Einer beschwert sich
und alle wissen es besser
Die WAZ teile in einem bekannten sozialen Netzwerk einen Artikel über einen Familienvater, der gern die meisten Alltagswege mit dem Fahrrad zurücklegen möchte und dabei jeden zweiten Tag fast umgefahren wird. Und schon kommen sie wieder um die Ecke: Diejenigen, die nicht dabei waren, den Mann überhaupt nicht kennen, aber meinen, ganz genau zu wissen, woran es liegt. Da hagelt es Ratschläge von wegen, er solle sich doch einfach an die Verkehrsregeln halten, dann würde es schon funktionieren. Oder er solle doch einfach aufs Fahrradfahren verzichten und statt dessen das Auto oder den Bus nehmen oder einfach zu Fuß gehen.
Und sogleich hatten mehrere Geschichten parat von Radfahrern, die wie die gesengten Säue über Bürgersteige und durch Fußgängerzonen flitzen und sie dabei fast umgenietet hätten. Natürlich gibt es diese, gar keine Frage. Es hat auch niemand behauptet, dass Radfahrer alle Engel seien. Und wenn man jetzt sagt "Weil sich einige Radfahrer nicht benehmen können, gibt es keine bessere Radinfrastruktur" trifft man nicht nur diese, sondern auch beispielsweise die Mutti, die damit ihr Kind in die Kita fährt oder die nette ältere Dame, die sich freut, noch rüstig genug zu sein, um mit dem Fahrrad zum Einkaufen zu fahren. Den Jungen, der mit dem Rad zum Fußballtraining fährt. Und und und.
Im Übrigen bin ich schon öfters beinahe von einem Elektroscooter über den Haufen gefahren worden als von einem Fahrrad.
Und man gerät mit dem Fahrrad im Straßenverkehr auch dann in gefährliche Situationen, wenn man sich an alle Regeln hält.
Nun zu dem "guten" Rat, er solle doch einfach das Fahrrad stehen lassen und statt dessen mit dem Auto oder dem ÖPNV fahren oder zu Fuß gehen. Kann man natürlich machen. Aber auch als Fußgänger kann man gefährliche Situationen geraten. Ich wurde schon zweimal beim Überqueren einer Straße von viel zu schnell fahrenden Autos fast überfahren. Und auch als Autofahrer oder ÖPNV-Nutzer wird man für das letzte Stück Weg zum Fußgänger.
ist es außerdem nicht besser, die Verkehrsinfrastruktur so zu ändern, dass sich jeder darin so bewegen kann, wie er möchte statt jemandem zu sagen, er solle aus Sicherheitsgründen gewisse Fortbewegungsarten einfach sein lassen? Wo kommen wir sonst hin? Ist es dann irgendwann so weit, dass wir Senioren sagen, sie sollen sich nur noch mit dem Taxi von A nach B kutschieren lassen ( wenn sie durchaus das Haus verlassen müssen ), weil sie nicht mehr schnell genug über die Straße kommen?
Im Übrigen scheint das Problem des "jeder gegen jeden" im Straßenverkehr fast nur in Deutschland zu existieren oder hierzulande zumindest sehr ausgeprägt zu sein. In anderen Ländern funktioniert es selbst dann, wenn sich Autos, Fahrräder, Mopeds und Fußgänger eine Straße teilen.
Da fragt man sich doch, woran das liegt. Verspüren wir im täglichen Leben zuviel Druck, gegen den wir uns nicht wehren können, so dass sich die angestauten Aggressionen dann im Straßenverkehr Bahn brechen?
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