Wo sind die neuen Corona-Hotspots?
Betriebe und Schulen geöffnet - alle übrigen Bereiche zu, so klappt die Pandemiebekämpfung offensichtlich nicht!

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„Immer mehr Coronafälle und Quarantäne an den Schulen in NRW“ meldet die WAZ. Mit Stand 4.11. sind mehr als 3.660 Schüler in NRW mit Sars-Cov-2 infiziert, doppelt so viel, wie eine Woche zuvor. 50.152 Schüler und fast 3.500 Lehrer sind zudem in Quarantäne. Das führte dazu, dass 6 Schulen komplett geschlossen werden mussten. Nach 70 Teilschließungen in der Vorwoche mussten jetzt 552 Schulen teilweise geschlossen werden. Eine Steigerung von gut 700% und das genau 14 Tage nach den Herbstferien, wobei Kinder angeblich ja garnicht ansteckend seien.
Gleichzeitig untersagt Schulministerin Gebauer das „Solinger Modell“ des geteilten Unterrichts, um in den Klassen einen Mindestabstand gewährleisten zu können und den Aerosolausstoß pro Unterrichtsstunde senken zu können. Damit nicht genug: Auch „mit Vertretern von Schulen, Eltern, Gewerkschaften und Kommunen“ will sie nicht sprechen. ( … )
‚Wir führen laufend Gespräche mit allen Akteuren aus dem Schulbereich.‘“ tat sie in einem Interview am Wochenende kund. Wer sind denn diese Akteure? Offensichtlich nicht die, die sich vor Ort in den Schulen mit all den konkreten Fragen des Schutzes unserer Jugend auseinandersetzen müssen. Da bleiben dann ja nur „Akteure“ aus der Ministerialbürokratie und Institutionen außerhalb unserer Schulen. So eine Ministerin, die nicht einmal zu einem Gespräch mit den Betroffenen bereits ist, brauchen wir nicht!
Doch auch im Konkreten treiben die Maßnahmen seltsame Blüten. So ist bei uns in Duisburg die Gesamtschule Walsum Anfang November 15 Covid-19-Infektionen. Als vor den Herbstferien in einer 10. Klasse eine Covid-19-Infektion bekannt wurde, erhielten alle Schüler der Klasse eine SMS, in der es unter anderem hieß: „Leider müsst ihr nun auch alle in häusliche Quarantäne. Das bedeutet, dass ihr das Haus / die Wohnung NICHT verlassen dürft. ( … ) Personen die mit euch im Haushalt wohnen (Eltern, Geschwister, …) sind NICHT von der Quarantäne betroffen. ( … ) Wichtig ist, dass man vorsichtig ist, sich an die Regeln hält und schnellstmöglich testen lässt. Das wird aber auch in dem Schreiben des Gesundheitsamtes stehen.“ Gut war ja, dass die Schule sofort reagierte und nicht auf die Anweisungen des Gesundheitsamtes wartete. Doch was ist, wenn bereits weitere Kinder mit Covid-19 infiziert sind? Das konnte zu diesem Zeitpunkt doch niemand wissen! Dann ist der Weg des Virus über Familienangehörige frei in die Gesellschaft hinein. So wird doch keine Covid-19-Infektionskette unterbrochen!
Ein Einzelfall - könnte man hoffen. Leider nein!
„Die Nichtbeachtung einer angeordneten Quarantäne für „Kontaktpersonen“ wird mit einem Bußgeld von 1.000 Euro ( … ) geahndet.“ heißt es auf der Corona-Seite der Stadt Duisburg. Das wird den Kontaktpersonen in einem 6-seitigen Brief entsprechend drastisch mitgeteilt. Dann allerdings kommt der Hammer! Im Punkt 4 dieses Schreibens heißt es:Zum Zweck der Arbeitsaufnahme dürfen Sie die häusliche Quarantäne verlassen, wenn Sie als Mitarbeiter*in im medizinischen Bereich oder in einem systemrelevanten Bereich tätig sein sollten. (Fett von mir) Eine Fahrt zur und von der Arbeitsstelle ist im alleingenutzten PKW o.ä. (nicht aber im ÖPNV) gestattet.“
