Rückblick - 27. April 1943 - Das "Rätsel Duisburg" wird gelöst

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Am kommenden Mittwoch dem 27. April wird auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs erneut eine Fliegerbombe aus dem 2. Weltkrieg entschärft. Der Verein ZEITZEUGENBÖRSE DUISBURG e.V. erinnert in diesem Zusammenhang an die Folgen des Luftangriffs gegen die Stadt vor 68 Jahren in der Nacht vom 26. / 27. April 1943.

Wenn man im Frühjahr 1943 im Stab des Bomberkommandos der RAF den Namen „Duisburg“ hört, dann verfinstern sich die Mienen der Offiziere, die im unterirdischen Hauptquartier in High Wycombe Dienst tun.

Nur sie kennen das ganze Ausmaß des Fehlschlags aller bisherigen Angriffe gegen die Stadt an der Mündung der Ruhr. Nur sie wissen, wie groß die Menschen- und Materialverluste sind, die das Bomberkommando auf sich genommen hat, um Duisburg in Schutt und Asche zu legen. Und sie wissen auch, daß Duisburg nur ein paar Schrammen davongetragen hat.

Die Duisburger selbst ahnen nicht, wie oft das Schicksal ihnen bereits gnädig gewesen ist. Ihre Stadt sollte schon seit Beginn des Krieges vernichtet werden.

Aber wenn die Bomberflotten mit dem Ziel „Duisburg“ starten, dann steht der Fehlschlag eigentlich schon vorher fest. Zwar fallen in diesen Nächten manchmal auch einige Bomben auf Duisburg, aber die Masse der Bomben fällt garantiert auf andere Städte des Ruhrgebiets.

Und wenn einmal zahlreiche Bomben auf Duisburg fallen, wie ein Jahr zuvor in der Nacht vom 1. zum 2. Juni 1942, dann sind sie nicht für Duisburg, sondern für Essen bestimmt.

Obwohl Duisburg durch seine Lage an Rhein und Ruhr sowie durch den riesigen Binnenhafen ein deutlich zu erkennendes Ziel zu sein scheint, hat die Stadt zwei mächtige Verbündete: die feuchten Schwaden des Rheins und die Abgase der zahllosen Fabrikschornsteine. Sie verbinden sich zu einem dichten Dunstschleier. der aus großer Höhe nicht mehr durchsichtig ist. Und die starken Flakbatterien rings um die Stadt sorgen dafür, daß die Bomber so hoch wie nur irgend möglich fliegen müssen.

Selbst während der gewaltigen Luftschlacht an der Ruhr im Frühling 1943 scheint Duisburg das Glück günstig gesonnen zu bleiben. Bei den ersten drei Angriffen, am 25. März sowie am 8. und 9. April 1943, bei denen 955 Bomber gestartet sind, liegt eine geschlossene Wolkendecke über dem Ruhrgebiet. Die Schäden in der Stadt sind gering.

Es ist an diesem 27. April Angriff 159 auf die Stadt Duisburg und ist für die gestarteten Bomber: 215 Lancaster, 135 Wellington, 119 Halifax, 78 Stirling und 14 Mosquitos teilweise ein Misserfolg. Obwohl über dem Hauptziel Duisburg gute Markierung berichtet wird, zeigen Aufklärer Fotos die meisten Bombenwürfe nordöstlich der Stadt. Der Hauptangriffsverband bombardiert zu früh oder wird durch frühzeitige Brände zum Abwurf verlockt.

4 Mosquitos der 2. Bomber Group des RAF Bomber Command bombardieren Duisburg erst 3 Stunden nach dem Hauptangriff! 6 weitere Ruhrstädte werden getroffen.

Auf Duisburg fallen nach den Unterlagen des Polizeipräsidenten zwischen 2.09 Uhr und 2.54 Uhr insgesamt 33 Luftminen, 239 Sprengbomben und 18.146 Stabbrandbomben.

Auch der vierte Großangriff auf Duisburg, in der Nacht vom 26. zum 27. April 1943 mit 561 Maschinen geflogen, wird ein Mißerfolg... obwohl diesmal der Himmel wolkenlos und die Sicht gut ist.

Sieben Mosquito Schnellbomber, die von England aus durch „OBOE“ nach Duisburg gelenkt werden, werfen ihre roten Markierungsbomben direkt ins Stadtzentrum. Sechsundzwanzig Pfadfindermaschinen können die roten Markierungsbomben rechtzeitig durch grüne ersetzen, bevor sie erlöschen und dadurch während der gesamten Angriffsdauer das Ziel weithin kenntlich machen.

Und trotzdem geht irgend etwas schief, wie immer bisher in Duisburg. Aufklärerfotos zeigen, daß die Stadt längst nicht so stark zerstört ist, wie sie nach diesen günstigen Angriffsbedingungen sein müßte.

