Ochlokratie

In der Politikwissenschaft gibt es den Begriff der Ochlokratie. Darunter wird die Herrschaft der Masse, des Pöbels verstanden.

"Ochlokratie ist ein Begriff aus der antiken griechischen Staatstheorie, der vom griechischen Historiker Polybios (um 200 v. Chr. – 118 v. Chr.) eingeführt wurde und seine analytische Bedeutung bis heute behalten hat. Während die Demokratie Polybios zufolge am Gemeinwohl orientiert ist, sieht er die Ochlokratie als Zerfallsform an, in der die Sorge um das Gemeinwohl dem Eigennutz und der Habsucht Platz gemacht hat. Insofern gilt die Ochlokratie als eine Entartung der demokratischen Staatsform.

Durchsetzen konnte sich diese Differenzierung außerhalb der politischen Theorie nicht. Sie geht ursprünglich auf die antiken griechischen Philosophen Platon (427–347 v. Chr.) und Aristoteles (384–322 v. Chr.) zurück: Schon Platon unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Demokratie, führte aber hier noch keine eigene Terminologie ein. Aristoteles beschrieb später die Politie als die „gute“ und die Demokratie als die „schlechte“ Ausprägung einer Staatsform, in der das Volk herrscht. Polybios schließlich differenzierte terminologisch und bezeichnet mit ‚Ochlokratie‘ – Pöbelherrschaft – die negative Variante der Volksherrschaft, während der Begriff „Demokratie“ bei ihm positiv besetzt ist.

Grundsätzlich herrschte in der antiken Staatstheorie seit Platon die Vorstellung, dass jede am Gemeinwohl orientierte Herrschaftsform ein entartetes, nur an den Interessen der Herrschenden orientiertes Gegenstück habe:

Gerade bei der Betrachtung der beiden Formen der Volksherrschaft wird die Unterscheidung zwischen Gemeinwohl (Demokratie) und den kumulierten Interessen der einzelnen Bürger deutlich: Wenn jeder nur an sich denkt und aus diesem Interesse heraus handelt, schadet er letztlich dem Gemeinwohl," berichtet die Internetenzyklopädie Wikipedia.

Gibt es die Ochlokratie auch bei uns? Formal muß man die Frage natürlich verneinen. Bei uns in Deutschland und damit auch in Duisburg gilt die Demokratie. Und zwar die Demokratie im guten Sinne, die sich am Gemeinwohl orientiert. Für schädliche Elemente wie Eigennutz, Habgier, Rücksichtslosigkeit, Egoismus und Karrieredenken ist hier kein Platz. Oder? Unterschwellig scheint es diese Elemente aber schon zu geben, nämlich immer dann, wenn sie sich hinter Sachargumenten verbergen.

Nehmen wir nur die lokale Duisburger Kommunalpolitik. Spätestens seit jenem bewußten Unglück vom Juli 2010 ist hier eine Lähmung und Starre eingetreten, die sowohl für die Stadt wie auch für die Menschen schädlich ist.

Natürlich ist die Loveparade nicht optimal verlaufen. Sich aber nur darauf zu konzentrieren, wie man einen ungeschickt agierenden, unbeliebten und unbeliebten Oberbürgermeister aus dem Amt jagt, kann aber auch nicht der Weisheit letzter Schluß sein.

An vielen Punkten läßt sich schon jetzt Stillstand feststellen. Ein nicht fertiggestellter Bahnhofsvorplatz, die fehlenden Aufzüge an der Straßenbahnhaltestelle "Waldfriedhof", die noch nicht fertiggestellte Stadtbücherei in Homberg - Hochheide - die Liste der Beispiele ließe sich endlos fortsetzen. Es ist nicht ersichtlich, wie dieser Stillstand überwunden werden kann, zumal mit dem leidigen Thema "Geld" auch noch ein weiteres Totschlagargument hinzukommt. Alles, was Geld kostet, darf es nicht geben. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor Ort? Man bleibt lieber Schlußlicht in ganz Nordrhein-Westfalen, als daß man sich um Lösungen, die den Menschen helfen, bemüht. Der Strukturwandel ist in Duisburg immer noch eine Strukturkrise; die politische Klasse bietet genausowenig einen Lösungsansatz wie dei Bevölkerung.

