgesetzt. Wer den literarischen Galilei kennt, wird ihn auch auf der Bühne wiedererkennen. Für mich persönlich hat sich der Besuch auf jeden Fall gelohnt.
Autor:Andreas Rüdig aus Duisburg |
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