Glockengigant braucht neuen Klang: Demontage einer Glocke aus Christuskirche in Rheinhausen

Die Demontage des Prachtstücks übernahmen Günter Musholt (62) und Christian Kerkhoff (28) von der Firma „Petit & Gebrüder Edelbrock in Gescher. Fotos: Hannes Kirchner
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Das Herauspflücken von Glocken aus Kirchtürmen kommt nicht oft vor und nur spezialisierte Firmen übernehmen diesen Job. Aktuell muss das Geläut der Christuskirchengemeinde in Rheinhausen dringend repariert werden. Ein Zwei-Tonnen-Gigant aus Glockenbronze wurde auf einen Lkw geladen. Der ganze Spaß für den besseren Klang kostet die Gemeinde 35000 Euro.

Zehn Jahre lang hat die evangelische Christuskirchengemeinde in Rheinhausen gespart, bis 35 000 Euro beisammen waren. Das kostet die nun anstehende Res­taurierung der defekten Glocke aus dem 17. Jahrhundert. Am Mittwoch wurde sie aus dem Glockenstuhl heraus gehoben.

„Die Spendenaktion lief über Jahre. Die Restauration war aus Mitteln der Kirchensteuer nicht zu finanzieren“, erläuterte Pfarrer Sieghard Klimkait. „Zusammen gekommen ist die notwendige Summe durch eine Fülle von Einzelspenden, manchmal war auch ein Tausender dabei. Auch Erlöse von Kirchenfesten und Basaren flossen mit ein.“
Vor vier Jahren war die Glocke, die im Jahr 1678 von dem Gießermeister Jean-Bourlet in Utrecht gefertigt wurde, schon stillgelegt worden. Zu diesem Zeitpunkt war die vollständige Spendensumme noch gar nicht erreicht. Doch bei einer Wartung 2010 wurden Rissbildungen festgestellt, die zur Zerstörung der Glocke hätten führen können. Das kostbare Bronzestück war nämlich seit 1904 beschädigt.

Kaputt seit 1904

In der Nacht vom 18. bis zum 19. November 1904 bestieg der damalige Küster den Turm, um Feueralarm zu schlagen, und zwar mit einem Hammer, wie es üblich war, damit sich der Ton vom üblichen Klang unterschied. Dabei brach ein mehrere Kilo schweres Stück aus dem Glockenmund heraus. Nun, 110 Jahre später, erfolgt also die Reparatur des 1882 Kilogramm schweren Teils.
„Die übernimmt die Glockengießerei Royal Eijsbouts in Asten in den Niederlanden“, verrät die ehrenamtliche Kirchbaumeisterin Cordula Ingendahl, hauptberufliche Architektin. In den Niederlanden daher, weil die ansonsten nächste Alternative, die preislich in Frage gekommen wäre, noch weiter weg, in Straßburg, liegt.

„Die Glocke wird dort erhitzt und dann wird ein passgenaues Stück angeschweißt. Danach erfolgt die Politur.“ Vor allem aber müsse der Klang angepasst werden. Insgesamt rechne sie mit vier bis sechs Wochen Dauer.
Der Klang ist das Wichtigste an der Glocke, wenn der nicht stimmt, können empfindliche Ohren Dissonanzen feststellen. Ingendahl habe selbst die Glocke nicht mehr in Erinnerung, aber der Kirchenmusiker könnte den Klang später überprüfen.

Inschrift: „Wann ich ruf in die Welt, Gott euren Ernst erweiset, kommt, hört, was Gott gefällt, mit Psalmen hoch ihn preiset.“

Die Demontage des Prachtstücks übernahmen Günter Musholt (62) und Christian Kerkhoff (28) von der Firma „Petit & Gebrüder Edelbrock“ in Gescher, die auch das Stahljoch ausbauten, an dem die Glocke hing. „Die Stahljoche werden ausgetauscht. Eiche kommt rein“, erklärt Musholt, der international tätig ist, um Wartungen , Reparaturen, Montagen oder Glockenstuhlneuaufbauten vorzunehmen. „Wir waren schon in Norwegen, Estland, Litauen unterwegs“, erklärt der gelernte Betriebsschlosser, der seit 49 Jahren in diesem seltenen Beruf arbeitet. Eine zwei Tonnen-Glocke wie diese in der Christuskirchengemeinde herrauszunehmen, wäre schon eine Herausforderung, allerdings, so räumt der kräftige Monteur ein, habe er auch schon mal eine zwölf Tonnen schwere im Frankfurter Dom abgenommen.
In spätestens sechs Wochen werden alle wieder vor Ort sein, wenn die historische Glocke dann wieder zusammen im gewohnten Ensemble – mit ihrem kleineren Zwilling von 1660 und der dritten „Neuen“ aus dem Jahr 1987 – laut im Kirchturm läuten.

Autor:

Harald Landgraf aus Dinslaken

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