„Nicht ins Bodenlose fallen“ – Kirche und Diakonie trommelten für Arbeit, Ausbildung und Beschäftigung

Eine herrliche Kulisse vor der die Fallschirmspringer einschwebten
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  • Eine herrliche Kulisse vor der die Fallschirmspringer einschwebten
  • hochgeladen von Harald Molder

Am 1. Oktober, gab es bei strahlendem Sonnenschein am König-Heinrich-Platz nicht nur „Lack und Chrom“, Karossen und Boliden zu sehen. Ab 13 Uhr trommelte die evangelische Kirche und ihre Diakonie in Duisburg mit einer Veranstaltung für einen öffentlich geförderten „Zweiten Arbeitsmarkt“.

Dabei gab es keine Standpauken, sondern ein abwechslungsreiches Unterhaltungsprogramm. Dass vielen Arbeitssuchenden Gleiches gelingen kann, dafür setzt sich der Evangelische Kirchenkreis und die Diakonie in Duisburg mit der Kampagne „Ich will arbeiten“ ein. Neben der Unterhaltung informierte ein Stand über das Anliegen der Kampagne:

Es gilt, möglichst viele arbeitslose Menschen in den Ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln; in einer strukturschwachen Stadt wie Duisburg müsse außerdem das Ziel stehen, die gesellschaftliche Teilhabe der nicht oder nicht sofort vermittelbaren zu sichern. Duisburg brauche einen öffentlich geförderten Zweiten Arbeitsmarkt mit möglichst vielen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Nur so könne man auf Dauer das Armutsrisiko nachhaltig verringern.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Wolfgang Trepper. Danach gefragt, warum er sich für die Aktion engagiert antwortete Trepper zunächst als Comedian: „Weil ich gerade Zeit hatte!“ wurde dann aber sofort ernst:: „Nein, weil 30.000 Menschen in Duisburg betroffen sind. Da kann und will ich nicht wegsehen, sondern dazu beitragen auf diesen Umstand aufmerksam zu machen! Da gibt es Rettungsschirme für die EU, aber es ist doch erst mal interessant, wie es den eigenen Leuten geht!“

Musikalische Intermezzi von David Alcantara und eine Flamenco Gruppe wechselten ab mit Auftritten des Duisburger Comedian Wolfgang Trepper.

Doch dann wurde das Motto des Nachmittags auch bildlich vor Augen geführt Drei Fallschirmspringer landeten punktgenau auf dem Gehweg vor der Mercatorhalle. Wolfgang Beutel (Fallschirmspringer „Sportland NRW“) erklärte den Zuschauern genau, was beim Sprung beachtet werden muss.

Ralf Schlacht kam als erster auf dem Platz an. Der 47 jährige Polizist aus Düsseldorf springt seit 1980 und hat seitdem 6.000 Sprünge absolviert. Ihm folgte Tom Brandt aus Paderborn, der seit 1983 den Sport betreibt und 3.7000 Sprünge verzeichnen kann. Last but not least war es Peter Vohwinkel (43 J.) Rechtsanwalt aus Düsseldorf, deer seit 1985 springt und 5.500 Sprünge absolviert hat.

Und mit dem „Duo Diagonal“ hatte man zwei wunderbare Entertainer auf die von der Firma „Grill Royal“ der Familie Düpree aus Meiderich für die Veranstaltung gratis zur Verfügung gestellte „Multi Casa Bühne“ geholt, die keine Unbekannten in Duisburg sind.

Deana Kozsey und Holger Ehrich spielen seit 1999 als Duo Diagonal auf den großen und kleinen Bühnen von Wanne-Eickel bis Hongkong.

Ihr Ziel, das Publikum zum Lachen und Staunen zu bringen, gelang ihnen aus dem Stand. Bei der herrlichen „Trimm und Tanz dich fit“ Übung mit Musik von Max Greger oder der „Feuerspuck Aktion“ ohne Feuer und dem anschließenden Boxkampf in „slow motion“ blieb kein Auge trocken. Dazu noch eine gekonnte Showeinlage in kunterbunten Kostümen und die Menschen auf dem Platz waren begeistert.

