Ein Blick in die „Entstehungsgeschichte“ des Neumühler Vereins- und Bürgerbaums
„Wir wollen Signale in die Zukunft senden“
„Corona hat uns alle ganz schön außer Gefecht gesetzt. Aber wir werden nicht die Flinte ins Korn werfen. Da müssen wir sichtbare Zeichen setzen, dass wir noch da sind, und vor allem, dass wir diese anspruchsvolle Situation meistern werden“, betonen Tobias Kierdorf, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Neumühler Kaufleute (AGNK), und seine Stellvertreter Bernd Wallhorn und Markus Corzillius.
Das traditionelle Stadtteil-Osterfeuer musste bereits im vergangenen Jahr ausfallen. Auch dieses Mal machte Corona den Neumühlern einen Strich durch die Rechnung. Auf den gut sichtbaren Eierbaum am Neumühler Markt haben die organisierten Kaufleute in diesem Jahr allerdings nicht verzichtet. Groß, bunt und fröhlich hat er Hoffnung auf bessere Zeiten, dann wieder mit einem Osterfeuer und zahlreichen Gästen aus nah und fern, gemacht.
Bürgerbaum als neues
Wahrzeichen Neumühls
Jetzt steht der Monat Mai in den Startlöchern. Und gerade für Neumühl wäre der mit- und einnehmend gestartet. Diesmal, wie auch schon in 2020, allerdings wieder nicht. Wehmut kommt auf. Der 1. Mai war im Veranstaltungskalender des bewegten und bewegenden Neumühl seit langem ein bemerkenswerter Tag. Zum einen wird am Neumühler Markt, dem Hohenzollernplatz, der über 15 Meter hohe Neumühler Vereins- und Bürgerbaum mit Muskelkraft von jeweils etwa 40 Vereinsvertretern unter lauten Tambourklängen „herangeschleppt“ und dann mittels Kran in seine Stahl-Halterung platziert. Zum anderen gibt es immer ein buntes Unterhaltungsprogramm für die ganze Familie und vor allem die große Präsentation fast aller Neumühler Vereine und Institutionen.
Dass das alles diesmal nicht stattfinden kann, war den AGNK-Verantwortlichen schon lange klar. In einer Zoom-Konferenz hat man deshalb schon frühzeitig den Tag der Neumühler Vereine mit der Baumaufstellung abgesagt. Für die Neumühler ist das jedoch ein Grund, in die Geschichte des Vereins- und Bürgerbaums zu blicken. Und da gibt es einiges zu berichten, was Staunen und Schmunzeln hervorruft.
„Was für Paris der Eiffelturm bedeutet, ist für Neumühl der Vereins- und Bürgerbaum, nämlich ein Wahrzeichen“, hatte der frühere Hamborner Bezirksbürgermeister Uwe Heider einmal gesagt. Er, sein Vorgänger Winfried Besold sowie seine Nachfolger Marcus Jungbauer und Martina Herrmann waren auch ohne Amt und Würden oft Gäste bei vielen Baumaufstellungen. Das gilt ebenso für die jeweiligen Oberbürgermeister Bärbel Zieling, Adolf Sauerland und Sören Link. Bis das Wahrzeichen des neuen Neumühl allerdings in trockenen Tüchern war, mussten einigen Klippen umschifft werden.
Vorbild stammt
aus Mülheim-Saarn
Im Frühjahr 2003 feierte Neumühl seinen 650. Geburtstag, denn im Jahr 1353 wurde erstmals urkundlich eine „neye mulle“, eine neue Mühle, erwähnt. Das war die Keimziele Neumühls. Bei dem Festakt zum Stadtteil-Jubiläum trafen sich viele alte und neue Neumühler, Kumpels der ehemaligen Zeche und Neubürger gleichermaßen. Das nach der Zechenschließung größte Flächensanierungsgebiet der gesamten damaligen Bundesrepublik Deutschland hatte den Strukturwandel bestens gemeistert. So präsentieren sich Historie und Zukunft als nahtlose Einheit. Und das müsse doch auch irgendwie herausgestellt werden, meinte damals beim Neumühl-Jubiläum der Neumühler Aktivposten Reiner Terhorst. Schnell kam er auf einen solchen Vereins- und Bürgerbaum als Symbol für das große Miteinander im Stadtteil.
