"Lassen Sie uns in Ruhe unsere Arbeit tun" - Null-Toleranz-Haltung bei Behinderungen und Angriffen auf Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr
Zurzeit gibt es vielerorts Meldungen über Belästigungen, Behinderungen und sogar tätlichen Angriffen beim Einsatz von Polizistinnen und Polizisten, Feuerwehr und Mitarbeitern des Ordnungsamtes. Unsere Redaktion wollte wissen, wie das in Duisburg aussieht und ob es auch hier entsprechende Vorfälle gab.
Oberbürgermeister Sören Link hat eine klare Haltung und bestätigt, dass die Stadt an ihrer Null-Toleranz-Politik gegenüber Massenaufläufen, die Einsatzkräfte bei ihrer wichtigen Arbeit hindern, kompromisslos festhält. So etwas könne und werde sich die Gesellschaft nicht bieten lassen.
Im ganzen Land ist die Problematik bekannt. Längst, teilweise von der Öffentlichkeit nicht immer wahrgenommen, würden vorbeugende Gegenmaßnahmen ergriffen. Auch in Duisburg will man keinesfalls warten, bis noch Schlimmeres passiert. Fakt sei allerdings, dass gemäß den aktuellen Statistiken etwa bei Einsätzen der Feuerwehr und Rettungsdienste die Zahl an Übergriffen auf Einsatzkräfte im letzten Jahr stagniere, auch wenn Ereignisse wie in Düsseldorf oder Wuppertal einen anderen Einruck entstehen lassen.
Von Beschimpfungen bis zur Körperverletzung
Thorsten Brinks, stellvertretender Sachgebietsleiter Rettungsdienst beim Feuer- und Zivilschutzamt der Stadt, hat konkrete Zahlen bei der Hand: „2017 wurden insgesamt 22 Fälle dokumentiert, bei denen neun Kollegen und Kolleginnen verletzt wurden. Dabei reichte die Bandbreite von Beschimpfungen und Bedrohungen bis hin zur Körperverletzung.“
Die Feuerwehr Duisburg habe in den letzten Jahren auf die Situation schon entsprechend reagiert und imitierte neben einem Meldesystem auch einsatztaktische, sowie Schulungsmaßnahmen für das eingesetzte Personal. Brinks, der auch Ausbildungsleiter an der Rettungsassistenschule ist: „Neben einer Sensibilisierung der Kollegen finden vor allem Trainingseinheiten im Bereich der Deeskalation und der Interkulturellen Kompetenz statt.“
Eigenschutz hat absolute Priorität
Ferner verfolge die Stadt Duisburg tatsächlich eine Null-Toleranz-Haltung gegenüber den Tätern. Sämtliche Vorkommnisse würden zur Anzeige gebracht. Den betroffenen Kollegen steht ferner ein „Nachsorgeteam“ zur Verfügung. Im Hinblick auf eskalierende Situationen gilt nach Brinks Worten „aber weiterhin und unmissverständlich die absolute Priorität dem Eigenschutz der eingesetzten Mitarbeiter. Notfalls ziehen sich bedrohte Kollegen in Sicherheit zurück, bis die Polizei die Lage unter Kontrolle gebracht hat.“
Über die Gesamtentwicklung zeigt sich auch Duisburgs Polizeipräsidentin Dr. Elke Bartels durchaus beunruhigt, obgleich es in unserer Stadt noch nicht zu tätlichen Übergriffen auf Polizeibeamten kam. Bartels: „Bis November hatte wir über 200 Fälle von Widerstand gegen die Staatsgewalt. Die Täter sind meist alkoholisiert, unter 25 Jahre alt und oft mit Migrationshintergrund. Über reine Belästigungen gibt es keine Statistik.“
Eskalierende Situationen sind nichts Neues
Natürlich, so die Polizeipräsidentin, sei das Ganze ein Thema und es würden Überlegungen ins Auge gefasst und auch schon konkrete Maßnahmen ergriffen, dem vorzubeugen: „Wir betrachten diese Entwicklung mit Sorge, gehen aber einsatztaktisch entsprechend vor. Beispielsweise entsenden wir bei Einsätzen, die Auseinandersetzungen beinhalten, direkt mehrere Streifenwagen.“
