Probleme nicht herunterschlucken! WA-Expertentelefon zum Thema Essstörungen - hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Nachlesen
Wenn die Seele Hunger leidet, können Magersucht und Bulemie die fatale Folge sein. Zweieinhalb Stunden nahmen sich die beiden Chefärzte Dr. Vitus Irrgang und Dr. Simon Cohen von der Helios Marien Klinik in Hochfeld Zeit, um am Expertentelefon des Duisburger Wochen-Anzeigers Fragen von Betroffenen und Angehörigen ausgiebig zu beantworten.
Hier die wichtigsten Fragen und Antworten, um sie in aller Ruhe nachlesen zu können:
Welche Erkrankungen fallen genau unter Essstörungen?
Klassischerweise bezeichnet man Magersucht (Anorexie), Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und das sogenannte Binge-Eating als Essstörung. Betroffene mit Magersucht haben dabei ein Körpergewicht, das rund 15 Prozent oder mehr unter dem minimalen Normalgewicht liegt. Trotz dessen nehmen sie ihren Körper verzerrt wahr und halten sich für zu dick. Jede Nahrungsaufnahme gleicht deshalb einem harten Kampf.
Bei der Bulimie ist das Körpergewicht in der Regel normal, bulimisches Essverhalten kann aber auch manchmal bei Magersüchtigen auftreten. Die Betroffenen essen extrem viel in kurzer Zeit. Um nicht zuzunehmen, erbrechen sich sich direkt danach.
Beim Binge-Eating wiederum geht es ebenfalls um Ess-attacken, jedoch ergreifen die Patienten im Anschluss keinerlei weitere Gegenmaßnahmen und sind daher meist übergewichtig.
Sind nur Frauen betroffen?
Bei allen Essstörungen stellen Frauen die wesentlich größere Patientengruppe, allerdings sind durchaus auch Männer davon betroffen. Bei beiden Geschlechtern liegt der Erkrankungsbeginn meist unmittelbar vor, während oder kurz nach der Pubertät, kann aber in Einzelfällen auch in späteren Jahren noch auftreten. Bei Männern ist der Wunsch, schlank und gutaussehend zu sein, meist nicht so stark ausgeprägt. Hier spielt aber die Tatsache eine Rolle, dass schlank in unserer Gesellschaft nicht nur bedeutet schön zu sein, sondern gleichzeitig auch leistungsfähig und erfolgreich.
Gibt es Risikofaktoren, die eine Essstörung begünstigen können?
Betroffene haben oft gemeinsam, dass sie versuchen, Konflikte oder Probleme mit sich selbst auszumachen, sie aber im wahrsten Sinne des Wortes nur herunterschlucken. Sie sind lange unauffällig, passen sich an und funktionieren so, wie es ihre Umgebung verlangt. Dieses Verhaltensmuster ist ein Risikofaktor für eine Essstörung.
Auch das Ideal unserer Gesellschaft, in der schlank als erstrebenswert und schön gilt, unterschwelliger oder direkter familiärer Leistungsdruck und schlecht bewältigte Lebensumbruchphasen – wie beispielsweise die Pubertät – spielen eine Rolle. Forscher vermuten, dass eventuell sogar genetische Faktoren Einfluss nehmen, insbesondere bei der Magersucht. Psychische Erkrankungen innerhalb der Familie steigern bei der Bulimie ebenfalls das Risiko.
Sind Essstörungen tatsächlich eine Sucht?
Im Grunde schon, auch wenn keine Abhängigkeit zu bestimmten Substanzen oder Stoffen wie Alkohol oder Drogen vorhanden ist. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium befinden sich die Betroffenen wie andere Süchtige auch in einer Falle zwischen Kontrollverlust, Wiederholungszwang und sozialer Isolation.
Betroffene nicht unter Druck setzen
Was kann das Umfeld tun?
Wichtig ist, dass Familie und Freunde nicht versuchen, die Betroffenen selbstständig zu therapieren oder sie gar unter Druck zu setzen. Viel besser ist es, wenn sie ihre Unterstützung anbieten und ein offenes Ohr signalisieren. Und zwar nicht nur, wenn es um das Thema Essen geht, sondern auch für alle anderen Bereiche. Bauen sie Vertrauen auf, dann können die Betroffenen zu einem passenden Zeitpunkt eventuell auch ihre Sorgen ansprechen. Viele Essgestörte schaffen es im Laufe der Zeit, die Erkrankung zu überwinden, manche sogar ohne äußere Hilfe. Doch oftmals bleiben Schwierigkeiten im Umgang mit sich selbst zurück, vor allem was das eigene Körpergefühl angeht.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Der erste Schritt kann sein, sich nach einem ambulanten Therapieplatz zu erkundigen, etwa bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten oder in der Ambulanz einer spezialisierten Klinik. Die Krankenkasse finanziert dabei zwei verschiedene Behandlungsarten: Verhaltenstherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Bei stärkerer Ausprägung der Erkrankung ist eine stationäre Behandlung in einem Krankenhaus unumgänglich. Die besten Bedingungen bieten psychosomatische Abteilungen mit Spezialstationen für Essgestörte. In Duisburg verfügt nur die Helios Marien Klinik in Hochfeld über diese Möglichkeit.
Die Erfolgsaussichten sind dann besonders hoch, wenn die Erkrankung noch nicht allzu lang besteht und die Betroffenen aus sich selbst heraus motiviert sind, die Essstörung hinter sich zu lassen.
Text: Kathrin Gießelmann
Autor:Lokalkompass Duisburg aus Duisburg |
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