„Drei-Komma-Irgendwas“ wird nicht reichen

Keine Frage: Am Mittwochmorgen war die Stimmung
am Betriebshof Unkelstein besser als an den Haltestellen der DVG. Mit einem 24-stündigen Warnstreik verlieh die Gewerkschaft Verdi ihren
Forderungen nach mehr Gehalt den nötigen Nachdruck.
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  • Keine Frage: Am Mittwochmorgen war die Stimmung
    am Betriebshof Unkelstein besser als an den Haltestellen der DVG. Mit einem 24-stündigen Warnstreik verlieh die Gewerkschaft Verdi ihren
    Forderungen nach mehr Gehalt den nötigen Nachdruck.
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Der Streiktag im Betriebshof Unkelstein

„Stell‘ die Sitzheizung auf Vier!“ Ein passender Tipp an diesem Mittwochmorgen um 4 Uhr bei vier Grad Außentemperatur. Im Golf meines Nachbarn Franz geht es zum DVG-Betriebshof Unkelstein.

Außer meiner Wenigkeit wird Franz heute niemanden chauffieren. Verdi hat zum Warnstreik aufgerufen. Für Busfahrer Franz, der auch an diesem Tag nicht auf sein schickes DVG-Outfit verzichtet, macht das erst einmal keinen Unterschied. Um 4.35 Uhr hätte er normalerweise Ausfahrt am Unkelstein und wäre dann mit der 910 in Meiderich unterwegs.
Heute nicht! Das einzige Rad, das Franz heute drehen wird, ist das Lenkrad seines Golfs. Trotzdem ist pünktliches Erscheinen im Dienst-Dress angesagt. Kurz nach vier Uhr treffen wir am Unkelstein ein, wo neonfarbene Gewerkschaftsleibchen in dunkler Nacht strahlen.

Erster Anlaufpunkt ist die Streikleitung. Gewerkschaftsmitglied Franz unterschreibt das „Streikunterstützung-Auszahlungsformular“ und darf sich – als pünktlicher Beitragszahler – der finanziellen Unterstützung durch Verdi sicher sein.

„Gute Stimmung am noch frühen Morgen“ lautet das Motto bei der Streikleitung, die an diesem Morgen rund 100 Busfahrerinnen und Busfahrer zur Frühschicht erwartet. 75 Prozent davon sollen gewerkschaftlich organisiert sein. „Eine gute Quote, die sich durch den Arbeitskampf noch verbessert.“ Heute morgen durfte man zwar noch kein neues Gewerkschaftsmitglied begrüßen, aber in den vergangenen Tagen hat es doch ein paar Verdi-Neuzugänge gegeben.

Für Nichtgewerkschaftsmitglieder gestaltet sich der Tag des Warnstreiks ähnlich, wie Andreas Grehl, DVG Betriebshofleiter am Unkelstein, weiß: „Auch sie müssen pünktlich und dienstbereit erscheinen. Schließlich könnte es ja jederzeit wieder weitergehen.“ Danach sieht es heute zwar nicht aus, aber das zur Verfügungstehen ist natürlich Pflicht. „Reibereien zwischen Streikenden und Arbeitswilligen gibt es hier nicht“, berichtet Grehl und lobt die „tolle Belegschaft, die wie eine harmonische Familie agiert“.

Ein Großteil der „DVG-Family“ bevölkert mittlerweile den Aufenthaltsraum. Zwischen Spinden, Kaffeeautomat, dem Aushang der aktuellen Fußballtippspiel-Rangliste verfolgt ein Teil der ständig größer werdenden Truppe die aktuellen TV-Nachrichten. „Köln ist heute zu“, verkündet das aktuelle Laufband des Senders um kurz vor 5 Uhr und lässt den ein oder anderen zufrieden schmunzeln.

Das Morgengrauen ist noch nicht in Sicht, aber Thomas Keuer, Geschäftsführer von Verdi Duisburg-Niederrhein – an diesem Tag ein vielgefragter Mann, nicht nur jetzt am Betriebshof Unkelstein, sondern im Tagesverlauf auch bei den Streikenden im Straßenbahnbetriebshof Grunewald, bei den Wirtschaftsbetrieben in Hochfeld und bei den Stadtwerken.

Mittlerweile ist die Sonne aufgegangen und zeigt die große Halle, in der die ordentlich geparkten Linienbusse in voller Schönheit ruhen. Im Aufenthaltsraum werden derweil familien-typische Themen diskutiert. Hybrid-Autos, Griechenland, Wulff und Kreisliga C Fußball gehören ebenso dazu wie der Warnstreik. Zumindest bei letzterem ist man sich einig.

6,5 Prozent mehr Lohn, wenigstens 200 Euro mehr und die Übernahme der Azubis lauten die Ziele, für die man gemeinsam streiten will. Hoffnung setzt man auf die nächste Runde, die am 12./13. März über die Bühne gehen soll. Spätestens dann soll ein Angebot der Arbeitgeber kommen. Falls nicht, könnte zum Monatsende ein weiterer Streik drohen.

„Ohne Mampf keinen Kampf“ heißt um 6.35 Uhr die Losung, als der große Tisch im Aufenthaltsraum zur Frühstückstafel wird. Warmer Kakao, heiße Fleischwurst und belegte Brötchen stärken Streikende und Berichterstatter, bevor Thomas Keuer in einer kleinen Rede vor dem Gebäude die Verdi-Ziele zusammenfasst. Dass der Beifall echt ist, den er dafür erhält, wird wenig später in Gesprächen mit den Streikenden deutlich.

„Der Streik ist eine gerechte Sache. Nach jahrelangem Verzicht sind wir jetzt einfach dran.“ Sorgen macht man sich auch um den Nachwuchs. „Wir müssen den jungen Leuten Perspektiven bieten, Auszubildende müssen übernommen werden.“ Ziele, für die man entschlossen kämpfen will, denn „mit einem Abschluss von Drei-Komma-Irgendwas werden wir uns nicht zufrieden geben“. Mit Spannung blickt man auf die nächste Runde der Tarifverhandlungen. „Da muss jetzt was von den Arbeitgebern kommen!“

Hoffen wir das Beste – wie Franz, der bis zum Ende der Tarifauseinandersetzung wohl noch die ein oder andere Runde auf dem 910er drehen wird.

Autor:

Andreas F. Becker aus Duisburg

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