Bernard „Ennatz“ Dietz – ein Vorbild wird 70!
Rechtschaffen, selbstlos, solidarisch und zuverlässig - Kultstatus schon zu Lebzeiten
Das ist standesgemäß! Wenn „Ennatz“ heute, am 22. März, seinen 70. Geburtstag feiert, wird er fertig sein, der Bernard Dietz-Film. Die Dokumentation wird aber erst im Herbst seine Kino-Uraufführung haben, zu kompliziert und zeitaufwändig ist die Erlangung aller Wiedergaberechte der diversen Zeitdokumente. Erste Einblicke erlaubt eine Promo-Version, die heute im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund und auch während des Geburtstagsempfangs am Sonntag in Duisburg zu sehen sein wird.
Von Ferdi Seidelt
Der Dokumentarfilm „Ennatz – eine Zebra-Legende“ von Adnan G. Köse und Thorsten Ippendorf erzählt vom Aufstieg eines jungen Straßenfußballers aus dem Pott zum Idol eines ganzen Landes. Gedreht wurde im Wedau-Stadion, pardon in der Schauinsland-Reisen-Arena und im münsterländischen „Kuhdorf“ Drensteinfurt-Waldstedde, wo Bernard und Petra Dietz heute ihren Lebensabend genießen.
Material ohne Ende wurde produziert in Dortmund (mit Horst Hrubesch und Olaf Thon) und in München, wo Karl-Heinz Rummenigge Rede und Antwort stand. Mit von der Partie auch Reporter-Legende Werner Hansch und Ruhrpott-Comedian (und Dietz-Fan) Markus Krebs. Dass Ippendorf einen ansehnlichen Querschnitt aus dem Leben des beliebten Zebras abliefern wird, ist selbstredend: „Geplant war plus-minus eine halbe Stunde, jetzt werden es wohl 80 tolle Minuten – oder mehr“, sagte er lächelnd am Rande des Düsseldorf-Spiels. Ennatz, mittlerweile Vizepräsident des MSV Duisburg, schmeckte das unnötige 1:2 gegen Fortuna überhaupt nicht. Hatte er an den 29. Mai 1982 gedacht, wo er sich nach 401 Pflichtspielen von den Duisburger Fans verabschiedet hatte? Damals gab es ein hart erkämpftes 2:1 gegen Fortuna Düsseldorf, obwohl der MSV bereits als Absteiger feststand...
Als der gelernte Schmiedschlosser am 5. September 1970 bei Werder Bremen das erste Mal die Zebra-Fußballstiefel für das Abenteuer Bundesliga schnürte (und sofort ein Tor schoss), ahnte er wohl am allerwenigsten, dass er nach zwölf erlebnisreichen Jahren für „seinen“ MSV (die ersten beiden Jahre links vorne, dann hinten links), vier Spielzeiten auf Schalke, 53 A-Länderspielen mit dem Highlight „Europameister 1980 mit Kapitän Bernard Dietz“, mithin mit 615 Einsätzen auf nationaler und internationaler Ebene eine Beliebtheit erreichen würde, die schon an Kultstatus grenzt.
Ennatz sah in 615 Partien, das Gros davon als grätschender und pfeilschneller Linksverteidiger mit überragenden Zweikampfwerten, gerade einmal 17 Gelbe Karten.
Wer so Fußball spielt, der muss ein ganz besonderes Verständnis zu seinem Gegenspieler haben. Attribute wie gerecht, anständig, aufrecht, ehrlich, rechtschaffen, selbstlos, solidarisch und zuverlässig könnten dem Sportsmann gleich im Dutzend angeheftet werden.
Ennatz, der Malocher – Für das unermüdlich kämpfende, 75 Kilogramm schwere und 178 Zentimeter große Kraftpaket ist kein Acker zu tief und kein Weg zu weit. Immer wieder stürmt er in die gegnerische Hälfte, bis heute gibt es in der Bundesliga keinen torgefährlicheren Verteidiger, 71 Mal nagelt Ennatz das Leder in die Maschen, vier Buden macht er 1977 allein gegen Bayern München, ein legendäres Spiel.
