Neue soziale Konditionalität für EU-Agrarsubventionen: Bei der Lohnhöhe, der Arbeitszeit und beim Urlaubsanspruch ist noch Luft
EU-Agrarsubventionen werden bei Verstößen gegen Arbeitsrecht künftig gekürzt. IG BAU sieht Verbesserungsbedarf.
Für die rund 500 000 Beschäftigten in der Landwirtschaft gibt es eine wichtige Nachricht: Vom 1. Januar 2025 an werden die Auszahlungen von EU-Subventionen an Agrarbetriebe auch in Deutschland an die Einhaltung von Arbeitsrechten geknüpft, in der Behördensprache wird dies "soziale Konditionalität" genannt. "Das ist ein längst überfälliger Schritt, denn gerade in der Landwirtschaft sind immer wieder massive Vergehen gegen Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, insbesondere bei den Saisonarbeitskräften, zu verzeichnen", sagt Harald Schaum, Vizebundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Arbeitnehmer*innen – bei gleichzeitig starker Abnahme der bäuerlichen Familienarbeitskräfte – in der Branche deutlich erhöht. Der Anteil der in Lohn stehenden Menschen liegt jetzt mit 54,5 Prozent bei über der Hälfte. In einer jüngsten Umfrage der IG BAU-Fachgruppe Landwirtschaft sprach ein hoher Anteil der Arbeitnehmer*innen von "regelmäßig unbezahlten Überstunden, unerlaubt langen Arbeitszeiten, wenig Freizeit und Urlaub, einer hohen körperlichen Belastung" und anderem mehr.
Die soziale Konditionalität legt fest, dass von Arbeitgebern bei der Verletzung bereits bestehender arbeitsrechtlicher Standards ein Teil der EU-Subventionen zurückverlangt werden kann. So muss ein Arbeitnehmer nach deutscher Gesetzgebung einen Arbeitsvertrag erhalten, der die Arbeitstätigkeit, die Zusammensetzung des Lohns und die Art der Auszahlung, die Länge eines Standardarbeitstages und der Ruhepausen, die Anzahl der garantiert bezahlten Stunden – sehr wichtig beispielsweise bei Ernteausfällen – und anderes mehr beschrieben und benannt werden. Wenn dagegen verstoßen wird, werden in Zukunft die EU-Zahlungen gekürzt. "Leider wurden aber andere wichtige Kernbereiche des Arbeitsrechts in den Katalog nicht mitaufgenommen: Die Höhe des Lohnes, die maximale Länge der Arbeitszeit, ein Mindestanspruch auf Urlaub und dergleichen mehr. Wird beispielsweise der gesetzliche Mindestlohn unterschritten wird dies nicht sanktioniert. Hier muss noch ordentlich nachgebessert werden", sagt Schaum.
Eine weitere Schwachstelle sieht der Gewerkschafter Schaum hinsichtlich der Kontrollen. Bislang sind in Deutschland viele Behörden mit der Überwachung von arbeitsrechtlichen Standards in der Landwirtschaft beschäftigt: die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, örtliche Gesundheitsämter, Arbeitsschutzbehörden und andere mehr. "Hier schlagen wir vor, dass es eine zuständige Behörde gibt, die alle Sachverhalte gebündelt überprüft, so wie es in anderen EU-Staaten schon üblich ist." Zudem sollten auch die IG BAU, arbeitsrechtliche Beratungsstellen und auch Betroffene selbst Meldungen über Verstöße bei der Zahlstelle direkt vornehmen können.
Schließlich kritisiert die Agrargewerkschaft die Höhe der Sanktionen, die grundsätzlich in "angemessener Höhe" sein sollten. Die jetzt definierten Subventionsabzüge von drei Prozent bei vorsätzlichem und ein Prozent bei unabsichtlichem Verstoß seien "schlichtweg zu gering. In der Landwirtschaft wird sehr hart gearbeitet, bei Wind und Wetter, oftmals mehr als zehn Stunden und sie ist auch noch ein Niedriglohnsektor. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Arbeitnehmer*innen besonders geschützt und ordentlich bezahlt werden. Die soziale Konditionalität der EU ist ein guter und wichtiger Schritt, aber es gibt noch großen Verbesserungsbedarf", sagt Harald Schaum abschließend.
Deutschland erfüllt mit der Umsetzung der Sozialen Konditionalität zum bevorstehenden Jahreswechsel gerade noch termingerecht die Vorgabe, Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich, Portugal und Spanien sind diesen Schritt schon im August dieses Jahres gegangen. Mittels der gemeinsamen Agrarpolitik der EU werden in Deutschland jährlich rund 57 Milliarden Euro an Subventionen ausgeschüttet.
Weitergabe Presseinfo der IG Bauen-Agrar-Umwelt
Autor:Theodor Groesdonk aus Duisburg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.