Die Wut der Stahlarbeiter

Die Transparente sprechen Bände. Foto: Frank Preuß

"Wir wollen ein deutliches mächtiges Zeichen setzen für die Zukunft der Stahlindustrie in Deutschland", hatte Dieter Lieske, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Duisburg-Dinslaken, im Vorfeld des Stahlaktionstages verlauten lassen. Welcher Ort wäre dafür wohl besser geeignet als Duisburg, Europas größter Stahlstandort?

Billigstahl aus China, der den europäischen Markt überschwemmt, und neue Emissionsgesetze der EU, die allein die Duisburger Stahlindustrie mit Mehrkosten von mehreren hundert Millionen Euro belasten könnten: Das ist das Schreckensszenario, das die IG Metall im "Schicksalsjahr 2016" heraufbeschwört. „Dabei geht es uns nicht nur alleine um die 87.000 Beschäftigten der deutschen Stahlindustrie, sondern auch um die insgesamt 3,5 Millionen Menschen, die in Deutschland mit der Produktion und der Verarbeitung von Stahl und Stahlprodukten zu tun haben. Im Gegensatz zu Produktionsbedingungen in China und anderen asiatischen Ländern wird Stahl in Deutschland zu höchstmöglichen ökologischen Bedingungen produziert, belastet die Umwelt mit dem deutlich geringsten CO2-Ausstoß weltweit und ist als fast unendlich recycelbarer Werkstoff auch darüber hinaus ein ökologisches Hightechprodukt", so der Duisburger IG-Metall-Chef weiter.
Es dürften die wohl größten Proteste in der Stahlindustrie in Duisburg gewesen sein seit Rheinhausen in den 80er Jahren. Die Stahlarbeiter folgten der Marschroute ihrer Gewerkschaftsführung: Am Montagmittag sammelten sie sich am Treffpunkt in Beeck, dann setzte sich der Demonstrationszug Richtung Kundgebung an der Thyssen-Krupp-Steel-Europe-Hauptverwaltung an der Kaiser-Wilhelm-Straße in Bewegung. Das Besondere daran: Hier marschierten tatsächlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam. Denn ein Aus an Deutschlands größtem Stahlstandort mag sich niemand vorstellen. Viele betroffene Firmen sind Mitglieder des Unternehmerverbandes.

Viel Politprominenz

Wenn soviele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, ist die Politprominenz nicht weit. Nicht nur Oberbürgermeister Sören Link und sogar Alt-OB Josef Krings waren gekommen, sondern auch NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und sogar Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, die neben den Vertretern von IG Metall und dem Betriebsrat von Thyssen Krupp Steel Europe das Wort ergriffen. "Wir wollen, dass dieses Herz aus Stahl weiter schlägt", forderte Kraft in einer emotionalen Rede, während Parteikollege Gabriel einmal mehr die Dumping-Konkurrenz aus Asien kritisierte. Gabriels Forderung nach klaren Regelungen, "die auch die Chinesen verstehen", fiel bei den Zuhörern auf fruchtbaren Boden.
Die Gewerkschaftsführung sieht nun den Ball eindeutig auf dem Spielfeld der EU. "Ich denke, allein dass schon erheblich mehr Teilnehmer gekommen sind, als wir erwartet haben, nämlich 16.000 in Duisburg und 45.000 bundesweit, ist ein wichtiges Zeichen", so Heiko Reese von der IG-Metall-Vorstandsverwaltung. Ebenso vernünftige Regelungen müsse es nun bei der EU in Sachen CO2-Zertifikate geben: "Wir sagen Ja zum Klimaschutz, aber nicht zu einer Deindustrialisierung." Schließlich habe Deutschland die sauberste Stahlproduktion weltweit, verglichen mit China oder Indien. Anfang 2017 soll bei der EU die Entscheidung in Sachen Emissionsrecht fallen. "Dann wird sich zeigen, ob das Handelsschutzinstrument verschärft wird, um sich gegen Dumping-Importe zu wappnen", sagt Heiko Reese. "Aber wenn China den Marktwirtschaftsstatus zuerkannt bekommt, dann wird es für uns schwierig."

Autor:

Susanne Schmengler aus Duisburg

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