Die teilweise eskalierenden Situationen sind nichts Neues und in Städten und anderen Ballungsgebieten weitaus gravierender. Zudem beträfen sie nicht nur die Polizei, sondern etwa auch Feuerwehr, Kranken- und Sanitätsdienste. „Selbstverständlich stehen wir in engem Kontakt zur Feuerwehr.“
Problematisch ist für sie, wie in anderen Städten auch, die zunehmende Zahl von Gaffern, die die Arbeit der Polizei und die Arbeit der Rettungskräfte behindern. Erika Bartels zu unserer Zeitung: „Ich appelliere daher an alle, lassen Sie uns in Ruhe arbeiten, oft zählt jede Minute und Sie können auch selbst derjenige sein, der schnelle Hilfe benötigt.“
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Weitere Informationen – Studie zeigt Handlungsbedarf
Über die Häufigkeit gewaltsamer Übergriffe auf Feuerwehr- und Rettungskräfte in NRW und den nötigen Handlungsbedarf gibt eine Ende Januar in Münster veröffentlichte Studie mit Beteiligung der kombagewerkschaft nrw nun Aufschluss.
26 Prozent der Rettungskräfte sind in den vergangenen zwölf Monaten Opfer von körperlicher Gewalt im Einsatz geworden, bei den Feuerwehrkräften sind es 2 Prozent. Deutlich höher liegt mit 92 Prozent (Rettungsdienst) und 36 Prozent (Feuerwehr) die Zahl der verbalen und mit 75 Prozent (Rettungsdienst) und 29 Prozent (Feuerwehr) der nonverbalen Übergriffe.
Angriffe sind völlig inakzeptabel
Besonders besorgniserregend: Etwa 80 Prozent der Einsatzkräfte meldeten solche nonverbalen und verbalen Ausbrüche erst gar nicht „Jegliche Angriffe auf Helferinnen und Helfer sind völlig inakzeptabel. Wir appellieren an Kolleginnen und Kollegen, aber auch die Führungskräfte, jeden Vorfall zu melden und diesen auch tatsächlich weiter zu verfolgen“, bekräftigt Andreas Hemsing, Landesvorsitzender der komba nrw.
Die Studienergebnisse zeigen nicht nur Handlungsbedarf in Form einer Verbesserung des Meldewesens, sondern darüber hinaus in den Aus- und Fortbildungen zum Thema Gewaltprävention. „Die nächste Etappe lautet nun: Raus aus der Theorie, rein in die praktische Umsetzung. Gemeinsam mit Politik, kommunalen Spitzenverbänden, dem Verband der Feuerwehren, Hilfsorganisationen, Arbeitgebern und Dienstherren müssen wir die Studienergebnisse nutzen und Maßnahmen umsetzen, um die Übergriffe auf Feuerwehr- und Rettungskräfte zu minimieren“, sagt Hemsing.
Selbstloser Einsatz für andere
Neben ganz konkreten Präventionsmaßnahmen betont die komba gewerkschaft nrw noch einen weiteren, wichtigen Aspekt. „Sämtliche Schritte müssen von einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion begleitet werden. Die Einsatzkräfte helfen und stehen selbstlos für andere ein. Sie dürfen nicht zur Zielscheibe von Aggression werden. Sie verdienen unser aller Respekt und unsere Wertschätzung“, fordert Hemsing.
Im Zeitraum von Mai bis Juni 2017 befragte der Lehrstuhl für Kriminologie der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag des nordrheinwestfälischen Ministeriums des Innern sowie des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales, der Unfallkasse NRW und der komba gewerkschaft nrw 4.500 Einsatzkräfte.
Die komplette Studie ist auf der Website der komba gewerkschaft nrw unter www.komba-nrw.de abrufbar.
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
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