Duisburg, wohin - die Kanzelrede

"Duisburg, wohin?" lautete der Titel der Kanzelrede, die Oberbürgermeister Sören Link am Sonntag, dem 10. November 2013 um 17 Uhr in der Salvatorkirche hielt.

Sehr gut besucht ist die Veranstaltung. Die Bänke sind bis auf den letzten Platz besetzt.

Im November wird oft genug darüber nachgedacht, wie und wohin es im Leben weitergeht. Die Bibel gibt ein Ziel vor, nämlich das himmlische Jerusalem, was stellvertretend für eine neue Erde und einen neuen Himmel steht. So heißt es in der Hinführung zu der Kanzelrede.

Kümmere dich nicht um den morgigen Tag, denn du weißt nicht, was der heutige Tag bringt. Diesen Satz aus dem Buch der Sprüche (im Alten Testament) wählt Link als EInstieg.

Er möchte nach eigenen Worten einen Weg beschreiben, den er ohne bürgerschaftliches Engagement nicht alleine gehen kann. Er alleine kann nicht entscheiden, wohin Duisburg gehen kann und soll. "Wir suchen die zukünftige Stadt, nicht die heutige Stadt. So steht es im Hebräer-Brief," betont Link erstaunlich bibelfest.

"Ich kann nicht die Stadt, in der Milch und Honig fließt, versprechen. Was müssen, was können wir tun? Wir haben viele Probleme," betont Link und nennt Beispiele wie die Mercatorhalle, den MSV, die Zuwanderung aus Südosteuropa und die hohe Arbeitslosigkeit.

"Die Stadt hat aber Potential und Chancen," betont Link und: "Die Stadt lag immer wieder am Boden und hat sich trotzdem immer wieder aufgerichtet. Duisburg hat die Chance auf ein Comeback. Wir sind nicht schlechter als andere Städte.

Drei Punkte stehen nach seinen Worten an vorderster Stelle, wenn es darum geht, eine lebens- und liebenswerte Stadt zu beschreiben - Link nennt, wie schon aus seinem politischen Programm bekannt, Bildung, Finanzen und Infrastruktur.

"Bildung ist Teilhabe" lautet sein Credo. Die Sozial-, Wirtschafts-, Arbeits- und Strukturpolitik gehoren dazu. "Bildung ist ein Standortfaktor für Unternehmen. Es geht um die Konkurrenfähigkeit Duisburgs im Vergleich mit anderen Städten und um den Kampf um die Köpfe."

"Es darf niemand zurückgelassen werden," betont Link immer wieder, nur um einräumen zu müssen: "Viele Jugendliche haben bei uns in Duisburg keinen Abschluß; wir stehen in dieser Hinsicht schlecht da."

Die Bildung von heute ist nach den Worten von Linkt auch eine gezielte Investition in die Zukunft: "So werden die Sozialleistungen der Zukunft vermeiden."

Als Oberbürgermeister kann Sören Link aber auch schon Erfolge vorweisen: "Wir sind die einzige Großstadt in Nordrhein-Westfalen ohne Klagen von Eltern, wenn es um die Betreuungsplätze für Kinder geht. Viele Kinder haben einen Bibliotheksausweise und können so die Welt der Bildung erschließen. Der Einstieg in die Berufsausbildung soll so einfach wie möglich sein. Das Projekt KAOA - Kein Anschluß ohne Abschluß sei hier als Beispiel genannt."

Geht es nach ihm, sollen auch Langzeitarbeitslose und Bildungsferne eine 2. Chance erhalten. "Wir brauchen qualifzierten Nachwuchs. Wir profitieren von der Freizügigkeit in Europa, die vor 100 Jahren noch unvorstellbar war."

Die Bulgaren und Rumänen, die konzentriert nach Duisburg gekommen sind, sind nach Links Worten eine soziale Herausforderung. "Sie sind gekommen, um Diskriminierung und Armut zu entgehen. Duisburg arbeitet am Rande seiner Leistungsfähigkeit, um zu helfen. Wir packen an, wo wir können. Wir können aber nicht die sozialen Probleme in Rumänien und Bulgarien lösen."

Er weist auch deutlich darauf hin, "daß rechte Sprüchklopfer ein Teil des Problems sind. Duisburg ist eine solidarische Stadt. Das Grundrecht auf Asyl gilt auch weiterhin und wird nicht den rechten Parolen geopfert."

