Im Salonwagen erkundete August Thyssen das Werksgelände

August Thyssen mit Georgiern im Jahr 1918 vor dem Salonwagen | Foto: TKSE
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  • August Thyssen mit Georgiern im Jahr 1918 vor dem Salonwagen
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Schon vor 1914 nutzte der Firmenchef auf dem kaum autotauglichen Firmenareal die moderne Bahn

Deutschland vor 100 Jahren.

Im Jahr 1914 hat das Reich vor dem Ausbruch des Weltkriegs Jahrzehnte der Industrialisierung hinter sich. Mit dem Massenzustrom von Arbeitskräften ins Ruhrgebiet sind die Dörfer und Städte zwischen Dortmund und Duisburg rasant gewachsen.

Wohlhabende Bürger haben Villen gebaut, Industrielle werksnah Häuser für Angestellte und Arbeiter errichtet. Und in Zeiten, da höchstens ein Arzt oder ein Großstadtbürgermeister stolze Autobesitzer waren, verbanden landeseigene Eisenbahnstrecken die wichtigsten städtischen Knotenpunkte.

Auch August Thyssen nutzte das moderne imageträchtige Verkehrsmittel Bahn für Besichtigungs- und Geschäftsfahrten auf seinem Duisburger Werksgelände. Ein gepflegter Salonwagen im Besitz von ThyssenKrupp Steel Europe zeugt noch heute davon.

Mit dem 1905 gekauften Wagen bewegte sich der Firmenchef komfortabel am Standort Hamborn und konnte im Werk schnell vor Ort agieren. Das Firmengelände, das heute über Straßen für Schwerlast-Fahrzeuge bis 150 Tonnen verfügt, war vor dem ersten Weltkrieg noch nicht autotauglich.

Werksinspektion und Logistik über 100 Jahre später sind computerunterstützt, zertifizierte Messverfahren und Qualitätsmanagement haben seit langem Erkundungsfahrten wie die zur Zeit August Thyssens abgelöst.

Logistisch bewältigen 1.000 Mitarbeiter von Logistik bei ThyssenKrupp Steel Europe Bahn-Transporte, den Hafenbetrieb und mehr.

Allein 400 Lokführer bewegen 3.000 Eisenbahnwagen zwischen dem Werkshafen Walsum im Norden und Ruhrort bis zur westlichen Beeckerwerther Werksgrenze am Rhein. Rund 100 Loks sorgen für Transporte von Kohle, Koks, Erzen, Kalk oder Brammen auf 470 Kilometern Gleisnetz. Professionelle Logistik ist also integraler Bestandteil der Stahlerzeugung zwischen Hafen, Hochofen, Stahl- oder Veredelungswerken.

Zahlen zeigen Dimensionen

Allein mit dem Rohmaterial, das täglich bei ThyssenKrupp Steel Europe bewegt wird, würde die große Gelsenkirchener Schalke-Arena in nur zwei Wochen bis unter das hohe Stadiondach gefüllt.

„Spezialisierte Tochterunternehmen in Rotterdam übernehmen die Entladung der Seeschiffe und den Umschlag der Rohstoffe auf Binnenschiffe für den Rheintransport bis Duisburg.

Hier gewährleistet dann die Logistik durch einen leistungsfähigen Umschlag im eigenen Werkshafen, dass Kokerei und Hochofenwerke die Rohstoffe entgegennehmen können.

Mit Bahn-, Schwerlast- und LKW-Transporten sorgen wir dafür, dass die Zwischenprodukte pünktlich zur nächsten Produktionsstufe im Produktionsnetzwerk der ThyssenKrupp Steel an den Standorten Duisburg, Dortmund, Bochum, Eichen, Ferndorf und Finnentrop geschafft werden.

Ganz besonders im Fokus der Logistik steht natürlich die wunschgemäße Kundenversorgung mit Fertigprodukten. Diese erreichen ihr Ziel zu rund 40 Prozent per Bahntransport – dem Transportmittel unserer ersten Wahl“, sagt Ulrike Höffken, Leiterin Logistik bei Deutschlands größtem Stahlhersteller.

In Sachen Logistik forscht und fördert das Werk zudem: zum Beispiel 10 Stipendiatinnen und Stipendiaten. Sie promovieren bis 2014 in einer eigenen ThyssenKrupp-Klasse an der Graduate School of Logistics der Technischen Universität Dortmund.

Unterstützt werden ihre Doktorarbeiten seit 2011 auch durch die Zusammenarbeit von ThyssenKrupp Steel Europe mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik.

Von Wissenschaftsprojekten anno 2014 zurück zum Eisenbahnwagen von August Thyssen, Baujahr 1868.

Im Salonwagen pflegten August und Fritz Thyssen Kontakte. Ein Bild des Jahres 1918 zeigt sie zum Beispiel mit einem georgischen Fürsten und Leitungskräften eines Partnerunternehmens, von dem das Duisburger Werk phosphorarmes Mangan sowie Erze aus dem 3.400 Kilometer entfernten Kaukasus bezog.

Fürst Sumbatoff und Dr. Nikoladze waren mit Regierungsvertretern aus Berlin zu Gast bei Thyssen in Hamborn.

„Der Salonwagen“, berichtete 1968 die Werkszeitschrift der Hamborner Eisenbahn und Häfen GmbH, „hat so manchen Kilometer hinter sich gebracht, hat hochgestellte Personen, hat einfache Leute gefahren.“

Für unterschiedliche Zwecke wurde seine Ausstattung im Lauf der Zeit angepasst und mehrfach umgebaut. So erzählt der feine Wagen Firmengeschichte. Für besondere Besichtigungsfahrten wird er bis heute – parallel zu einem Nostalgiewagen der Zeit nach 1918 – genutzt.

„Der Salonwagen August Thyssens hat nur 16 Plätze“, erzählt Jan Schirling vom Bahnbetrieb Verbundverkehr bei ThyssenKrupp Steel Europe.

„Im Salonwagen gibt’s auch heute noch schon mal ein kleines Buffet“, ergänzt der Mann vom werkseigenen Bahnbetrieb. Etwa dann, wenn Gruppen im 36 Plätze fassenden zweiten Nostalgiewagen, etwas gegen ihren Hunger tun müssen. Insgesamt, so Schirling, werde das historische Prachtstück vielleicht noch viermal, der jüngere Bruder etwa zehnmal im Jahr genutzt.

„Wer Glück hat, der kann bei Tagen der offenen Tür in dem beinahe 150 Jahre alten Bahnwaggon einsteigen.“

Autor:

Harald Molder aus Duisburg

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