Nachdenken über die Sozialdemokratie

"Sozialdemokratie ist die Bezeichnung für eine internationale politische Bewegung und politische Ideologie in zahlreichen Ländern der Welt, die sich mit demokratischen Mitteln für eine freiheitliche und sozial gerechte Gesellschaft einsetzt. Bis etwa Anfang der 1960er Jahre gehörte auch die Verstaatlichung der Produktionsmittel zu den Zielen der Sozialdemokratischen Bewegung.

Die ursprünglich revolutionär-sozialistische Sozialdemokratie unterschied sich zunehmend ab Beginn des 20. Jahrhunderts von kommunistischen Bewegungen dadurch, dass sie die sozialen Probleme nicht durch eine Revolution der Arbeiterklasse, sondern durch demokratische Reformen zu lösen versuchte. Entsprechende in Deutschland insbesondere von Eduard Bernstein ab den späten 1890er Jahren vertretene Thesen (vgl. Revisionismustheorie) setzten sich nach und nach in der Sozialdemokratie gegen die zunächst noch revolutionär gesinnte Mehrheit bis spätestens nach dem Ersten Weltkrieg durch, welcher zu Spaltungen in der Sozialdemokratie führte, die 1919 die Gründung der revolutionären KPD zur Folge hatten. Dabei steht die Sozialdemokratie in einigen Ländern dem Linksliberalismus nahe, der allerdings dem Staat nicht - wie die Sozialdemokratie - die entscheidende Rolle bei der Lösung politischer Probleme zuweist. In ihren Anfangszeiten orientierte sich die Sozialdemokratie auch stärker an gesellschaftlichen Klassenstrukturen, insbesondere an der damaligen Arbeiterklasse.

Die deutsche Sozialdemokratie zeichnet sich durch ein humanistisches Menschenbild aus. Weiter strebt sie grundsätzlich einen gesellschaftlichen Wandel hin zu einer solidarischen und pluralistischen Gesellschaft an, in der jeder Mensch gleiche Chancen und ein Maß an Freiheit und Wohlfahrt genießt. Wesentliche sozialdemokratische Theoretiker, so z.B. Karl Kautsky sahen dieses Gesellschaftsbild als Utopie an, womit sich innerhalb der sozialdemokratisch geprägten Organisationen zunehmend der Gedanke vom Weg als Ziel durchsetzte.

Auch wenn das Staatsbild der Sozialdemokraten erheblichen Veränderungen unterlag und unterliegt, so lässt sich heute sagen, dass die Sozialdemokraten den Staat in der sozialen Hauptverantwortung sehen. Nach deutscher Ansicht hat er die Aufgabe die Wurzeln von sozialer Ungerechtigkeit zu beseitigen, während skandinavische Sozialdemokraten eine Umverteiligung anstreben (Wohlfahrtsstaat). Angelsächsische Sozialdemokraten sehen die Aufgabe des Staates darin, die Wirtschaft anzuleiten und die Fürsorge für ihre Arbeiter zu übernehmen," berichtet die Internetenzyklopädie Wikipedia.

Natürlich kann ein solcher Text nur eine Einführung in die Materie sein. Wer mehr über die sozialdemokratische Theorie erfahren möchte, sei an die jeweilige politikwissenschaftliche Fachliteratur verwiesen.

Wie sieht die Situation bei uns in Duisburg aus? Blick wir zurück in die Vergangenheit. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Duisburg über Jahrzehnte hinweg von SPD`lern regiert. Wer ein dementsprechendes Parteibuch hatte, konnte sein Kind leicht mit Ausbildungsstelle und Arbeitsplatz in Stadtverwaltung und stärischen Betrieben unterbringen - so wurde es zumindest oft in der Bevölkerung vermutet. Spitze Zugen vermuteten auch, daß verdiente Genossen mit lukrativen Posten versorgt wurden. Was von diesem Gerede zu halten ist, sei einmal dahingestellt. Ein gutes Zeichen ist es nicht, daß so geredet wird. Ob die Sozialdemokraten aus ihrer Niederlage bei den Kommunalwahlen 2004 gelernt haben und inzwischen wieder politikfähig geworden sind, kann ja jeder Leser selbst entscheiden.

Dies führt zu der Frage: Wie sieht der ideale Sozialdemokrat aus? Welche politischen Ideale vertritt er, zumindest auf kommunalpolitischer Eben? Dazu sollen hier einige Überlegungen angestellt werden.