Auf politischer Ebene fordert Link als Oberbürgermeister Hilfe von Bund, Land und Europa ein, weist aber auch darauf hin, daß im privaten Bereich beispielsweise die Eltern im Bereich des Spracherwerbs gefordert sind.

"Die Stadt hat viele Schulden angehäuft. Es sind aber unser aller Schulden, nicht die vom Oberbürgermeister, vom Kämmerer oder der abstrakten Behörde Duisburg. Der Stärkungspakt des Landes hilft der Stadt, nicht am Tropf zu hängen, sondern selbst entscheiden zu können. Die Voraussetzung ist: Wir müssen sparen. Als Duisburger sollten wir nicht lamentieren, sondern zusammenrücken. Wir mssen in die Zukunftsfähigkeit investieren und bewußte Investitionen in die Bildung und Infrastruktur tätigen. Sparvorschläge gehören jedes Jahr auf den Prüfstand. Machen sie Sinn? Sind sie der Bevölkerung zu vermitteln? Es ist ein schwieriger Prozeß, um der Schuldenfalle zu entkommen. Die Bundesregierung muß mehr Geld in eine Region wie das Ruhrgebiet geben. Themen wie die Zuwanderung oder der Straßenbau können nicht alleine gestemmt werden. Duisburg war nicht professionell aufgestellt, was die Drittmittelakquise und Sponsoring - zum Beispiel durch Stiftungen - anbelangt. Ich habe eine Stabsstelle eingerichtet, die sich um diese Art der Geldbeschaffung kümmern soll."

Warum lebt ein Mensch gerne in "seiner" Stadt. Mit dieser Frage steigt Link in den Bereich der Infrastruktur ein. Und gibt auch die dazugehörigen Antworten: "Familie und Freunde sind selbstverständlich. Bezahlbarer Wohnraum, Arbeit, Kultur und Freizeit kommen hinzu." Im Bereich der Kultur und Freizeit kann er auf Erfolge verweisen - DKM, Küppersmühle, Deutsche Oper am Rhein, Lehmbruck-Museum, Sportpark und Theater seien hier als Beispiele genannt.

"Der Grüngürtel in Bruckhausen ist ein Ansatz, um die Schnittstelle Industrie und Wohnen aufzulösen." Im Bereich barrierefreies und seniorengerechtes Wohnen kann die Anpassung an veränderte Ansprüche an Wohnraum erfolgen.

Duisburg wird Einwohner verlieren. Dies ist nach Links Worten absehbar. "Der demographische Wandel bietet aber auch Chancen, etwa durch den Rückbau überflüssiger Infrastruktur. Einwohner sollen in Duisburg gehalten, wenn nicht gar beispielsweise aus dem Düsseldorfer Norden gewonnen werden."

An einigen Stellen ist Links Vortrag lückenhaft. Er geht inhaltlich nicht auf seinen wirtschaftspolitischen Ansatz ein. Aus der Berichterstattung von WAZ und NRZ aus der Woche davor wissen wir um die Bedeutung des Duisburger Hafens. Es sei die Frage erlaubt, ob sich Duisburg wieder in die Falle der Monostruktur - dieses Mal die Logistik - begeben möchte?

Diversifikation könnte ein Schlaglicht lauten, also möglichst viele Standbeine, auf denen die wirtschaftliche Infrastruktur steht. Bereiche wie das Veranstaltungsmanagement, der Tourismus, Bekleidungsindustrie, Musikinstrumentenbau oder die Lebensmittelbranche waren bislang in Duisburg noch unterrepräsentiert (sie seien hier als Beispiele genannt). Bemüht sich unser aller Oberbürgermeister darum, hier neue Unternehmen anzusiedeln? In seinem Vortrag berichtet er leider nichts darüber.

Die Tagesberichterstattung hat es in das Licht der Öffentlichkeit gezerrt: Die Unternehmen bilden zu wenig aus. Wie kann ihre Ausbildungsbereitschaft und Ausbildungsfähigkeit gesteigert werden? Können beispielsweise hier ansässige ausländische Unternehmen und Unternehmen, deren Leiter einen Migrationshintergrund haben, als Ausbildungsbetriebe gewonnen werden?

Ohne zu wissen, ob es den zeitlichen und inhaltlichen Rahmen sehr erweitert hätte, hätte der Vortrag an vielen Stellen genauer und präziser sein können, nein, sogar sein müssen.

Autor:

Andreas Rüdig aus Duisburg

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