Wir gehen und bleiben doch!
Es ist ein Abschied, aber nicht für immer.

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Ladenprojekt 47 schließt!
Wie einige vielleicht schon mitbekommen haben, endet unser Mietvertrag in der Münzstraße 47 am 31.12.
Während die Verhandlungen der Stadt um ein Soziokulturelles Zentrum sich weiter in die Länge ziehen, sehen wir uns nicht in der Lage auf Basis von Spenden und ehrenamtlicher Arbeit unser vielfältiges Programm auf 120m² aufrecht zu erhalten und dafür monatlich über 800€ Miete zu zahlen. Wir brauchen einen größeren Raum! Wir brauchen mehrere Räume! Wir brauchen finanzielle Mittel für bezahlte soziokulturelle Arbeit!
Wir fordern von der Stadt Duisburg ihr Versprechen ein: Soziokulturelles Zentrum, jetzt!
Unser Projekt war von Anfang an als Modell gedacht.
Wir wollten zeigen: Hey Duisburg, du brauchst kreative Freiräume! Selbstverwaltet, basisdemokratisch und unkommerziell!
Wir haben mit unseren begrenzten Mitteln und umso größerem Engagement gezeigt, was mit einer aktiven städtischen Zivilgesellschaft alles möglich wäre,
wieviel interkultureller Austausch in den Ideen der Bewohner*innen unserer Stadt schlummert - während der eingerostete und unbewegliche Staat teilhabegerechte "Integration" versäumt, sicheres Ankommen verhindert, und stattdessen Finanzmittel in die Abschottung und Abschiebung von Menschen steckt.
Jetzt schließen wir also unseren Projektladen 47 mit einem weinenden und einem lachenden Auge.
- Einerseits mit der Erfahrung, dass alleine die Ladenmiete von 120qm für ein leerstehendes Lokal in einer ausgestorbenen Altstadt so viel Geld auffrisst, wie über 50 engagierte Menschen und hunderte trinkfreudige Gäste auf unkommerzielle Weise aufbringen können. Jeder übrig gebliebene Euro ging letztlich an den Eigentümer bzw. Verwalter des Gebäudes. Einfach so. Der Typ, der das Privateigentum erfunden hat, muss Vermieter gewesen sein...
Das zeigt, wie sehr die Notwendigkeit, Profit zu erwirtschaften, die Menschen in ihren Handlungsmöglichkeiten beschränkt.
Und dann auch noch dieser Move vom Ordnungsamt! Gehts noch, Duisburg? Was fällt euch überhaupt ein hier unangekündigt reinzukommen, Fotos zu machen, Leute rauszuschmeißen und den Laden zu versiegeln?
Jetzt wird das Ladenlokal, wie so viele in der Nachbarschaft, wieder leer stehen...
Stattdessen sollten Leerstände zu Nebenkosten an soziokulturelle Projekte, Künstler*innen und Nachbarschaftsinitiativen vergeben werden!
- Zudem bräuchte es Fördermittel für die Strukturen von soziokulturellen Orten. Wir haben uns immer wieder über Projekt-Fördermittel überwasser gehalten, mit denen wir zwar Honorare an Künstler*innen und Vortragende zahlen konnten, die Ladenmiete jedoch nicht gefördert wurde.
Daher fordern wir endlich eine Strukturförderung für die "kleine Orte und freie Kollektive" der Soziokultur-Szene.
- Außerdem waren wir als Projektladen mit Umsonst-Regal für Sachspenden und Kaffee für lau immer auch ein Anlaufpunkt für wohnungslose Menschen, die in der Münzstraße des öfteren vom Ordnungsamt vertrieben wurden - und scheinbar sonst nirgendwo Orte finden, an denen sie im Sommer ihre Wasserflasche auffüllen können. Wir erwarten von der Stadt Anlaufstellen für wohnungslose Menschen statt Verdrängung.
- Letztlich müssen wir festhalten, dass die ursprüngliche Idee eines solidarischen Ankunfts-Ortes für Geflüchtete sich nur schwierig verwirklichen ließ.
