„Heroes“ jetzt auch in Duisburg

Das Duisburger "Heroes" Team - v.lks.: Burak Yilmaz, Volker Rau, Susanne Lohaus, Holger Venghaus und Fuat Hendek
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In einem Berlin-Neuköllner Projekt wurden seit 2007 türkisch- und arabischstämmige Jungen zu „Heroes“ ausgebildet:

Sie engagieren sich für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen und lernen, Ehre anders zu definieren, als über die Jungfräulichkeit ihrer Schwestern. Vorbilder sein – darum geht es in diesem Pilotprojekt.

Unter Anleitung des Theaterpädagogen Yilmaz Atmaca aus der Türkei und des Psychologen Ahmad Mansour aus Palästina trafen sich die 16 bis 21 Jahre alten Jungen ein- bis zweimal in der Woche, diskutierten über Gleichberechtigung und Demokratie, entwickelten Rollenspiele, grillten und aßen zusammen.

Danach begannen sie, die gemeinsam entwickelten Rollenspiele in Schulen oder Jugendtreffs vorzuführen.

Die in diesem Pilotprojekt gesammelten Erfahrungen können als sehr erfolgreich bezeichnet werden. Daher möchte der Duisburger Jugendhilfeträger „Jungs e.v.“ dieses Projekt nun auch in Duisburg anbieten.

Wie dieses Projekt umgesetzt werden soll, stellten die Duisburger Initiatoren nun gemeinsam mit dem Jugendamt vor. Der Verein „Jungs e.V.“, die ausgebildeten Gruppenleiter und Jugendamtsleiter Thomas Krützberg stellten die Ideen nun der Öffentlichkeit vor.

„Das Jugendamt unterstützt das Projekt inhaltlich und fachlich und setzt hierbei ganz besonders auf die Nachhaltigkeit! Wir halten nichts von kurzlebigen Leuchtturmprojekten!“ gibt Jugendamtsleiter Thomas Krützberg zu verstehen.

„Die Finanzierung wir durch Sponsoren gewährleistet, darunter u.a. der LIONS Club Duisburg! Im Jahr 2011 stehen uns 13.000.- EURO zur Verfügung um die anfallenden Kosten zu decken! Wir stehen als Stadt voll und ganz hinter der Idee! In Berlin ist die Strahlkraft sehr groß und rund 1000 Jugendliche wurden dort zu Heroes!“

Zur Zeit gibt es zwei Gruppenleiter:

Burak Yilmaz ist Student der Germanistik und Anglistik, tätig in der offenen Jugendsozialarbeit und zertifiziert in der geschlechterreflektierten Jungenarbeit.

„Ich bin aufgewachsen in einer Gesellschaft zwischen Islam und deutscher Kultur. Ich möchte Denkanstösse geben und helfen das Kulturdefizit, das die patriarchalischen Strukturen haben, aufzubrechen!“

Fuat Hendek hat in der Türkei Kunst studiert und 1975 angefangen im kunst- und theaterpädagogischen Bereich an der VHS Frankfurt / M. Aktuell ist er bei dem Projekt „UNITRO“ an der Uni Duisburg/Essen mit dabei.

„Ich zähle zur alten Generation, die diese Strukturen in der Türkei noch miterlebt hat. Hier in Deutschland sehe ich diese Strukturen als Hindernis für die persönliche Entwicklung der Jugendlichen.“ Stolz erklärt er: „Ich lebe seit 46 Jahren mit einer voll emanzipierten Frau zusammen!“

Sie werden unterstützt und geschult durch:

Susanne Lohaus, die Projektleiterin ist beschäftigt beim Jugendamt der Stadt Duisburg und seit 17 Jahren in der offenen Kinder- und Jugendarbeit tätig. Darüber hinaus war sie in der Frauenbildungsarbeit tätig und ist Vorstandmitglied beim „Ofju e.V.“ und ist Mitglied bei „Jungs e.V.“

Sie gibt klar zu verstehen: „Wir wollen keine Meinung schaffen sondern nur Denkanstösse geben! Die Heroes sollen Vorbilder sein und Zivilcourage zeigen!“

Koordiniert wird das Projekt von „Jungs e.V.“, vertreten durch die Vorstandsmitglieder Holger Venghaus, der seit 20 Jahren in der offenen Jugendarbeit tätig ist, und Volker Rau, Lehrer an einer Schule mit „auffälligen“ Jugendlichen.

