Wochen-Anzeiger-Serie - Krankenpfleger Benjamin Etzrodt: „Der Verwaltungsaufwand ist viel zu hoch!“
„Wir schauen nicht nur auf die Uhr“

Benjamin Etzrodt: Unser Beruf hat Zukunft und dient den Menschen. Gerade für junge Leute bietet er vielfältige Möglichkeiten.
Foto: Pflegeunion
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Benjamin Etzrodt (34) arbeitet seit 10 Jahren als Gesundheits- und Krankenpfleger (u.a. im Alfried Krupp-Krankenhaus), hat Weiterbildungen als Praxisanleiter, Pflegeberater und Pflegedienstleitung absolviert und leitet seit 2016 die ambulante Pflege der Pflegeunion Duisburg. Im Gespräch mit Reiner Terhorst fordert er eine Reduzierung der bürokratischen Anforderungen.

Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptprobleme in der Pflege?

Obwohl seit Jahren davon geredet wird, dass in Deutschland die Bürokratie zurückgefahren werden soll, ist in der ambulanten Pflege das Gegenteil der Fall. Wir erhalten laufend weitere Berichts- und Dokumentationsaufgaben. Allein die Einführung der neuen Datenschutzbestimmungen im letzten Jahr hat unseren Verwaltungsaufwand deutlich erhöht. Damit sind immer auch steigende Kosten verbunden. Selbst ein kleiner Pflegedienst muss zahlreiche „Beauftragte“ vorhalten, etwa einen Datenschutzbeauftragten, einen Sicherheitsbeauftragten (BG), einen Qualitätsbeauftragten, einen Beauftragten für Medizinproduktesicherheit, einen Hygienebeauftragten und so weiter.

Man hört häufig von der sogenannten Minutenpflege. Nehmen sich die Pflegedienste zu wenig Zeit für den Patienten?

In Deutschland gibt es zirka 14.000 Pflegedienste, und die Mehrheit davon wird von privaten Unternehmern geführt, mit extrem hohen zeitlichen und engagierten Einsatz. Tatsächlich ist es so, dass wir Pflegekräfte häufig mehr Zeit beim Patienten verbringen als es eigentlich wirtschaftlich vertretbar wäre. Gerade in schwierigen Situationen lassen wir unsere Patienten nicht „im Regen stehen“ und schauen nicht auf die Uhr.

Was bedeutet das denn konkret für Sie?

Die Kranken- und Pflegekassen geben keine Versorgungszeiten vor, sondern legen Pauschalvergütungen für einzelnen Leistungen fest. Diese sind leider so gering angesetzt, dass wir Pflegekräfte sehr zügig arbeiten müssen. In den letzten Wochen haben einige größere Pflegedienstorganisationen, unter anderem kirchliche Anbieter in verschiedenen Regionen, bekanntgegeben, dass sie sich aus der ambulanten Pflege zurückziehen, weil sie aufgrund der geringen Kassenvergütungen nicht wirtschaftlich arbeiten können.

Was ist Ihrer Meinung nach in der ambulanten Pflege zu tun?

Ich denke, dass der Fokus auf der Lösung der beiden oben angesprochen Probleme liegen muss: Reduzierung der bürokratischen Anforderungen und sukzessive Erhöhung der Vergütungspauschalen. Alle anderen Probleme wie „Pflegekräftemangel“ werden dadurch über die Kräfte des Marktes behoben. In den letzten Jahren sind die Gehälter im Pflegebereich deutlich überproportional zu anderen Branchen gestiegen.

Wie wirkt sich das denn aus?

Mit höheren Leistungsvergütungen für die Pflegedienste könnten auch zukünftig höhere Gehälter gezahlt werden, was automatisch die Attraktivität des Pflegeberufes steigert. Die Pflegeunion hat aufgrund ihrer deutlich überdurchschnittlichen Größe einige Effizienzvorteile gegenüber kleineren Anbietern. Diese geben wir an die Pflegekräfte weiter, mit dem Effekt, dass wir in der Regel keine Probleme haben, gutes Personal zu finden.

Abschließende Frage: Warum ist der Beruf des Gesundheits- und Kranken- oder Altenpflegers in der ambulanten Pflege für junge Menschen interessant?

In den letzten 10 Jahren hat sich die ambulante Pflege deutlich zum Positiven entwickelt. Aus kleinsten Pflegediensten mit wenigen Mitarbeitern entstehen immer mehr mittelständische Unternehmen, die aufgrund ihrer Wirtschaftlichkeit und professionellen Strukturen in der Lage sind, ihren Mitarbeitern ein zukunftsträchtige Entwickungsplattform zu bieten. Und es gibt vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten, gerade in der ambulanten Pflege.

Zum Beispiel?

Wir haben in den letzten zwei Jahren Duzenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Gelegenheit gegeben, sich weiterzubilden, beispielsweise zu Fachkräften der Palliativpflege, zu Wundexperten, zu Praxisanleitern, zu Pflegedienstleitern. Und zu guter Letzt: Die Pflege ist einer der wenigen Berufe, bei denen man sich keine Gedanken über den Sinn der Arbeit machen muss.

PATIENT PFLEGE? 

Die anderen Teile der verlagsweiten Serie finden Sie online unter https://www.lokalkompass.de/1099578.

Benjamin Etzrodt: Unser Beruf hat Zukunft und dient den Menschen. Gerade für junge Leute bietet er vielfältige Möglichkeiten.
Foto: Pflegeunion
Autor:

Reiner Terhorst aus Duisburg

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