Unterrichtsausfall: Wie sieht's an Duisburgs Schulen aus?

Wenn der Fachlehrer ausfällt, tut's der Unterricht oft auch.WA-Archiv-Foto: Hannes Kirchner
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Unterrichtsausfall ist ein bundesweites Problem. In NRW fallen laut Schätzung des Landesrechnungshofes rund fünf Prozent der Schulstunden aus. Verlässliche Zahlen gibt es allerdings nicht. Das NRW-Schulministerium hält eine Zählung der ausgefallenen Stunden, wie sie bis 2010 noch stattfand, für zu aufwändig. Wie ist die Situation in Duisburg? Der Wochen-Anzeiger sprach mit Schul- und Gewerkschaftsvertretern:

Krankheit, Mutterschutz, Pensionierungen und eine sowieso schon dünne Personaldecke – lauter Gründe für Unterrichtsausfall in NRW und somit auch in Duisburg.

Norbert Müller ist Vorsitzender der Duisburger Bildungsgewerkschaft GEW und unterrichtet an einem Berufskolleg. Das Aufheben der Dokumentationspflicht für Unterrichtsausfälle – für ihn ein Taschenspielertrick der Landesregierung, um das Problem zu vertuschen. „Natürlich findet auch in Duisburg Unterrichtsausfall statt. Dabei muss man den sogenannten geplanten und den ungeplanten Unterrichtsausfall unterscheiden. Der geplante beträgt in Duisburg etwa fünf Prozent, das entspricht dem Landesschnitt. Durch die niedrige Schüler-Lehrer-Relation nimmt man bereits bei der Stundenplanung bewusst in Kauf, zu wenig Fachstunden erteilen zu können. Das sind pro Woche und pro Schulklasse im Schnitt 1 bis 1,5 Unterrichtsstunden, die erst gar nicht im Stundenplan auftauchen. Das ist seit etwa 15 Jahren gängige Praxis. Und dann gibt es noch den ungeplanten Unterrichtsausfall, der etwa durch Lehrerfortbildungen, Krankheit oder Mutterschutz anfällt. Früher gab es an unseren Schulen eine sogenannte Vertretungsreserve von vier Prozent. Zur Veranschaulichung: An einer Hauptschule mit 25 bis 30 Lehrern gab es einen Lehrer in Reserve. Das ist heute nicht mehr so. Und bedeutet im Umkehrschluss: Selbst wenn Vertretungsunterricht stattfindet, ist er in den meisten Fällen inhaltlich sinnlos. Wir sprechen da auch nur noch von Betreuung und nicht von Vertretung. Wenn ich für einen erkrankten Kollegen einspringen soll, gleichzeitig aber selbst Fachunterricht gebe und die zusätzlich zu betreuende Klasse drei Stockwerke über meinem Klassenraum sitzt, kann man sich vorstellen, wie das läuft. Kosmetisch heißt es da: Der Unterricht ist nicht ausgefallen, inhaltlich ist das Ergebnis jedoch gleich Null. Das Paradoxe ist: Bildung wird einerseits hochgehängt – andererseits möchte man nicht in sie investieren. Kurzfristig kann dieser Misere nur durch eine Wiedereinführung der Vertretungsreserve begegnet werden."

Nur noch Betreuung statt Vertretung

Wie begegnen die Schulen dem Ausfall von Unterricht? Nachgefragt an der Realschule Fahrn. Deren erster Konrektor Heinz Kahlke hält die Schule personell zwar noch für recht gut aufgestellt, dennoch komme es auch hier zu Unterrichtsausfall. „Für Kollegen beispielsweise in Mutterschutz gibt es keine Vertretung, außer, es steht Geld aus den sogenannten flexiblen Mitteln zur Verfügung. Das ist aber kaum noch der Fall. Diese Ausfälle muss man aus eigener Kraft stemmen."

Bereitschaftsstunden

Wie das in der Praxis aussieht, beschreibt Fachlehrer Helmut Feldhaus. „Wir sichern den Eltern der Schüler der Klassen 5 und 6 zu, dass kein Unterricht ausfällt, und das gelingt uns auch. Um die Ausfälle ab Jahrgangsstufe 7 so gering wie möglich zu halten, haben wir sogenannte Bereitschaftsstunden im Stundenplan festgelegt. Das heißt: Kollegen, die eigentlich erst zur vierten Stunde anfangen, halten sich turnusmäßig für Vertretungsstunden bereit." Ansonsten müsse man eben auch mal zwei Klassen simultan betreuen – und nach Möglichkeit darauf achten, dass diese nebeneinanderliegen – im wahren Sinne des Wortes ein Spagat.

KURZ UND GUT

In Deutschland ist Bildungspolitik Ländersache. Entsprechend vielfältig ist die deutsche Bildungslandschaft. Was in Bayern gilt, gilt noch lange nicht in Hamburg.
Das NRW-Schulministerium hält eine bis 2010 übliche Erfassung der ausgefallenen Unterrichtsstunden für zu aufwändig.
Auch NRW leidet unter einem Mangel an guten Fachlehrern speziell für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften.
Insgesamt gibt es bundesweit an allgemeinbildenden Schulen rund 670 000 Lehrer. Im Schuljahr 2010/2011 war fast die Hälfte der Lehrer 50 Jahre oder älter. Bis 2020 werden sich jährlich 30 000 Pädagogen aus dem Schuldienst verabschieden.
NRW hat die „flexiblen Mittel" für 2013 auf 25 Millionen halbiert. Mit diesem Geld werden Vertretungen für längerfristig Erkrankte, Mutterschutz und Hausunterricht finanziert.

Ihre Meinung ist gefragt:

Welche Erfahrungen machen Sie, liebe Leserinnen und Leser? Fällt der Unterricht Ihrer Kinder häufig aus? Schildern Sie Ihre Eindrücke - gerne auch hier in Form eines Kommentars - die wir auch im Wochen-Anzeiger veröffentlichen:

Redaktion
Wochen-Anzeiger
Harry-Epstein-Platz 2
47051 Duisburg
E-Mail: redaktion@wochenanzeiger-duisburg.de

Autor:

Claudia Brück aus Düsseldorf

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