Viel Betrieb war auf Duisburgs Flaniermeile und der Ausstellung zahlreicher Autohäuser. Dass es gut 30.000 Duisburgern jedoch daran mangelt, unbeschwert einkaufen zu gehen, oder sich gar einen glänzenden Neuwagens leisten zu können, darauf wollte man aufmerksam zu machen. Superintendent Armin Schneider vom Evangelischen Kirchenkreis Duisburg gab ebenfalls Antworten auf zahlreiche Fragen zum Thema.

Schneider bezeichnete den dauerhaften Ausschluss der betroffenen Menschen von der vollen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben als „Skandal“ und betonte insbesondere, dass es völlig irrational sei, dass viele Arbeitslose nicht arbeiten wollen und sich in der „gesellschaftlichen Hängematte ausruhen“.

Dass die Evangelische Kirche sich traditionell für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft einsetzt war den Zuhörern natürlich bewusst. Und dass große Teile der Duisburger Bevölkerung vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sind, damit würde man sich „nie und nimmer abfinden“.

Von den über 2.500 jungen Menschen, die ohne Arbeit sind, sucht die Hälfte schon seit über einem Jahr! Und an den 8.000 älteren Betroffenen (über 50 Jahre) gehen schon lange alle konjunkturellen Aufschwünge vorbei, obwohl der Fachkräftemangel in aller Munde ist.

Ebenso wenig Hoffnungen können sich in Duisburg die knapp 14.000 Langzeitarbeitslosen machen: Ihre Zahl bleibt seit Jahren in etwa konstant.

„Wir haben einen geteilten Arbeitsmarkt in Duisburg,“ stellte Sieghard Schilling, Geschäftsführer des Diakoniewerks, schon vor Wochen fest.

„Da gibt es die 5.500 Menschen, die bei der Agentur gemeldet und nah am Arbeitsmarkt sind. Aber da gibt es auch die 25.000 anderen, die mit Vermittlungshemmnissen beim Jobcenter registriert sind und für die Jahr für Jahr weniger Mittel in Aussicht gestellt werden. In unserer Stadt wurden im letzten Jahr über 3.500 Förderplätze abgebaut.“

Und auch an anderer Stelle wird gespart. In ihrer Pressemitteilung über die Septemberzahlen erteilt die Arbeitsagentur der Schaffung eines zweiten Arbeitsmarktes eine klare Absage. Wer so etwas fordert, so argumentiert sie, diskriminiere eine ganze Reihe von Arbeitslosen als untauglich für den ersten Arbeitsmarkt.

„Das ist angesichts der 14.000 Langzeitarbeitslosen und 8.000 älteren Arbeitssuchenden doch zynisch,“ beurteilt das Gunther Hester, der Arbeitsmarktexperte der Diakonie, „erst den Bundeshaushalt konsolidieren wollen, indem man Eingliederungshilfen einspart, dann so tun, als ob diese Menschen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt eine reale Chance hätten, und schließlich die Augen verschließen vor Alternativen.“

Woanders ist man da schon weiter: In Hamburg gibt es eine abgestimmte Aktion der Arbeitsagentur mit dem dortigen Jobcenter und der Sozialbehörde. Schwergewicht wird auf eine effiziente Arbeitsvermittlung gelegt.

Die wird, wenn nötig, durch Qualifizierungsmaßnahmen vorbereitet. Und für besonders benachteiligte Arbeitslose wird ein sozialer Arbeitsmarkt aufgebaut. „Solch einen Dreischritt wünscht sich die Duisburger Diakonie auch für unsere Stadt ,“ so Hester.

Die Aktion am Wochenende hat viel zur Aufklärung gängiger Vorurteile beigetragen und verdient auch weiterhin öffentliche Beachtung.

Autor:

Harald Molder aus Duisburg

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