Ennatz, der Praktiker – Damit die von ihm gecoachten MSV-Junioren auf dem Trainingsgelände nicht mehr länger den Ball aus Brennessel- und Ranken-durchsetzten Rabatten holen müssen, packt er zur nächsten Übungseinheit angespitzte Pfosten und einen dicken Hammer in den Kofferraum – mit einem Baustellennetz und vereinten Kräften ist ruckzuck ein Ballfangzaun improvisiert.
Ennatz, der Hilfsbereite – Als die überaus erfolgreichen Rumelner Fußballfrauen (DFB-Pokalsieger, Gewinn Europapokal) durch finanzielles Missmanagement am Rand des Ruins stehen, sind es Ennatz und seine Weggefährten samt Ehefrauen, die immer wieder für die notleidenden Kameradinnen auf Betteltour gehen. Er hört erst mit seinen Bemühungen auf, als die Löwinnen gerettet sind.
Ennatz der Bescheidene – Vor zehn Jahren hat die Stadt Duisburg den 60. Geburtstag ihres berühmten Sohnes so gut wie verpennt. Die Dietz-Fans Bodo Oppenberg, Klaus Biedka, der Verfasser dieser Zeilen (und in diesem Gefolge Werner Hansch) schlagen bei OB Adolf Sauerland auf – am 22. März 2008 steigt in der Arena eine gelungene Laudatio-Party mit einem Ennatz, dem die viele Ehrerbietung erkennbar „too much“ ist.
Ennatz, die treue Seele – In den zwölf MSV-Jahren gibt es zumindest zwei Aufreger. Dietz erinnert sich: „1975 ist mit Eintracht Frankfurt fast alles klar. Da gehe ich nach einem Spiel zu meinem Auto. Steht da ein Ehepaar weinend vor mir: 'Sie dürfen uns nicht verlassen!' Wegen dieser Begegnung bin ich geblieben. 1980 dann ein Anruf von Hennes Weisweiler, Trainer von Cosmos New York. Da spielen Beckenbauer, Pelé – aber nein, ich bin ein Zebra geblieben.“
Ennatz, der Bodenständige – Dietz' erstes Gehalt sind 1200 Mark. Laufzeit, Gehalt, Prämien, fertig. Von wegen Auto, Wohnung oder so. Weil der MSV immer knapp bei Kasse ist, bekommt er die Hälfte der DFB-Abstellungsprämie, die eigentlich dem Verein zusteht. „Ich habe also mein eigenes Geld eingespielt. Wenn ich es gewollt hätte, ich hätte Millionen verdienen können. Aber ich hatte immer ein Dach über dem Kopf, wir sind glücklich.“
Ennatz, der Zuverlässige – In Bochum ist er sieben Jahre lang Jugend- und Amateurtrainer, formt Spieler wie Yildiray Bastürk, Paul Freier, Frank Fahrenhorst, Delron Buckley. Dann 1999 der Ruf: „Nur Platz 15. Wir haben Ernst Middendorp gefeuert. Trainier' Du die Profis.“ Dietz bringt das Team auf Rang fünf, holt 16 von 21 Punkten. Die Fans fordern „Ennatz für immer.“ Doch Dietz hält Wort, „die Amateure brauchen mich“. Ralf Zumdick erntet die Dietz'sche Saat.
Ennatz, der Gradlinige – Wieder VfL Bochum. 2001 ist Dietz ein weiteres Mal gebeten worden, „oben“ zu coachen. Doch jetzt dreht Präsident Werner Altegoer auf, verpflichtet Spieler (Klaus Toppmüller, Dariusz Wosz), ohne mit dem Trainer zu sprechen. Noch doller der Spruch nach einem Training: „Hömma Dietz, Wosz muss Kapitän werden, sortiere Rouven Schröder aus.“ Dietz sieht nach 15 Spieltagen (und Platz 5) nur einen Weg: „Präsident, ich gehe nach Hause. Wenn Sie eh alles entscheiden, können Sie mich von der Gehaltliste streichen, eine Abfindung will ich nicht.“
Bleibt an dieser Stelle zu wünschen, dass Bernard und Petra Dietz noch viele glückliche Momente haben werden. Mit Sohn und Tochter. Verwandten und Bekannten. Und der unendlich großen Zebra-Famlie. Wir gratulieren von Herzen.
Autor:Lokalkompass Duisburg aus Duisburg |
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