Neben den hier gefestigten Freundschaften, die schon vor der Ladengründung entstanden sind, haben wir es leider - auch gemeinsam - nur selten geschafft, neu zugezogene Menschen in das Ladenprojekt einzubinden. Das mag viele Gründe haben. Zum einen scheinen viele Menschen wenig positive Erfahrungen wirklicher Teilhabe in Projekten unter dem Label der "Wilkommenskultur" gemacht zu haben. Zum anderen müssen wir festhalten: soziales und kulturelles Engagement in der Freizeit? Das ist ein Privileg. Wer hat dafür schon Zeit?!
Alles in allem schließen wir mit dem Gefühl: Chance vertan! So Projekte wie das 47 hätte Duisburg vor 4 Jahren gebraucht, als die Menschen angekommen sind.
Doch nun zum positiven:
Denn andererseits liegt ein Jahr mit (nachgezählt) 308 Veranstaltungen von mehr als 47 Gastgeber*innen mit 4 bis 100 Besucher*innen hinter uns:
Ob Jamsessions, Elterncafé, politische Diskussionsveranstaltungen, wissenschaftliche Vorträge, Uni-Seminare, Hausaufgabenhilfe, Filmabende, Kneipenabende, Geburtstagspartys, Ausstellungen, Kreativworkshops, Yoga-Kurse, Co-working space, DJ Workshops, Initiativentreffen oder Vereinsgründungsversammlung... wir haben vieles realisiert, was uns einfach so eingefallen ist. Einfach so zum Spaß!
Wir haben mit der Akzente-Woche im April die Diskussion um das Soziokulturelle Zentrum weiter vorangetrieben. Wir haben uns gegen Nazis vor der Haustür gewehrt und sind dabei mit vielen netten Nachbar*innen in Kontakt gekommen. Wir haben aggressive Nachbarn beschwichtigt, die nicht mit uns tanzen wollten. Wir haben neugierige Passant*innen ("wat ist dat denn hier?") und auch Institutionen der Stadt auf nen Kaffee eingeladen, um mal zu verstehen "was diese Soziokultur sein soll, von der die jungen Leute immer reden" - nicht alle haben es auf Anhieb verstanden...
Wir haben im achten (!) Versuch den Passierschein A38 beim Finanzamt bekommen und einen gemeinnützigen Verein gegründet. Wir haben im Juni eine Crowdfunding-Kampagne gefahren.
und einen super tollen Film über das 47 gedreht, den Ihr euch hier gerne noch mal anschauen könnt: Projekt 47
Vor allem aber haben wir viel gelernt. Wie verhält man sich im Plenum mit 50 unterschiedlichen Leuten? Wie reagiert man, wenn ein Macker Typ im Laden rumschreit und Leute rassistisch beleidigt? Wie schreibt man Fördermittel-Projektanträge und wie rechnet man das nachher richtig ab? Wer putzt denn eigentlich den Laden regelmäßig, wenn niemand Geld bekommt? Wie reagieren wir auf die unzähligen Anfragen, bei uns Heavy-Metal Konzerte oder Kunstausstellungen zu veranstalten, wo es doch leider in Duisburg keine Räume gibt? Wer druckt eigentlich die Programmflyer dann auch aus und bringt sie ins Syntopia etc.? Wie gehen wir mit Situationen um, in denen die Hälfte der Aktiven total überlastet sind? (3 Monate Sommerpause!)
Alles in allem haben wir gelernt, dass wir den Bedarf dieser Stadt an Unterstützungsangeboten und kulturellen Freiräumen nicht stemmen können.
Schon gar nicht auf 120 Quadratmetern, schon gar nicht dauerhaft auf der Basis von jährlich über viertausend(!)
Stunden unbezahlter ehrenamtlicher Arbeit.
Um es noch mal zu wiederholen: Eines hat unser Projekt gezeigt: Es braucht endlich ein Soziokulturelles Zentrum in Duisburg - und zwar jetzt!
So oder so - wir sehen uns nächstes Jahr im Stapeltor!

#Soziokulturjetzt
#RechtaufStadt

Autor:

chris brücker aus Duisburg

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