Statt konsequenter Kappung der Infektionsketten bereits bei der Möglichkeit einer Infektion, wie es notwendig ist, um die Pandemie eizudämmen, werden regelrecht Cluster für das Virus ermöglicht. Im Falle der Schüler die Familien. Im Fall des Arbeiter oder der Angestellten die „systemrelevante“ Arbeitsstelle. Die inzwischen vorhandenen Schnelltests spielen zudem in den mir bekannten Fällen keinerlei Rolle, wurden mit keinem Wort ins Spiel gebracht. Das ist alles andere als konsequente Pandemiebekämpfung!
Auf der letzten Montagsdemonstration am 2.11. beim „Bunten Vogel“ berichtete ein Betriebsrat von thyssenkrupp, dass es bei thyssenkrupp am 26.10. ca. 30 Covid-19-Infektionen in der Belegschaft gegeben habe. Am 29.10. seien es dann bereits 90 gewesen. Weiter berichtete er, dass die Maßnahmen im Betrieb zur Eindämmung der Infektionsmöglichkeiten in vielen Bereichen äußerst bescheiden ausfallen. Es gibt sogar regelrecht kontraproduktive Maßnahmen. So wurden in den Duschen jeder 2. Duschkopf abgeschraubt, um beim Duschen Abstand herzustellen. Gleichzeitig wird der Schichtbeginn nicht gestaffelt und zeitlich entzerrt, so dass sich in den Kauen Warteschlangen vor den Duschen bilden. Und da ist der Mindestabstand kaum zu realisieren! Und in der Schlange vor der Dusche fehlen dann oft auch die Masken.
Heute meldet der Autozulieferer ZF, dass das Stoßdämpferwerk in Eitorf bei Siegburg „vorübergehend wegen eines Corona-Ausbruchs“ geschlossen wird. Bisher sind 91 von knapp 700 Beschäftigten positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden. Jetzt sollen sämtliche Beschäftigten getestet werden.
Beim Nachbarbetrieb Weco sind 4 von 200 positiv getestet worden.
Seltsamerweise hört oder liest man in der Öffentlichkeit so gut wie nichts über das Infektionsgeschehen in den Produktionsbetrieben. Dafür wird der private Bereich ausgiebig dargestellt und teilweise regelrecht an den Pranger gestellt.
Wenn Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Regierungserklärung sagte „Wir haben uns entschlossen, neben dem sonstiges Wirtschaftsleben vor allen Dingen alles daran zu setzen, Kitas und Schulen aufrecht zu erhalten“ wird der Grundgedanke des ‚Lock-down light‘ deutlich, Hauptsache, die Produktion läuft, egal wie. Es geht der Regierung auch nicht darum, die Bildung zu gewährleisten, sondern die Kinder in Schulen und Kitas zu halten, damit die Eltern arbeiten können. Die Gesundheit von Millionen Menschen wird dem untergeordnet. Das ist kapitalistische Wirklichkeit!
Als die Infektionen bei Tönnies in die Höhe schossen, hieß es aus Regierungskreisen „unhaltbare Zustände“, es müsse jetzt „aufgeräumt“, „der Sumpf ausgetrocknet“ werden. Es wurde dann angekündigt, Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie zu verbieten und die Kontrollen zu verstärken. Aber dann am 29.10.2020, als im Bundestag die Schlussberatung über das Arbeitsschutzkontrollgesetz auf der Tagesordnung stand, wurde die Beratung von der Tagesordnung gestrichen und auf unbestimmte Zeit verschoben. Damit wird sich an der bisherigen Praxis nichts ändern in der Fleischindustrie. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Ob die Lobbyisten von Tönnies und Co etwas damit zu tun haben?
Wenn der Gesundheitsschutz wirklich ernst genommen werden soll, dann müssen die AHA- und sonstigen Hygieneregeln sowie weitere Maßnahmen für alle und überall gelten! Ihre strikte Anwendung darf nicht an den Schul- und Betriebstoren enden!

Autor:

Claus Thies aus Duisburg

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