Venghaus erläutert: „Natürlich wird es unterschiedliche Meinungen zum Thema geben. Wichtig ist daher der öffentliche Charakter des Projektes und das die Familien mit einbezogen werden! In Rollenspielen wird in Schulen oder Brennpunkten das Thema angegangen.“

„Jungs e.V.“ ist seit über einem Jahrzehnt in der geschlechterdifferenzierten Pädagogik in Duisburg und darüber hinaus tätig.

„Gegen Unterdrückung im Namen der Ehre - Ein Projekt für Gleichberechtigung von Jungs e.V.“

,,Wir glauben an eine Gesellschaft, in der jeder Mensch - unabhängig von Geschlecht und kulturellem Hintergrund - dieselben Möglichkeiten und Rechte hat.“ ist ein Grundsatz des Projektes, erklärt Projektleiterin Susanne Lohaus vom Jugendzentrum „ZITRONE“ in Hamborn.

„Heroes wird eine Bewegung“ - Nach dem mehrfach ausgezeichneten Berliner Heroes Projekt startet Jungs e.V. in Duisburg mit Unterstützung des Jugendamtes der Stadt Duisburg, das bundesweit erste Projekt der Heroes Bewegung.

HEROES ist ein Projekt der geschlechtsbezogenen Jungenarbeit, zur Demokratieförderung, für Gleichberechtigung und Menschenrechte, geleitet und mit der Sicht von Frauen. Zusätzlich gibt es einen Mädchenbeirat und einen Fachbeirat.

HEROES ist kein Projekt gegen Kulturen, Religionen oder Werte – sondern eine Initiative für Dialog und Zusammenarbeit!!!

Gesellschaftlicher Kontext

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Heranwachsende mit Migrationshintergrund unterschiedlichen Erwartungen genügen müssen. Sie befinden sich zwischen den Traditionen, dem kulturellen und sozialen Hintergrund ihrer Eltern und den Werten und Anforderungen der deutschen Gesellschaft, in der sie leben.

Dies konfrontiert sie mit Widersprüchen, die es ihnen schwer machen, sich z.B. mit Ausgrenzung oder Arbeitslosigkeit erfolgreich und ohne Aggression auseinanderzusetzen.

Patriarchalische Strukturen und Vorstellungen von Ehre, die vor allem durch Erziehung weitergegeben werden, haben in diesem Zusammenhang eine hohe Bedeutung, Sie hindern Jugendliche beiderlei Geschlechts an der freien Entwicklung ihrer Persönlichkeit und schränken die möglichen Lebensentwürfe ein: Mädchen und Frauen werden in schwache Positionen, in die Opferrolle, gedrängt, wie z.B. durch Zwangsheirat, Kontrolle oder Unterordnung.

Auch Jungen geraten unter empfindlichen Druck durch die Durchsetzung der Ehrenvorschriften oder arrangierte Ehen.

Projektansatz

Der Ausgangspunkt der Arbeit mit jungen Migranten ist die Bewusstmachung, dass auch in ihrer und unserer Community etwas schief läuft. Hierzu zählen Gewalt oder auch Bildung. Es geht also zunächst um ein Umdenken und Infragestellen.

Im Fokus dabei die Problematisierung der Männerrolle im Kontext der Ehrenunterdrückung von Mädchen und Frauen. Das Ziel ist es, Jungen und jungen Männern die Möglichkeit zu geben, sich von diesen Machtstrukturen zu distanzieren. Im Laufe des Trainings erlangen sie die Stärke und Fähigkeit, die Grenzen, die die Ehrenkultur auch für sie setzt, zu überwinden.

Es geht darum, die jungen Männer mit kreativen und pädagogischen Methoden zu motivieren Stellung zu beziehen:

„gegen die Unterdrückung im Namen der Ehre und für das Recht der Mädchen und Frauen auf Menschenrechte und Gleichberechtigung.“

Das Projekt verschiebt zudem den Fokus von der Wahrnehmung der Defizite und Gewaltbereitschaft gerade jugendlicher männlicher Migranten hin zu denen, die bereit sind sich

„Respekt durch den Kampf gegen Unterdrückung im Namen der Ehre“

zu erarbeiten.

