Heinz Ciemniak (78) hat durch die häusliche Pflege wieder Lebensqualität bekommen
„Ich war platt und am Ende“

Heinz Ciemniak hatte früher mehr als einmal die Einnahme seiner Medikamente vergessen. Jetzt ist der Pflegedienst für die Verabreichung zuständig.
Foto: Reiner Terhorst
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Heinz Ciemniak (78) kennt beide Seiten der Pflege. Viele Monate hat er sich intensiv und fürsorglich um seine im Oktober 2017 verstorbene Frau Ursula gekümmert, bis es nicht mehr ging und er die Hilfe eines Pflegedienstes in Anspruch nahm. Heute braucht er diesen selbst, denn, so sagte er: „Ich konnte nicht mehr, war platt und am Ende.“
 
Seine Frau litt bereits unter schwerer Arthrose, als dann noch eine unheilbare Krebserkrankung hinzu kam. Letztendlich war sie dauerhaft ans Bett gefesselt und hatte ihren Körper nicht mehr im Griff. Heinz Ciemniak hat gekocht, geputzt und nicht nur die Wäsche gewaschen, sondern auch seine Frau, letzteres mehrmals am Tag. Dann war er mit seinen Kräften selbst am Ende.
Durch die Freundschaft seiner Tochter Sandra zu einer Mitarbeiterin der Pflegeunion Duisburg kam es zu einem ersten Gespräch mit den Ciemniaks.

Heinz und Ursula waren sich einig, dass ein Heimaufenthalt für die zuletzt sterbenskranke Frau nicht in Frage käme. Also übernahm die Pflegeunion all' das, worum sich der Ehemann lange Zeit selbst gekümmert hat. In den letzten Wochen vor Ursulas Tod wurden die Pflegekräfte noch zusätzlich durch einen Palliativ-Pflegedienst unterstützt. Das Ganze hatte Heinz Ciemniak dermaßen mitgenommen, „dass ich“, wie er sagt, „in ein ganzes tiefes Loch gefallen bin, körperlich wie psychisch.“

Auch psychisch "aufgepäppelt"

Seine Finger wurden taub, er bekam Herzrhytmusstörungen und dagegen halt entsprechende Medikamente. Mehr als einmal vergaß er aber, diese einzunehmen. Wieder schaltete sich seine Tochter ein, erneut wurde die Pflegeunion tätig, um ihren Vater „wieder auf Vordermann zu bringen.“ Zweimal am Tag besuchen ihn deren Pflegekräfte, um die Medikamente zu verabreichen.

„Eigentlich“, so der bei unserem Besuch bei Heinz Ciemniak anwesende Pflegedienstleiter Martin, „ist das bei ihm damit nicht getan. Er braucht nach wie vor auch Gespräche, um ihn gewissermaßen psychisch aufzupäppeln.“ Ciemanik nickt bei deisen Worten stirnrunzelnd: „Ja, so ist es.“ Deshalb besucht er auch heute das Trauercafé und die Trauergespräche der Hamborner Hospizbewegung.

Die Zusatzgespräche mit dem Pflegedienst bei der Tabletteneinnahme stehen natürlich nicht in der Anordnung der Krankenkasse und kann folglich auch nicht abgerechnet werden. „Für die Medikamenten-Verabreichung werden uns jeweils drei Minuten zugestanden. Allein das ist schon knapp, und wenn Sie bedenken, dass wir auch noch einen Parkplatz suchen und zu Heinz hoch in die dritte Etage müssen, wissen Sie, dass für sowas keine Zeit bleibt.“

Aus der Not eine Tugend gemacht

Martin und seine Kolleginnen und Kollegen haben aus der Not eine Tugend gemacht. Sie legen, so oft sie können, den „Tabletten-Termin beim Heinz“ so, dass sie direkt danach die vorgeschriebene Pause nehmen, um Heinz „psychisch aufzupäppeln“. Der hat bei unserem Besuch sofort einen Tipp für den Gesundheitsminister parat: „Ich würde den Minister mal einen ganzen Tag von morgens bis abends mitfahren lassen, damit er sieht, dass das, was in den Verordnungen steht, gar nicht zu schaffen ist.“

Apropos schaffen! Heinz Ciemniak war nach der Pflege seiner Frau geschafft und hat selbst nichts mehr geschafft. Durch den Pfegedienst nimmt er regelmäßig die notwendigen Medikamente, bekommt schon mal „so ganz nebenbei“ den Butdruck gemessen und Hilfe beim abendlichen Anlegen der wegen der tauben Finger erforderlichen Orthese. Vor allem aber hat er jemanden, der Fragen nach seiner Gesundheit stellt und ihm auf den Zahn fühlt. „Ohne die Pflege wäre ich schon längst wieder in dem tiefen Loch.“ Auch Tochter Sandra ist froh, dass ihr Vater die Pflege annimmt und nicht das früher obgliatoische „Das schaff ich schon alleine“ zum „Non plus Ultra“ macht.

Nachdenklich sagt der frühere Sportkegler: „Wenn Ihnen ganz plötzlich die Kaffeetasse aus der Hand fällt, weil die Finger wieder taub werden und sie gar kein Gefühl mehr darin haben, dann kommen Sie schon ins Grübeln.“ Da er auch nicht jünger und gesünder werde, ist sich der Senior sicher, dass er möglicherweise in absehbarer Zeit weitere Pflegeleistungen in Anspruch nehmen müsse. Das alles sieht er unter dem Aspekt: „Bewahrung einer gewissen, wenn auch geringer gewordenen Lebensqualität“.

Autor:

Reiner Terhorst aus Duisburg

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