An der Hamborner Helios St. Johannes Klinik halten die Ärzte auch in Corona-Zeiten engen Kontakt – wenn auch aus der Ferne
Chronisch kranke Patienten trotz Distanz gut versorgt
Bei chronischen Erkrankungen wie Rheuma oder Diabetes ist das regelmäßige medizinische Monitoring entscheidend für den Therapieerfolg. In Zeiten von Corona und reduzierter persönlicher Versorgung stellt das Patienten und die entsprechenden Fachkliniken allerdings vor ziemliche Herausforderungen, viele Betroffene gehören zudem zur Risikogruppe.
Für Dr. Monika Klass, Chefärztin der Rheumatologie am Helios Klinikum Duisburg, ist deshalb im Moment ein Headset das wichtigste Arbeitsinstrument. Sie betreut ihre Patienten vor allem per Telefon und Videochat. Auch die Duisburgerin Heike-Helene Tarnow, für die der Kontakt zu ihrer Ärztin ein wichtiger Anker ist.
Die Diagnose einer chronischen Erkrankung wie Rheuma, Multiple Sklerose oder Diabetes trifft die Patienten mit Wucht, denn ihr Leben verändert sich schlagartig. Und auch wenn der Ausgang nicht zwangsläufig tödlich ist, an einer unheilbaren Krankheit zu leiden, kann eine schwere Krise und viele Fragen mit sich bringen. Da gibt es eine Fülle von Fragen: Welchen Einfluss hat all das auf mein Leben? Wer hilft mir bei medizinischen Entscheidungen? Kann ich lernen, meinen kranken Körper zu akzeptieren?
Jahrelang unter den
Schmerzen gelitten
Die Antworten finden die Patienten oftmals in einer langfristig begleitenden, einfühlsamen Therapie durch Spezialisten und das damit verbundene wachsende Wissen. Eine dieser Spezialistinnen ist Dr. Monika Klass. Fast alle ihrer Patienten sind chronisch erkrankt, die meisten rheumatisch, aber auch Betroffene mit sehr seltenen Autoimmundefekten kommen sonst zu ihr in die Klinik. Wie halt auch Heike-Helene Tarnow, die jahrelang unter Schmerzen litt, für die Ärzte keine Ursache fanden. Es war ein schleichender Prozess, der vor etwa zehn Jahren begann.
Die damalige Postangestellte fühlte sich immer öfter schwach auf den Beinen, ihre Muskeln schmerzten und verloren an Kraft, auch an Stellen, die sie vorher nicht wahrgenommen hatte, wie etwa im Gesicht: „Zunächst dachte ich mir nicht viel dabei, aber die Symptome schränkten mein Leben immer mehr ein.“ Dinge, die ihr lieb waren, wie die Gartenarbeit, wurden fast unmöglich, und der Schmerz bestimmte ihr Leben.
Dabei war er nur schwer greifbar, entsprechend schwierig die Diagnose, denn die Schübe kamen in Wellen, und sie wurden schlimmer. Bis 2014 ihr Neurologe eine Eingebung hatte: Er ließ einen einfachen Bluttest machen und rettete damit vermutlich ihr Leben. Denn dort entdeckte er Hinweise auf eine Dermatomyositis, eine sehr seltene Erkrankung, in deren Verlauf sich die Muskeln und auch die Haut an einzelnen Stellen schmerzhaft entzündeten. Weil sich letztere im Verlauf der Erkrankung verfärben kann, wird sie auch „Lilakrankheit“ genannt. Bleibt die Erkrankung unbehandelt, können die Symptome auch auf andere Teile des Körpers wie Lunge oder Herz übergehen.
