Infektionsketten durchbrechen heißt: Testen, testen, testen und totaler Shut-Down
Es besteht in der Wissenschaft Einheit darüber,
• in der Bekämpfung der Corona-Pandemie kommt es entscheidend darauf an, die Infektionsketten zu unterbrechen mit dem Ziel, den Anstieg der Zahl der Infektionen zu verlangsamen - Stichwort: Verflachung der Kurve, um eine Überlastung der Krankenhäuser zu vermeiden
• die bisherigen Entscheidungen zur Eindämmung der Pandemie seien alle sehr spät bis zu spät, da die Maßnahmen erst mit einer Verzögerung von bis zu 14 Tagen greifen
• es ist wichtig, Massen-Tests auf Corona-Infektionen durchzuführen, um frühzeitig infizierte und Kontaktpersonen durch häusliche Quarantäne isolieren zu können
• Ausgangssperren sind kontraproduktiv, da die Ansteckungsgefahr in geschlossenen Räumen deutlich höher sind und für viele Menschen die Lebensbedingungen in ihren Wohnungen nicht geeignet sind, um diese über Wochen nicht verlassen zu können, ohne psychische Probleme zu bekommen.
Deswegen schlägt Prof. Kekulé, langjähriger Berater der Bundesregierung, vor, für zwei bis drei Wochen „alles in Deutschland stillzulegen“ - ein shut-down ohne Ausgangssperre, aber mit Auflagen für den Aufenthalt im Freien (2m Abstand). Das schließt ein, sämtliche Produktion und Logistikleistungen einzustellen - ausgenommen Lebensmittel, Gesundheitsversorgung und notwendige Infrastruktur (Gas, Wasser, Strom, Telekommunikation, …).
Nach einer Telefonkonferenz der Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Merkel wurde heute für NRW und entsprechend für alle übrigen Länder bestimmt:
Ansammlungen ab drei Personen in der Öffentlichkeit verboten - ausgenommen sind
• die Verwandten in gerader Linie, Ehegatten, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner sowie in häuslicher Gemeinschaft lebende Personen
• die Begleitung minderjähriger und unterstützungsbedürftiger Personen
• zwingend notwendige Zusammenkünfte aus geschäftlichen, beruflichen und dienstlichen sowie aus prüfungs- und betreuungsrelevanten Gründen
• die Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs bleibt zulässig.
Bereits in der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20.03.2020 heißt es:
„4. Das Verlassen der eigenen Wohnung ist nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt.
5. Triftige Gründe sind insbesondere:
a) die Ausübung beruflicher Tätigkeiten
b) …..
i) Sport und Bewegung an der frischen Luft, allerdings …. ohne jede sonstige Gruppenbildung
h) …“
Und damit sollen die Infektionsketten unterbrochen werden?!?
Im Freien 2m Abstand - im Betrieb Schulter an Schulter und Hand in Hand
Im Freien 2m Abstand - im ÖPNV zu Arbeitsbeginn und zu Feierabend Sitz an Sitz, denn der wurde bei den Regionalbahnen oder bei uns in Duisburg auf den Samstagsfahrplan runtergefahren.
Wie sollen so Infektionsketten durchbrochen werden? Die Arbeiterinnen und Arbeiter, die nach der Schicht nach Hause kommen, können sich auf der Arbeit oder auf dem Weg dorthin infizieren und dann? Ohne es zu merken, können sie den Virus zu Hause an andere Familienmitglieder, in Bus oder Bahn an Mitreisende oder Arbeitskollegen weitergeben.