HEROES ist ein Projekt der Geschlechterreflektierten Jungendarbeit, zur Demokratieförderung, für Gleichberechtigung und Menschenrechte, geleitet und mit der Sicht von Frauen.

Ziel

Die zukünftigen HEROES sind Jugendliche und junge Männer aus Ehrenkulturen, die die Motivation haben, etwas in der Community, aufgrund der Unzufriedenheit mit der Situation der Migranten in Deutschland, zu ändern.

Der Schwerpunkt liegt auf der Förderung und Stärkung von jugendlichen männlichen Migranten, die motiviert sind, sich gegen Unterdrückungsmechanismen im Namen der Ehre stark zu machen und sich somit für ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Männern und Frauen jeglicher Kultur engagieren wollen.

Somit sollen sie zu Vorbildern und Modellen für Gleichberechtigung, sowohl in der eigenen Community, als auch in der Mehrheitsgesellschaft werden.
Das Team

Der demokratische und gleichberechtigte Leitbildgedanke spiegelt sich im HEROES Team wieder, welches aus Männern und Frauen aus der Mehrheitsgesellschaft und aus Ehrenkulturen besteht.

HEROES arbeitet in zwei Schritten:

Als ersten Schritt bieten wir Gruppen für junge Männer aus Ehrenkulturen an, die über Themen wie Gleichberechtigung, Ehre und Menschenrechte diskutieren und in ihrem Alltag und in der Gesellschaft etwas verändern wollen. Die Gruppenleiter sind ausgebildete Jungenarbeiter, ebenfalls aus Ehrenkulturen, mit einer antisexistischen und absolut kulturell reflektierten authentischen Haltung, nur so können sie authentische Modelle sein.

Ganz wichtig ist hier der gleichberechtigte Umgang der Gruppenleiter mit den zukünftigen Heroes. Diskussions- und Denkanstösse werden gegeben und ein Empathiegefühl entwickelt. Demokratie lernen, durch Demokratie erfahren!

So sollen die Heroes in ihrer Haltung gesteuert werden. Bei der Entwicklung der Workshops werden sie in Gesprächsführung und Diskussionskultur, sowie Rollenspiel geschult.

Im zweiten Schritt gehen die Jungen in Schulen, Jugendfreizeitheime oder Jugendtreffs in sozialen Brennpunktvierteln und bieten den im Programm erarbeiteten Workshop an. Dem rollenspielbasierten Workshop liegt der Gedanke der Peer education zugrunde: Gerade bei schwierigen Themen lernen Jugendliche am besten von etwa gleichaltrigen „Vorbildern“, die ihren kulturellen und sozialen Kontext teilen.

Mädchenbeirat

Dem gleichberechtigten Grundsatz gerecht, werden der von den Unterdrückungsmechanismen betroffenen Gruppe eine Stimme im geschützten Raum (ohne Männer) gegeben. Ziel ist es, dass sich die Empfindungen und Sichtweisen der Mädchen in der Arbeit der HEROES wieder finden.

Fachbeirat

Der Fachbeirat soll sich zusammensetzen aus: Jugendamt, Polizei, der Gleichstellungsbeauftragten, LVR, Integrationsbeauftragte, Quartiersmanagement, Mabilda e.V. und weiteren interessierten Personen und
Institutionen.

Einerseits wird durch die Darstellung der Arbeit von HEROES im Beirat Transparenz geschaffen, andererseits hat der Beirat beratende Funktion. Der Beirat soll vierteljährlich tagen.

Angebot

Das Training für junge Männer findet in der Freizeit statt und dauert etwa ein dreiviertel Jahr. Es wird durch ein Abschlusszertifikat bescheinigt. Der Abschluss berechtigt im Rahmen des Projekts zur Durchführung des Workshops auf Honorarbasis.

Der dreistündige Workshop richtet sich an Jungen und Mädchen, junge Männer und Frauen.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, MitarbeiterInnen von HEROES als ReferentInnen auf Honorarbasis einzuladen.

Männer und Frauen, Migranten und Migrantinnen sowie Mehrheitsgesellschaft bewegen etwas zusammen - denn es geht uns alle an!

Es soll nach Auskunft der Initiatoren nach Abschluss der Maßnahme eine Anerkennungsfeier – mit einer bekannten Persönlichkeit – geben. Eine erste Bilanz soll nach etwa 4 – 5 Monaten gezogen werden.

Autor:

Harald Molder aus Duisburg

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