Verkehrswende
Wie sieht es damit in anderen Ländern aus?

„Wir sind nicht Holland oder Dänemark!“ bekommt man häufig zu hören, wenn man in Deutschland eine Mobilitäts- oder Verkehrswende fordert.
Wie sieht es also in Ländern aus, die nicht als die klassischen Fahrradländer gelten?
Nehmen wir einmal die USA. Amerikaner sind dafür bekannt, dass sie jeden, auch noch so kurzen, Weg mit dem Auto zurücklegen. Und mein früherer Brieffreund war bei seinem Besuch in Deutschland tatsächlich erstaunt, wie oft ich zu Fuß ging.
Aber in den USA gibt es „Protected Bike Lanes“, also Fahrradspuren auf gleicher Ebene wie die Autostraßen, die nicht durch ständig überfahrene aufgemalte weiße Streifen, sondern durch physische Barrieren von der Autofahrbahn abgetrennt sind.
Gehen wir nach Spanien. Noch Anfang des 21. Jahrhunderts sagte man dort, wer in der Stadt mit dem Fahrrad fährt, ist entweder verrückt oder lebensmüde.
Jetzt gibt es dort „Superblocks“. Was bedeutet das?
Ein ausgeklügeltes System von Diagonalsperren und Einbahnstraßen führt dazu, dass PKWs das Wohnviertel nicht mehr durchqueren können. Zu Fuß Gehende und Radfahrende haben Vorrang, Anlieger-PKW-Verkehr darf nur mit 10 bis 20 km/h ein- oder ausfahren.
Der öffentliche Verkehr wird an den Außenkanten der Superblocks optimiert. PKW-Verkehr fährt auf den Hauptverkehrsadern um die Superblocks herum. Der dadurch gewonnene Straßenraum wird neu genutzt: Es werden Bäume gepflanzt, Blumenkübel gesetzt, Parkbänke errichtet, Tischtennisplatten aufgestellt. Die Folge: Durch Superblocks werden Straßen zu Begegnunsstätten. Man hört Kinderlachen statt Autolärm, atmet frische Luft anstelle von Abgasen und kommt mit der Nachbarschaft ins Gespräch. Der Zusammenhalt wird gefördert und die Lebensqualität für Anwohnende steigt.
Geschichte: Der erste Superblock entstand 2017 im Stadtviertel Poble Nou – anfangs noch gegen den Widerstand von Geschäftsleuten und Autofahrenden, doch mit großem Zuspruch der Anwohnenden. In den bis bisher gestalteten Superblocks, die im gesamten Stadtgebiet entstanden sind, ist das befürchtete Geschäftssterben ausgeblieben. Im Gegenteil: Die Anzahl lokaler Läden stieg sogar um 30 Prozent.
Und in Deutschland? Hier wehrt man sich noch vehement gegen jede Art von Veränderung, ähnlich wie es in den 1970er Jahren Widerstand gegen Fußgängerzonen gab. Geschäfte würden kaputtgehen, wenn man nicht mehr mit dem Auto dorthin fahren kann, unkte man damals. Und jetzt? Wenn überhaupt – trotz Online-Handel – irgendein Ort in der Innenstadt Attraktivität hat, dann die Fußgängerzone.
Also einfach mal etwas Neues wagen.
Und: Wenn man denjenigen, die von der Entfernung und der körperlichen Fitness her durchaus per ÖPNV oder mit dem Fahrrad fahren könnten, es aber nicht zu tun, weil das eine zu schlecht getaktet und das andere zu gefährlich ist, den Umstieg vom Auto auf ein alternatives Verkehrsmittel erleichtert, werden die Straßen freier für diejenigen, die wirklich aufs Auto angewiesen sind.

Autor:

Astrid Günther aus Duisburg

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