Kita-Leiterinnen haben ihre Sorgen erneut zu Papier gebracht
Der Minister hüllt sich in Schweigen
Die Leiterinnen der 13 Kindertageseinrichtungen des Evangelischen Bildungswerkes Duisburg (EBW) haben in der vorletzten April-Woche einen „Offenen Brief“ an NRW-Familienminister Dr. Joachim Stamp geschrieben, der zahlreiche Reaktionen hervorgerufen hat, nur nicht beim Minister selbst. Anlass für den Brief war nach Meinung der Kita-Leiterinnen eine „Halbherzigkeit in der Umsetzung der Bundesnotbremse“, die ihre Arbeit erschwere und belaste.
„Die sogenannte Notbremse war und ist keine Notbremse“, betont Monika Sens, Leiterin der Kita in Rahm und gleichzeitige Sprecherin der 13 „Kita-Chefinnen“. Denn das Ministerium hatte festgelegt, dass Eltern eine „Eigenerklärung“ abgeben können, dass die Inanspruchnahme der Notbetreuung in den Kindertageseinrichtungen „alternativlos“ sei. Monika Sens: „Die Notbremse soll laut Infektionsschutzgesetz dazu dienen, Kontakte zu reduzieren. Das passiert durch diese Form der Notbetreuung nicht in ausreichendem Maße, und das prangern wir weiterhin an. In nicht wenigen Kindertageseinrichtungen betreuen wir aktuell trotz Notbremse über 60 Prozent der Kinder.“ Das habe mit Kontaktreduzierung nur wenig zu tun.
Ähnlich sieht das auch Dr. Marcel Fischell, Geschäftsführer des EBW, der die Position seiner Mitarbeiterinnen nachhaltig unterstützt und wie diese dringend auf eine Reaktion des Ministeriums wartet. „In dieser dritten Welle der Pandemie, in der öffentlich und politisch eine Kontaktreduzierung gefordert und gesetzlich festgeschrieben wird, unterlässt die Landesregierung von NRW ein konsequentes Handeln für die Kindertageseinrichtungen und wiederholt lediglich einen Appell an die Eltern, ihre Kinder nur im äußersten Notfall in die Einrichtungen zu bringen“, sagt er im Gespräch mit dem Wochen-Anzeiger.
„Ein Schlag
ins Gesicht“
Diese liberale Regelung sei ein Schlag ins Gesicht vieler Erzieherinnen und Erzieher, da deren Interessen und Belange von der Landesregierung in dieser Form der "Notbetreuung" nicht wahrgenommen werden. Die Interessen der Eltern würden über die Interessen der Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen gestellt. „Wenn dann gleichzeitig die Teststrategie, die ebenfalls auf Freiwilligkeit beruht, nicht funktioniert, weil schlicht keine Selbsttests vor Ort ankommen, kann ich den Ärger und die Wut sehr gut verstehen“, ergänzt er.
Auch die Eltern sind aus seiner Sicht von dieser Regelung betroffen, da sie ein schlechtes Gewissen haben, wenn ihre Kinder die Betreuung doch in Anspruch nehmen müssen. Fischell wird konkret: „Dies müssten sie nicht haben, wenn klar und eindeutig geregelt wäre, welche Familien in welchen Situationen das Betreuungsangebot in Anspruch nehmen dürfen. Insofern überlässt die Landesregierung sowohl die Eltern als auch die Erzieherinnen und Erzieher sich selbst vor Ort.“ Angesichts der aktuell schwierigen und emotional angespannten Lage werde zudem das Verhältnis zwischen Eltern und der Kindertageseinrichtung durch diese „Nichtregulierung“ belastet.
Genau das haben auch Monika Sens und ihre Kolleginnen auf dem Schirm. „Die Gestaltung einer tragfähigen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften und Eltern zum Wohle der Kinder stellt die Grundlage unserer Arbeit dar“, sagt sie. Die Kita-Sprecherin im EBW, die lägst regen Zuspruch von anderen Trägern und Betroffenen erhalten hat, ergänzt: „Wir wissen durch Gespräche mit den Eltern unserer Einrichtungen, dass die Situationen für die Familien schwer sind. Wir und unsere Mitarbeitenden in den Kitas haben die gleichen Probleme, denn auch viele von uns sind Eltern. Was wir kritisieren, ist die Abwälzung der Verantwortung des politischen Mandatsträgers auf Eltern und Kindertageseinrichtungen.“
Abwälzung der
Verantwortung
Der Interessenskonflikt zwischen Arbeitgeber und Eltern als Arbeitnehmer werde über den Betreuungsbedarf in die Kindertageseinrichtungen transportiert. „Unsere Sorge“, so die Rahmer Kita-Leiterin weiter, „ist es, dass das Familienministerium mit seiner Umsetzung der Bundesnotbremse die monatelange Belastung der Eltern weiterführt, statt mit Konsequenz auch Druck auf die Arbeitgeber auszuüben. Nicht wenige Eltern stecken in dem Dilemma, dass Arbeitgeber keine Notwendigkeit sehen, Ihnen in der Gestaltung der Anforderungen durch Familie und Beruf zu Pandemiezeiten entgegen zu kommen, da sie ihre Kinder ja in die Notbetreuung geben können.“
Darüber hinaus könne man nicht nachvollziehen, wieso immer noch nicht alle Kindertageseinrichtungen im notwendigen und dringend benötigten Umfang mit den angekündigten Selbsttests beliefert werden. „Wir verstehen nicht, wieso die Landesregierung in NRW bei betonten nicht ausreichenden Laborkapazitäten die viel kindgerechteren Lollitests nicht primär den Kleinsten in den Kindertageseinrichtungen zur Verfügung stellt“, heißt es in erneuten Stellungnahme der Kita-Leiterinnen, mit der man das Familienministern noch einmal konfrontieren wird. Man wird auf jeden Fall nicht locker lassen, gemeinsam mit den Eltern, von denen man zurzeit eine große Wertschätzung erhält, eine Regelung zu erreichen, die der Realität entspricht. Vielleicht reagiert der Minister ja diesmal.
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
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