Schüler kämpfen Hand in Hand gegen schlechte Schulnoten

In Duisburg hilft das Chancenwerk e.V. Schulen mit einem neuartigen Lernförderangebot auf die Sprünge. Mit der sogenannten Lernkaskade bekommen Schüler kostenlosen Förderunterricht von Mitschülern und Studenten. Dafür können sie sich später revangieren, indem sie jüngeren Kindern helfen. Auch an der Sekundarschule in Hamborn wird dieses Konzept seit Beginn des Schuljahres angewendet.

Lehrer Ulf Gutowski hat die Fäden für die Organisation und Umsetzung gerne in die Hand genommen: „ Ich war gleich zu Beginn sehr euphorisch und bin es immer noch“, erzählt er begeistert, „ vielen Kindern wird ja immer unterstellt, dass sie faul sind oder nur mit dem Handy herumspielen. Als ich in der 8. Klasse nachgefragt habe, welche Kinder die jüngeren Schüler beim Lernen unterstützen wollen, haben sich spontan 40 Kinder gemeldet.“
Die kleinen „Aushilfslehrer“ werden natürlich nicht ins kalte Wasser geschubst, sondern in Workshops auf ihre Aufgaben vorbereitet.

Schüler helfen Schülern, auch nach Schulschluss

An der Sekundarschule Hamborn unterstützen sie dann dienstags und freitags ihre Mitschüler nach dem offiziellen Schulschluss - Auch bei 30 Grad im Schatten, wenn alle anderen im Schwimmbad sind.
Murat Vural sieht das gern. Er ist geschäftsführender Vorsitzender des Chancenwerks e. V. und hat mit seiner seine Schwester Serife vor 14 Jahren die Idee für das Chancenwerk auf den Weg gebracht. Beide mussten aus sprachlichen Gründen mit extremen Schwierigkeiten in der Schule kämpfen und fanden keine Unterstützung. Trotzdem haben sie es nach der Hauptschule bis aufs Gymnasium und die Hochschule geschafft.

„Dann kam meine Schwester zu mir und sagte, „wir müssen etwas tun! Es gibt so viele Schüler, die Hilfe brauchen, um eine guten Abschluss zu bekommen“, erinnert sich Murat Vural. Beide haben die Idee in Taten umgesetzt und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Das Chancenwerk e.V. ist eine gemeinnützige Organisation, die sich mittlerweile bundesweit für faire Bildungschancen an Schulen einsetzt.

Chancenwerk unterstützt 5000 Schüler

Inzwischen werden 5000 Kinder an 86 Schulen betreut. Entscheidet sich eine Schule für das Konzept, wird sie von Koordinatoren des Hilfswerks unterstützt. Luca Sauerborn ist dabei für die zehn beteiligten Schulen in Duisburg zuständig: Wir schauen zunächst, wie viele Schüler Nachhilfe haben wollen, dann suchen wir ältere Schüler, die bereit sind, Nachhilfe zu geben.“

Lucas Sauerborn hatte selbst als Schüler Nachhilfestunden und fand es anstrengend, dem Nachhilfelehrer 1:1 gegenüberzusitzen. „Ich bin immer nervös geworden, wenn er mir bei jeder Aufgabe auf die Finger geguckt hat. Hier in der Gruppenarbeit ist es unbefangener und man hockt nicht allein zuhause. Die Schule übernimmt das Chancenwerk-Konzept und hat bei Fragen immer Ansprechpartner. Studenten unterstützen den Förderunterricht aktiv, kümmern sich um Kinder, Eltern und die Aufsicht der Gruppen. Koordinatorin Ezgi Balaban hat an der Sekundarschule Hamborn beobachtet, dass die Schüler an ihren neuen Aufgaben wachsen. „Manche von ihnen sind in einigen Fächern schwach, können aber mit ihren Stärken trotzdem anderen helfen. Das fördert Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl.“

"Ich habe keinen Bock, meine Hausaufgaben alleine zuhause zu machen."

Das sieht auch der 10jährige Leon aus der 5. Klasse so: „Meine Eltern haben keine Zeit mit mir zu lernen, weil ich noch zwei jüngere Geschwister habe. Ich habe keinen Bock, meine Hausaufgaben zuhause allein zu machen. Hier kann ich in der Gruppe lernen und wenn ich etwas nicht weiß, dann bekomme ich Hilfe.“
Bei ihm hat's auch schon gefruchtet. Er ist gut in Mathe, hat aber Probleme in Englisch: Von der Note 4 hat er sich durch den Förderunterricht auf eine 3 verbessert, in den Vokabeltest schafft er sogar Einsen und Zweier.
Auf die Frage, ob er später als Gegenleistung für kostenlose Unterstützung auch jüngeren Schülern Nachhilfe geben wird, kommt vom ihm eine klares: „JA! Das will ich auf jeden Fall, weil ich meine Erfahrungen weitergeben möchte."

Hintergrund.

Das Gemeinschaftsprojekt „Bildung als Chance“ an Duisburger Schulen setzt sich dafür ein, benachteiligte Kinder und Jugendliche zu einem Abschluss und in Ausbildung zu führen. Dafür haben sich drei Sozialunternehmen mit der sozial engagierten Haniel Stiftung zusammengeschlossen: Teach First Deutschland, Chancenwerk und apeiros.
Wer sich für das Chancenwerkkonzept interessiert, findet alle Infos unter www. Chancenwerk.org.

Autor:

Andrea Niegemann aus Duisburg

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