„Irgendwann zweifelt
man an sich selbst“
Sofort überweist ihr Facharzt die Duisburgerin für eine ausführliche Diagnostik an Dr. Klass, schon damals Chefärztin der Rheumatologie an der Helios St. Johannes Klinik in Alt-Hamborn und Expertin für seltene Erkrankungen. „Die Dermatomyositis sehen auch wir nicht oft, obwohl sie zur Gruppe der rheumatischen Erkrankungen gehört. Betroffen ist davon in Deutschland allerdings tatsächlich nur einer von 100.000 Menschen, in Summe also sehr wenige. Mit einer gut eingestellten medikamentösen Therapie und regelmäßigem Monitoring können wir aber die Lebensqualität der Patienten merklich steigern und den Verlauf verlangsamen oder sogar stoppen“, erklärt die Medizinerin.
Für Heike-Helene Tarnow war das die Rettung, denn die schwere Erkrankung hatte bereits ihren ganzen Körper befallen und auch den Herzmuskel angegriffen. Schon bald nach der Diagnose und einer ausführlichen Abklärung inklusive Muskelbiopsie sowie stationärer Therapie bemerkt sie die Veränderungen, kann sich wieder besser bewegen und lernt, mit den Schmerzen umzugehen. Und auch wenn die starken Medikamente, eine Art Chemotherapie, ihren Tribut zollen, wichtig war der heute 61-jährigen aber auch der innere Frieden: „Es war so eine Erleichterung, nach Jahren endlich auf Verständnis zu stoßen. Wenn man so viele Ärzte aufgesucht hat, ohne eine Erklärung zu finden, zweifelt man ja irgendwann an sich selbst.“
Seit fast sieben Jahren kommt sie jetzt regelmäßig in die Sprechstunde der Ärztin an der Helios St. Johannes Klinik. Blutwerte müssen überprüft, Medikamentendosen angepasst und Nebenwirkungen sowie neue Symptome rechtzeitig erkannt werden. Der persönliche Kontakt ist ein wichtiger Baustein in der Therapie. Doch Corona hat all das verändert, denn die stationäre und ambulante Versorgung in der Klinik beschränkte sich wochenlang nur auf Notfälle. Zudem haben viele Betroffene besondere Angst vor dem Virus, da sie in die Risikogruppe fallen, so auch Heike-Helene Tarnow.
In Corona-Zeiten tauchen
besonders viele Fragen auf
Ihre Medikamente unterdrücken die Arbeit des Immunsystems, damit der Körper sich nicht permanent selbst angreift und die Entzündungen verursacht. Da tauchen in Corona-Zeiten besonders viele Fragen und Sorgen auf. „Somit mussten wir uns etwas überlegen, denn der wichtigste Bestandteil in der Therapie chronischer Erkrankung ist das regelmäßige medizinische Monitoring“, erklärt Dr. Klass. Ihr Patientenstamm umfasst mehrere tausend Betroffene, die sie unter normalen Umständen regelmäßig sieht. Kurzerhand bietet sie deshalb den Patienten, deren Termine ausfallen, eine Alternative an: Sie und ihr Team schwenken auf Telefon- und Videosprechstunde um, lassen sich Blutwerte vom Hausarzt weiterleiten und fragen bei den Patienten bestimmte Parameter ab, um sich ein ausführliches Bild machen zu können.
„Das war eine wirklich gute Idee, wir haben alle Fragen direkt geklärt und Frau Dr. Klass hat mich sozusagen aus der Ferne gründlich untersucht“, so Heike-Helene Tarnow. Die Chefärztin und ihr Team haben so mittlerweile schon mehrere hundert Bestandspatienten versorgen können und werden das auch in den nächsten Wochen noch weiter tun: „Bis wir wieder in normalem Umfang aufnehmen und behandeln können, wird es ja noch dauern. Solange nutzen wir die technischen Möglichkeiten.“
Patienten, die sich neu vorstellen wollen, müssen sich allerdings noch etwas gedulden, da die Versorgung in der Klinik aktuell noch Notfällen und sehr dringenden Patienten vorbehalten ist und für eine Aufnahme in die Versorgung eine körperliche Erstuntersuchung notwendig ist.
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
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