In Duisburg Handel anzusiedeln kann sicherlich ein erster Schritt sein. Dies muß aber zügig und im Rahmen des gesetzlich Zulässigen erfolgen. Sinnvoller wäre es aber, Partner wie IHK, Handwerkskammer und DEHOGA mit ins Boot zu holen und weitere Ideen zu entwickeln, wie die lokale Wirtschaft belebt werden kann. Ich kann es mir nicht vorstellen, daß es im Industrie- und Handwerksbereich nicht auch Ideen gibt, wie es bei uns in Duisburg weitergehen kann.

Eigentlich wollte ich den folgenden Teil weglassen. Nach einer Reaktion von Klaus Rietz auf meinen Text füge ich ihn nun doch bei.

An dieser Stelle sei noch ein Wort zu unserer politischen Elitve erlaubt.

Die SPD hat sich ja bekanntlich als vehemente und heftige Kritikerin unseres Oberbürgermeisters hervorgetan. Sie stellt mit Manfred Osenger einen Bürgermeister, der qua Amt auch Stellvertreter des Oberbürgermeisters ist.

Mal abgesehen davon, daß Osenger nicht nur Bürgermeister von Neuenkamp und Kaßlerfeld ist, bleibt die Frage, warum er nicht spätestens im August 2010 zurückgetreten ist. Spielen hier politisches Machtbewußtsein und finanzielle Überlegungen eine größere Rolle als die eigene Integrität und Glaubwürdigkeit?

Mit Erkan Kocalar hat Duisburg einen linken Bürgermeister. Mal davon abgesehen, daß diese Partei vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz beobachtet wird, hatte sie in der jüngeren Vergangenheit in Duisburg mehrfach Ärger wegen angeblicher oder tatsächlicher antisemitischer Äußerungen.

Einem einfachen, schlichten Arbeiter finanzielle Überlegungen zu unterstellen, wäre schon zu banal und kurz gegriffen. Die Überlegungen gehen darüber hinaus. Herr Ercalan stammt aus einem türkisch-muslimisch geprägten Umfeld. Ob er wohl auch einen Oberbürgermeister so heftig kritisiert hätte, der auch aus diesem Umfeld gekommen wäre? Es wäre schön gewesen, wenn Herr Ercalan seine Gesinnung öffentlich gemacht hätte.

Mit welcher Berechtigung ist er überhaupt noch Bürgermeister? Erinnern wir uns: Selbst im Integrationsbeirat war die Kritik an ihm überdeutlich. Warum hat er nicht sein Gesicht gewahr und ist spätestens im August 2010 zurückgetreten. Die Botschaft, daß ein Arbeiterkind aus dem Migrationsmilieu bei uns in Deutschland politische Karriere machen kann, ist auch so angekommen.

Um eine Sache inhaltlich klarzustellen: Daß die Loveparade schiefgelaufen ist, ist auch mir bewußt. Sonst hätten wir nicht Tote und Verletzte. Sonst würde Duisburg nicht heute noch darunter leiden.

Was mich persönlich sehr aufregt, ist der persönliche und öffentliche Umgang in der Zeit danach. Wie kann es sein, daß mit gefältschten Faxen Politik gemacht wird? Wie kann es sein, daß ein Lokalpolitiker mit Ketchup beschmutzt wird? Wie kann es sein, daß ein Bürgermeister ungestraft seine Amtspflichten verletzt und sich öffentlich gegen den Oberbürgermeister wendet, den er in der Folgezeit vertreten muß? Die Diskussion muß sachlicher werden und das unabhängig von den Personen.

Autor:

Andreas Rüdig aus Duisburg

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