Meine Nichte lebt mit ihren 3 schulpflichtigen Kindern im Münchner Umland. Die Schulen der Kinder sind geschlossen, ihr Mann arbeitet voll im Home-Office. Sie arbeitet bei der Stadt München und fährt mit dem ÖPNV zur Arbeit. Stand gestern arbeitet sie 2 Tage im Home-Office und 2 Tage im Büro. Hier gibt es zwei Tage die Woche mögliche Infektionsketten. Bei den Arbeitern in der Elektroindustrie, der chemischen Industrie oder bei uns der Stahlindustrie ist das werktäglich so. Was bringt da Söders so hoch gelobte „Vorläufige Ausgangsbeschränkung“ oder das „Kontaktverbot“ im privaten Bereich?!?
Deswegen:
Sofortige Stilllegung der Industrieproduktion, Logistik, und Verwaltung, sofern es nicht gesellschaftlich notwendige Versorgungsgüter, Notmaßnahmen oder Infrastruktur betrifft!
Das Beispiel Italien zeigt das sehr anschaulich: In der Industrieregion der Lombardei wurde die erste Corona-Infektion registriert. Bereits am 23.2. waren 130 Personen positiv getestet worden und eine Person gestorben. Die Regierung riegelte Städte in der Lombardei und Venetien ab, die Industrie produzierte weiter. Erst heute, am 22.3. - fast einen Monat und 5.475 Tote in Italien später - schloss die italienische Regierung die Industriebetriebe. Die Neuinfektionen explodieren.
Um die Infektionsketten effektiv unterbrechen zu können, müssen sie konkret erkannt werden. Das geht nur über die Durchführung systematisch und breit angelegter Untersuchungen auf Corona-Infektionen in der Bevölkerung. Dann können durch häusliche Quarantäne der Infizierten und ihrer unmittelbaren Kontaktpersonen Infektionsketten möglichst früh und breit unterbrochen werden. So fordert die WHO, sich darauf zu konzentrieren, „… die Kranken mit Infektionen zu finden und sie zu isolieren“. Es gibt aber viel zu wenig medizinische Sichtungszentren. Hinzu kommt, dass mancherorts diese Sichtungszentren nicht darauf ausgerichtet sind, die ankommenden und wartenden Patienten ausreichend voneinander zu trennen. In Süd-Korea gibt es Corona-Tests in Drive-in-Stationen, so dass diese Probleme kaum auftreten und Infizierte frühzeitig erkannt und unter Quarantäne gesetzt werden können. Bei uns braucht es das Auftreten eindeutiger Symptome - und das tritt bei manchen Infizierten überhaupt nicht ein - um zu handeln! Warum gibt es keine systematisch und breit angelegte Schnelltests auf Corona?
Das Beispiel Italien macht eine weitere Seite deutlich, das Gesundheitssystem hat keine Puffer und ist in weiten Bereichen extrem auf „Kante genäht“. So fehlen heute z.T. in der Corona-Behandlung die geeigneten FFP-Schutzmasken, weil viel zu wenige eingeplant waren. Damit ist die Infizierung von Pflegepersonal vorprogrammiert. Das ist Ergebnis der Privatisierung und der Ausrichtung des Gesundheitswesens auf die Erzielung von Maximalprofit statt auf die optimale Versorgung der Bevölkerung. Es ist nicht in der Lage, mit so einer Pandemie, die nicht mit allerschärfster Konsequenz eingeschränkt wird, fertig zu werden. Wenn sich jetzt in 14 Tagen herausstellt, die heute getroffenen Maßnahmen haben die Infektionsketten nicht ausreichend durchbrechen können, dann werden unsere Krankenhäuser der Flut schwerer Krankheitsverläufe nicht mehr Herr werden können und unsere Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger erschöpft und psychisch ausgelaugt dieser Situation gegenüber stehen.
Deswegen muss unverzüglich daran gegangen werden, entsprechend der aktuellen Analyse des wissenschaftlichen Instituts der AOK vom März diesen Jahres 150.000 neue Arbeitsplätze im Gesundheitswesen zu schaffen und die Plätze auf den Intensivstationen und die Ausbildungsplätze in der Pflege zu verdoppeln.
Autor:Claus Thies aus Duisburg |
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