Luftmarschall Harris steht vor einem Rätsel. Er setzt eine wissenschaftliche Studienkommission ein, die das Rätsel Duisburg‘ für ihn lösen soll. Eine Woche später legen die Wissenschaftler dem Luftmarschall das Ergebnis ihrer Studien vor. Sie haben nicht nur das Rätsel gelöst. Sie haben auch einen Weg gefunden, wie Duisburg garantiert zerstört werden kann. In der Denkschrift ist zu lesen:

„Für diese Stadt ist das Verfahren des Flächen-Bombardements ausgesprochen unwirtschaftlich! Zum Stadtgebiet gehören große Flächen von unbebautem Gelände, die sich in wirren Mustern zwischen die einzelnen Stadtteile schieben. So werden zahlreiche über Duisburg ausgelöste Bomben verschwendet, weil sie auf Wasserflächen oder Felder fallen.“

Der zweite Punkt des Untersuchungsberichtes stellt eine weitere simple Tatsache fest:

„Obwohl die Hafenanlagen bisher bei jedem Angriff als Zielpunkt festgelegt und mehrfach auch ausreichend markiert worden sind, konnten dort keine wesentlichen Zerstörungen festgestellt werden. Dagegen zeigen die Zielaufnahmen, daß die Bombeneinschläge je weiter vom Zielpunkt entfernt liegen, je länger der Angriff dauert.

Die Einschläge kriechen bis zu zwanzig Kilometer nach rückwärts. In Duisburg aber, das aus dem Norden angeflogen wird, bedeutet dieses Rückwärtskriechen des Angriffs, daß die Bomben in die dünnbebauten Gebiete zwischen Duisburg und Oberhausen und in die Kirchheller Heide fallen.“

Je stärker der Flakschutz einer Stadt ist, so belehren die Wissenschaftler die Offiziere, um so stärker ist auch das „Zurückkriechen“ der Bombeneinschläge. Dagegen liegen die Einschläge bei einem Angriff auf eine unverteidigte Stadt fast immer dicht und geschlossen rings um die Markierungsbomben.

Bombenschützen sind eben auch nur Menschen. Und viele von ihnen drücken zu früh auf den Auslöseknopf, wenn ihre Maschinen im todverheißenden Explosionshagel des Flak Sperrfeuers hin und her geschüttelt werden. Sobald die Bomben nämlich abgeworfen sind, kann der Pilot die Maschine auf dem kürzesten Weg aus dem Abwehrfeuer herausfliegen...

„Wenn der fünfte Großangriff auf Duisburg erfolgreicher sein soll als alle bisherigen, dann muß der Zielpunkt des Angriffs rund 2,5 Kilometer südlich des eigentlichen Ziels, der Hafenanlagen, liegen“,

heißt es im Memorandum der Wissenschaftler an den Bombenchef.

„Eine solche Verlagerung des Zielpunktes dürfte ausreichen, um auch beim unweigerlich eintretenden Rückwärtskriechen der Einschläge die Innenstadt und das gesamte bebaute Stadtgebiet von Duisburg mit Bomben einzudecken.“

Das ist die Vernichtungstheorie der Wissenschaftler für Duisburg. Die Praxis folgt der Theorie auf dem Fuß. Am Vormittag des 12. Mai 1943 werden sämtliche Telefonleitungen von den Flugplätzen der Bomber nach draußen abgeschaltet.

Wenig später hängen die Einsatzbefehle für 572 Besatzungen an den Schwarzen Brettern. Am frühen Nachmittag drängen sich die Männer vom fliegenden Personal in den großen Nissenhütten zur Einweisung.

„Ihr Ziel in der kommenden Nacht heißt Duisburg,“

erklären die Operationsoffiziere.

„Der Hafen ist der größte Binnenhafen Europas. In den Duisburger Hütten- und Walzwerken werden dreißig Prozent der deutschen Eisen- und Stahlproduktion gewonnen und verarbeitet. Die Stadt ist einer der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte des Reiches, mit über vierhunderttausend Einwohnern. Das Bomberkommando erwartet von jedem seiner Angehörigen einen todesmutigen Einsatz, damit dieser Eckpfeiler der Festung an der Ruhr endlich einstürzt.“

Am 28. April 1943 berichtete sogar die US amerikanische Soldatenzeitung für den europäischen Kontinent „Stars and Stripes“ über den Angriff der RAF auf Duisburg.

Die Stadt und ihre Stadtteile sind schwer getroffen worden, was die Fotos zu diesem Beitrag deutlich zeigen. Doch erst der nächste verheerende Großangriff am 13. Mai 1943 soll die Duisburger Altstadt vollkommen auslöschen.

Und eines zeigt das seltene Foto von den Aufräumarbeiten an der Lerchenstraße in Neudorf. Den Einsatz von KZ Häftlingen in der Stadt! Das KZ Ratingsee war am 27. April 1943 ebenfalls vollständig zerstört worden.

Autor:

Harald Molder aus Duisburg

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