Stilles Gedenken am 6. Jahrestag der Loveparade-Katastrophe: Angehörige möchten allein trauern - Bürger sind bei der Nacht der 1000 Lichter willkommen

Die Nacht der 1000 Lichter findet erstmals nicht am Vorabend des Jahrestages, sondern am Abend des 24. Juli statt. | Foto: Frank Preuß
  • Die Nacht der 1000 Lichter findet erstmals nicht am Vorabend des Jahrestages, sondern am Abend des 24. Juli statt.
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Am Sonntag, 24. Juli, ist es sechs Jahre her, dass bei der Loveparade-Katastrophe in Duisburg 21 junge Menschen ums Leben kamen, über 500 verletzt und traumatisiert wurden. Die Hinterbliebenen möchten diesmal ungestört von der Öffentlichkeit ihrer Lieben gedenken, möchten allein trauern. Daher wird es am Sonntag keine öffentliche Gedenkfeier geben.

Die Stiftung "Duisburg 24.7.2010" richtet eine nicht-öffentliche Gedenkfeier für Angehörige und Betroffene aus, die um 17 Uhr an der Gedenkstätte im Karl-Lehr-Tunnel stattfindet. Mit 21 Glockenschlägen wird an die Verstorbenen des Unglücks erinnert. An die 21 Todesopfer erinnern auf Wunsch der Eltern seit Donnerstag auch 21 Keramikplatten, die in die stählerne Tafel an der Loveparade-Gedenkstätte eingesetzt wurden. Auf 16 Platten sind Fotos und Namen von Getöteten zu sehen. Bei den fünf übrigen wollten die Angehörigen dies nicht.

Bürgerinnen und Bürger, die ihrer Trauer Ausdruck verleihen wollen, haben dazu im Anschluss Gelegenheit. Ab 21 Uhr veranstaltet die Stadt Duisburg die (öffentliche) Nacht der 1000 Lichter im Karl-Lehr-Tunnel. Auch dies eine Neuerung. In den Vorjahren fand die Nacht der 1000 Lichter stets am Vorabend des 24. Juli statt.

Überschattet wurden die Planungen zum diesjährigen Jahrestag der Loveparade-Katastrophe von der Entscheidung des Duisburger Landgerichts, die Anklage der Staatsanwaltschaft nicht zuzulassen. "Alle Hoffnungen ruhen nun darauf, dass diese Entscheidung vom Oberlandesgericht Düsseldorf wieder aufgehoben und es doch noch zu einer juristischen Aufarbeitung kommen wird", so die Stiftung "Duisburg 24.7.2010".

Hinterbliebene fordern weiterhin Strafprozess

Am Montag 25. Juli, wollen Hinterbliebene über 350.000 Unterschriften ans Oberlandesgericht Düsseldorf überreichen. „Als ich die Nachricht bekam, dass der Prozess gegen zehn Verantwortliche eingestellt wird, war das für mich, als wäre mein Sohn ein zweites Mal gestorben“, berichtet Gabriele Müller, Mutter des Verstorbenen Christian und Initiatorin der Petition auf der Plattform change.org. Ihr Sohn verlor im Gedränge des Technofestivals sein Leben. Enttäuscht durch Justiz und Politik, die nach dem verheerenden Tag am 24. Juli 2010 „lückenlose Aufklärung“ versprach, versucht sie mit ihren Mitteln doch noch für die Eröffnung des Strafprozesses zu kämpfen. So kam ihr die Idee, zusammen mit weiteren Hinterbliebenen - unter anderem in Spanien und Italien - eine Petition aufzusetzen.

Über 350.000 Unterschriften konnten mittlerweile gesammelt werden.

Die Hinterbliebene Müller hofft durch die große Unterstützerzahl zu beweisen, dass eine breite Öffentlichkeit die Durchführung eines Strafprozesses fordert, nicht nur um die Umstände des Unglücks aufzuklären, sondern auch um ein Zeichen für zukünftige Großveranstaltungen zu setzen. „Verantwortungslosigkeit muss angemessen bestraft werden“, betont die Mutter, „damit zukünftig solche Katastrophen verhindert werden können.“ Ihr Rechtsanwalt Prof. Dr. Julius Reiter, der mit seiner Kanzlei baum reiter & collegen an die 100 Betroffene der Loveparade 2010 vertritt, gibt sich optimistisch: „Wir bleiben nach wie vor hoffnungsvoll, dass das Oberlandesgericht den Beschluss des Landgerichts aus rechtlichen Gründen aufheben und an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverweisen wird. Auch wenn das OLG selbstverständlich unabhängig und unbeeinflusst entscheiden wird, bringt die Petition die Erwartung der Betroffenen und der Öffentlichkeit an den Rechtsstaat zum Ausdruck.“

Der Bochumer Jurist, Kriminologe und Polizeiwissenschaftler Professor Dr. Thomas Feltes vertritt einen Vater, dessen Tochter bei der Loveparade getötet worden war. Er fordert die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission zur Aufklärung der Geschehnisse während der Loveparade. „Für den Fall, dass die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Duisburg gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens erfolglos sein sollte, werden wir umgehend eine solche Kommission nach englischem Vorbild einrichten“ – so Feltes in einer Presseerklärung zum sechsten Jahrestag der Katastrophe.
Er habe bereits Zusagen von international renommierten Kollegen und Fachleuten, die bereit sind, an einer solchen Kommission mitzuwirken.

Feltes: „Wir sind es als Gesellschaft den Opfern der Katastrophe schuldig, dass es zu einer möglichst umfassenden Aufklärung kommt. Wenn dies Gerichte nicht leisten können, dann muss es auf diesem Wege geschehen“.

Sperrung
=> Zum Jahrestag des Loveparade-Unglücks findet am Sonntag, 24. Juli, eine Gedenkfeier an der Unglücksstelle statt. Aus diesem Grund wird die Karl-Lehr-Straße im Bereich des Tunnels von 15 Uhr bis etwa 24 Uhr für den gesamten Kraftfahrzeugverkehr gesperrt. Umleitungsempfehlungen über die Düsseldorfer Straße und den Sternbuschweg werden ausgeschildert.
=> Fußgänger und Radfahrer können den Bereich passieren. Während der Gedenkfeier von etwa 16.30 bis 17.30 Uhr gilt das Verbot auch für Fußgänger und Radfahrer.

Autor:

Sabine Justen aus Duisburg

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