Die ideelle „Urheberschaft“ dieses Projektes haben die KG Blau-Weiß Neumühl „Die Pils-Sucher“ und die Aktionsgemeinschaft Neumühler Kaufleute. Der „allererste“ Vereins- und Bürgerbaum in der über 650jährigen Geschichte Neumühls wurde nach einer Idee von Pils-Sucher-Präsident Reiner Terhorst und Hoppeditz Christoph Schultz nach dem Vorbild des Bürgerbaums in Mülheim-Saarn mit tatkräftiger Hilfe von dem damaligen AGNK-Vorsitzenden Hans-Peter Kierdorf und seiner Stellvertreterin Gabriele Schwarzkamp-Kabanow am 1. Mai 2004 feierlich aufgestellt.
Schulung durch das
Technische Hilfswerk
Die vier haben sich den Vereinsbaum in Saarn angeschaut und eigene Vorstellungen entwickelt. Zwischenzeitlich mussten sie sich einiges anhören. Von Bemerkungen über ein neues Klettergerüst bis hin zum Leuchtturm oder Aussichtsturm auf dem Markt war die Rede. Viele, die heute von „unserem“ Vereins- und Bürgerbaum sprechen, haben das Projekt anfangs belächelt.
Bis der Baum erstmals stand, kam es zu etlichen Ortsbegehungen durch die Politik, Verwaltung, Statikern und Feuerwehr. „Ich dachte, wir bauen ein Mehrfamilienhaus, so viele wollten damals ihren Senf dazugeben“, lacht Hans-Peter Kierdorf heute. Weil zwei Bäume für die Stahlhalterung versetzt werden mussten, ging das Grünflächenamt auf die Barrikaden. Ein Planungsamtsmitarbeiter forderte statische Gutachten. Schließlich ordnete der damalige Baudezernent der Stadt, Jürgen Dressler, an: „Das Projekt wird genehmigt.“
Dann ging es los. Bauunternehmer Peter Hense hat mit seinem Team das Fundament eingelassen, und Raimund Christ hat in seinem Metallbau-Unternehmen mit seinen Söhnen Sebastian und Alex die Stahlhalterung konstruiert. Seitdem heißt es in Neumühl, dass der Vereins- und Bürgerbaum eigentlich ein „Christbaum“ sei. Die begleitenden städtischen Ämter waren mehr als zufrieden. Alles passte. Dann gab es eine Schulung durch das Technische Hilfswerk, an der „gestandene Neumühler Mannsbilder“ teilnahmen. Was heute mit einem Kran immer zügig vonstatten geht, war bei der Premiere ausschließlich mit Muskelkraft möglich. Mit Stöcken und Seilen wurde Baum in die Höhe gezogen und letztlich an seinen Standort „verfrachtet“. Das war eine schweißtreibende Angelegenheit.
Aufstellung entspricht
den Wünschen der Bürger
Jahr für Jahr lockte die Baumaufstellung immer mehr Menschen nach Neumühl. Jedes Jahr gab es eine Schirmherrin oder einen Schirmherrn. Musik- und Unterhaltungsprogramme kamen hinzu. Die Vereine boten Leckereien und Infos an, machten Spiele mit den Besuchern. Es gab Moped-Rundfahrten des Neumühler Moped-Clubs, die Schulen und die Kirchen beteiligten sich. Der ökumenische Gottesdienst als Auftakt zur Baumaufstellung ist auch Tradition. Mittlerweile präsentieren sich 36 Vereine und Institutionen mit ihren Schildern am Vereins- und Bürgerbaum.
Auch wenn es in diesem Jahr erneut keine öffentliche Aufstellung mit „Massenauflauf“ geben wird, das Wahrzeichen wird als Signal der Hoffnung über Neumühl „wachen“. Ohne den Zeitpunkt bekanntzugeben, wird er aufgestellt. Damit entspricht die AGNK sicherlich dem Wunsch vieler Neumühler.
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
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