Tipp zur Badesaison
Herzschock im kühlen Nass
Es ist endlich Sommer und die langersehnte Badezeit lockt uns raus in die Schwimmbäder und zu den hiesigen Baggerseen. Die Stimmung ist frisch und ausgelassen. Doch der eher unbeschwerte Sommer birgt allerdings auch Risiken beim Sprung ins kühle Nass. Die Notärzte und Kardiologen des Johanniter Krankenhauses in Duisburg Rheinhausen warnen vor unüberlegtem Leichtsinn. Jedes Jahr verunglücken immer noch zu viele Menschen tödlich durch den im Volksmund bekannten „Herzschlag“ im Wasser. Warum hier große Vorsicht geboten ist und was in solchen Situationen eigentlich mit dem Körper passiert, erklärt sich durch eine Fehlregulation des vegetativen Nervensystems. Prof. Dr. med. Gunnar Plehn, Chefarzt der Klinik für Kardiologie im Johanniter-Krankenhaus Rheinhausen beschreibt, was in diesem Moment im menschlichen Körper passiert:
„Sympathikus und Parasympathikus nehmen als Gegenspieler wechselseitig Einfluss auf unser Herzfrequenz- und Blutdruckverhalten. Während der Sympathikus für eine Steigerung des Blutdrucks durch Beschleunigung der Herzfrequenz und Verengung der Gefäße sorgt, hat der Parasympathikus bremsende Eigenschaften. Bei Badeunfällen wird häufig eine sogenannte parasympathische Konvergenz beobachtet. Das heißt, es finden sich mehrere den Herz-Kreislauf bremsende Momente, die in ihrer Summe dazu führen, dass die vegetative Steuerung aus dem Gleichgewicht gerät und ein plötzlicher Herz-Kreislaufstillstand eintritt. Nach einer üppigen Mahlzeit ist der Parasympathikus besonders aktiv, während der Sympathikus in den Sparmodus schaltet. Der Körper möchte sich entspannen, wir empfinden Müdigkeit. Ein plötzlicher Sprung ins kühle Nass kann in dieser Situation wie ein Brandbeschleuniger wirken. Das tiefe Einatmen und Pressen gegen die verschlossene Stimmritze sind für uns gewohnte Mechanismen um ein Eindringen von Wasser in die Atemwege zu verhindern. Die damit verbundene Lungendehnung verstärkt jedoch die genannte parasympathische Aktivierung. Der mit Abstand stärkste Reiz erfolgt jedoch durch die schlagartige Abkühlung im Wasser, die eine massive, reflektorische Stimulation des Parasympathikus nach sich zieht. Der Summeneffekt dieser gleichgerichteten, kreislaufbremsenden Momente kann zu einer vorübergehenden Verlangsamung des Herzens bis hin zum Herzstillstand führen. In dieser Situation kann als Folge des mangelnden Bluttransportes zum Gehirn ein Bewusstseinsverlust eintreten. Zwar hält dieser meist nur für wenige Sekunden an, dennoch besteht unmittelbar Lebensgefahr. Die wässrigen Umgebungsbedingungen werden dem Betroffenen zum Verhängnis. Während ein Ohnmachtsanfall an Land als Folge eines „Softwareabsturz“ unserer vegetativen Steuerung in der Regel harmlos ist und als ein kurzes „Schwarz werden vor Augen“ oder ein „Filmriss“ wahrgenommen werden, stellt sich die Situation unter Wasser weitaus kritischer dar. In der Phase der Bewusstlosigkeit oder beginnenden Wiedergewinnung des Bewusstseins sind primitive Lebensfunktionen wie die Atmung oft weiter aktiv. Wasser gelangt in die Lungen (Aspiration) oder führt zu einer Verkrampfung der Stimmritze. Der Prozess des Ertrinkens beginnt. Panik und Orientierungslosigkeit blockieren den Weg zur rettenden Wasseroberfläche. Hinzu kommt, dass sich dieser Prozess lautlos und für potentielle Helfer nicht sichtbar vollzieht“.
Autor:Sandra Kalkmann aus Duisburg |
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