Erste Erkenntnis: Auch in klassisch industriell geprägten Städten wie Duisburg gibt es die klassische Arbeiterschaft nicht mehr. Die "Klassen" gibt es im allgemeinen Sprachgebrauch nicht mehr; es wird heute von Schichten und Milieus gesprochen. Die Begrifflichkeiten haben sich also geändert. Ist der Sozialdemokratie also das Klientel abhandengekommen? Oder hat es sich nur geändert? Vermutlich letzteres. Wer könnte heute dazu gehören? Familien, Arbeitnehmer allgemein, Geringverdiener, Arbeitslose, Rentern, Schwerbehinderte und andere hilfsbedürftige Bevölkerungsgruppen können zur Zielgruppe der Sozuialdemokratie gehören. Die Frage nach sozialer Gerechtigkeit wird im obigen Text nicht weiter definiert. Schon allein wegen ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten und Begabungen kann nur eingeschränkt von der Gleichheit aller Menschen gesprochen werden. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, die gerechte Bezahlung von Arbeit, der Einsatz je nach Befähigung und Leistung, die Bereitstellung von Arbeitsplätzen nicht nur auf dem zweiten, sondern auch auf dem ersten Arbeitsmarkt, die Bereitstellung von allgemienen und beruflichen Bildungsmöglichkeiten, die Schaffung angemessener städtischer Infrastrukturen sowie die Teilhabe der Bevölkerung an allen Entscheidungsprozessen, die sich selbst direkt betrifft - dies können Ideale sozialer und demokratischer, also sozialdemokratischer Komunalpolitik nicht nur bei uns in Duisburg, sondern auch in anderen Städten sein. Daß der faire Umgang mit dem politischen Gegner und die sachorientierte Lösung von Problem dazugehört, braucht wohl nicht besonders ewähnt zu werden.

Sie merken es, liebe Leser: Ich kann hier ein Ideal beschreiben und die praktische Umsetzung den Realpolitikern überlassen. Ich kann es mir einfach machen und Sachen fordern, über deren praktische und finanzielle Umsetzung ich mir keine Gedanken machen muß. Eine Anforderung richte ich dabei aber an die Damen und Herren sozialdemokratischer Lokalpolitiker: Sie müssen öffentlich darüber wahrnehmen, welche Ideale dieser Ideale sie in die Praxis umsetzen möchten. Wie möchten sie Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt schaffen? Wie möchten sie ausreichend Ausbildunsplätze vor Ort bereitstellen? Welche VOrbildfunktion haben dabei städtisch-staatliche Arbeitgeber - ist ihnen alles erlaubt, was betriebswirtschaftlich sinnvoll ist? Wie soll vor Ort die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften aussehen? Wie kann deren Position gestärkt werden, so daß die Arbeitnehmer schon allein ihre formalen Rechte (z. B. Einhaltung von gesetzlich verbrieften Rechten und Tarifverträe, Einhaltung von gewerkschaftlichen Rechten wie etwa dem Zugang zu Betrieben und der Gründung von Betriebsräten) durchsetzen könenn? Allein dies sind schon Fragen, auf die vor Ort geachtet werden muß.

Ob man seine Ideal am praktisch Machbaren orientiert oder ob man zuerst die Ideale aufstellt und dann schaut, wie man sie umsetzen kann, ist sicherlich eine Frage, die die Politik für sich selbst beantworten muß. Natürlich spielen die Gegebenheiten vor Ort eine zentrale Rolle. Natürlich kann nicht jede Stadt alle Probleme alleine lösen. Die Zusammenarbeit mit den anderne Kommunen in der Region sollte genauso selbstverständlich sein wie die Zusammenarbeit mit berufsständischen Verbänden (wie beispielsweise Innungen, Arbeitgeberverbänden und Fachinitiativen). Man ist schließlich nur gemeinsam stark.

Wie sozial drfen Sozialdemokraten sein? Sozial um jeden Preis? Oder muß auch darauf geachtet werden, wie gerecht sie ist? Wohlstand kann nur dann verteilt werden, wenn er erwirtschaftet wird und etwas zu verteilen gibt. Hört sich banal an, nicht wahr? Die Verteilungsgerechtigkeit wird aber spätestens dann drängend, wenn es darum geht, in welchem Umfang Arbeit steuerlich belastet wird. Dies betrifft nicht nur die arbeitnehmerbezogenen und Unternehmenssteuern. Es hat auch einen ordnungspolitischen Charakter. Inweiweit werden Arbeitsschutzvorschriften überwacht? Werden arbeitstechnische Anlagen überprüft? Wird sichergestellt, daß relevante Gesetze eingehalten werden - das Lebensmittelrecht, Hygienevorschriften sowie das Umwelt- und Naturschutzrecht seien hier als Beispiele genannt.

Hiermit soll nicht etwa einer überschäumenden Bürokratie Vorschub geleistet werden. Viele staatlichen Vorschriften dienen ja auch der Sicherheit und Gesunderhaltung. Gefahrenabwehr und Gesundheitsschutz sind schützenswerte Güter, die auch im Interesse von seriösen Unternehmen liegen. Hier ist auf eine funktionierende staatliche Verwaltung zu achten.

Eine Stadt kann Steuern um jeden Preis erfinden, nur um ihren Stadtsäckel zu füllen. Man kann Luxus genauso besteuern wie hohe Einkommen. Man kann Arbeit und Dienstleistungen genauso besteuern wie die Nichtmitgliedschaft in einer Kirche (wegen der fehlenden Förderung sozialer Arbeit). Dann müssen aber auch die Vorzüge einer Stadt herausgearbeitet werden. Wo sind ihre Vorzüge? Wo ist ihre Einzigarbeitgkeit? Welche Schäwchen müssen beseitigt werden? Soziale Arbeit meint dann auch, die Konkurrenz anderer Kommunen anzunehmen und für attraktive Lebensverhältnisse zu sorgen. Gerade deise Verbindung aus Arbeit und Freizeit, politischer Teilhabe und gesellschaftlichem Engagement wird die Herausforderung der Zukunft sein.

Autor:

Andreas Rüdig aus Duisburg

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