Unter vielen Schutzmaßnahmen startet der Abiturjahrgang am St. Hildegardis-Gymnasium
Abitur auf Abstand: NRW öffnet vorsichtig Schulen
In NRW begann am Donnerstag ein erster, vorsichtiger Schulalltag für all die, die kurz vorm Abitur stehen. Die letzten Wochen waren geprägt von einer rein häuslichen Vorbereitung. Jetzt beginnt das Lernen wieder in kleinen Gruppen in der Schule. Normal bleibt aber gar nichts.
Die beiden Abiturientinnen Jana Kelten (17) und Lara Huber (18) vom St. Hildegardis-Gymnasium in der Innenstadt hätten jetzt schon einen Teil ihrer Prüfungen hinter sich gebracht. Seit Wochen stecken sie mitten in den Vorbereitungen. Das ging bis vor kurzem aber nur zu Hause, denn Mitte März erlebten die Schülerinnen recht plötzlich und ungewollt das vorzeitige Ende ihres Schulalltags: "Völlig unerwartet erfuhren wir davon, wir waren alle fertig mit den Nerven, nicht wenige haben geweint. Zwölf Jahre sind wir zur Schule gegangen, und das war jetzt spontan unser letzter Schultag.“
„Eigentlich hätte ich noch ein Referat halten sollen, das konnte ich verschriftlichen, und dafür haben wir noch Noten kommen“, so Jana über die Auswirkungen der Schulschließungen. „In allen anderen Fächern hat man keine Aufgaben mehr bekommen, um die Zeit zum Lernen für das Abitur nutzen zu können.“
Ein besonderes Lernangebot in den Abiturfächern hätte es aber nicht gegeben. Bei Fragen habe man eine E-Mail an die Lehrer senden können. Um die Kommunikation zu erleichtern, seien Lehrkräfte teilweise in die WhatsApp-Gruppen der Kurse eingetreten. Auch hätte es Videokonferenzen gegeben, um Fragen gemeinsam besprechen zu können. „Die Schule hat uns einen Zugang zu Teams gegeben, da konnten wir mit dem Lehrer chatten und eine Themenübersicht erstellen. Das hat ganz gut geholfen“, erklärt Jana.
Aber viel freie Zeit zu Hause bedeutete nicht zwangsläufig bessere Möglichkeiten der Vorbereitung: „Es ist abhängig vom Lerntyp. Ich kann am besten in Gruppen lernen oder in Unterrichtsgesprächen. Da dies alles wegfällt, ist es mir schwerer gefallen, mich vorzubereiten. Das ist für mich ein deutlicher Nachteil“, schätzt Lara die Situation für sich ein.
Digitales Lernen ersetzt keinen echten Kontakt
Die beiden Freundinnen haben auch schon versucht, über einen Videochat digital zusammen zu lernen: „Aber es ist einfach nicht das Gleiche“, erzählt Jana. Hinzu kommt noch, dass nicht jeder die nötige Ruhe finden kann. Viele Familien sind jetzt dauerhaft zusammen zu Hause, gerade wenn die Eltern im Homeoffice sind.
Durch die neuen Vorgaben der Landesregierung konnten Jana und Lara am Donnerstag erstmals seit Mitte März wieder zur Schule gehen. Allerdings läuft alles anders als vorher: Neben den allgemein gültigen Vorschriften wie das Tragen von Masken, das Einhalten der Abstandsregeln und Desinfektionsmaßnahmen, seien verschiedene Schutzmaßnahmen von der Schule eingerichtet worden. So gibt es zum Beispiel eine "Einbahnstraßen-Regelung", also ein Treppenhaus, in dem man nur hoch gehen darf. Ein anderes Treppenhaus dient nur zum Heruntergehen.
Stadt versorgt Schule mit Schutzmaterialien
"Wir haben von der Feuerwehr Desinfektionsmittel und Masken geliefert bekommen. Eine Reinigungskraft reinigt alle Handkontaktflächen nach jeder Unterrichtseinheit", erklärt der stellvertretende Schulleiter Marcus von der Gathen. Wichtig sei der Schule vor allem: "Der Schutz und die Sicherheit der Schülerinnen und unserer Kollegen stehen ganz deutlich im Vordergrund."
Eine normale Unterrichtssituation werde allerdings nicht entstehen, erwarten die Schülerinnen: „Wir konnten uns freiwillig eintragen, ob wir Lernangebote annehmen wollen. Es wird kein richtiger Unterricht sein. Letztendlich wird jeder an seinem Einzeltisch sitzen und lernen.“ Beide haben sich für die Lernangebote angemeldet, auch aus der Sorge heraus, dass man vielleicht doch wichtige Lerninhalte verpassen und so einen Nachteil in der Vorbereitung haben könnte. Ein mulmiges Gefühl aber bleibt: „Leute kommen wieder zusammen, fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, das Ansteckungsrisiko geht wieder hoch“, sagt Lara. „Für alle anderen sind die Schulen noch geschlossen, auch wenn ich glaube, dass unsere Schule gut drauf achten wird“, meint auch Jana.
Beide Schülerinnen sind unzufrieden, wie sich die Corona-Krise auf ihr Abitur auswirkt: „Ich fühle mich in meiner Lernart sehr eingeschränkt. Man kann nur für sich lernen“, meint Lara. „Man kann sich nicht richtig austauschen. Teilweise fehlen uns aber auch abitur-relevante Themen komplett, die jetzt nur über einzelne Handouts nachgereicht wurden.
Corona sorgt für ständige Ungewissheit
Es fehlte auch eine Wiederholungsphase“, kritisiert Jana. Beide sind sich einig: "Es herrscht eine Ungewissheit, weil die Bundesländer auch unterschiedlich handeln. Jeden Tag gibt es etwas Neues. Wir wissen es aber immer als letztes.“
Neben dem ganzen Stress rund um Prüfungen und ums Lernen, geht aber auch ein ganz anderer wichtiger Aspekt verloren. Mit dem Erreichen des Abiturs beginnt für alle Schüler ein neuer Lebensabschnitt, der an vielen Schulen mit der traditionellen Mottowoche gefeiert wird. Der Abiturjahrgang sorgt in dieser Zeit mit verrückten Verkleidungen und kleinen Streichen für einen bunten Abschied: „Seit der fünften Klasse haben wir uns darauf gefreut. Jetzt heißt Abi nur noch Klausuren schreiben. Alles Positive drumherum fällt weg.“ Und auch der Traum vom Abiball scheint geplatzt: „Wir sind ja eine reine Mädchenklasse, und wir haben uns alle so auf unseren Abiball gefreut. Wir haben total viel Zeit dafür investiert und jetzt fällt alles aus.“
Viele Kostüme für die Mottowoche waren schon gestaltet, das Ballkleid hängt im Schrank – alles bleibt vorerst ungetragen.
So läuft's:
- Normaler Unterricht findet vorerst nicht wieder statt. Seit Donnerstag gibt es aber Lernkurse, die aus maximal zehn Schülerinnen bestehen sollen. Ein Leistungskurs, der eigentlich 20 Schüler fasst, wird zum Beispiel auf zwei Lernkurse aufgeteilt.
- 57 Schülerinnen von 75 nehmen das Angebot an und werden von 40 der insgesamt 60 Lehrer betreut.
- Nach Nutzung der Räume werden diese bis zur Reinigung verschlossen.
- Es gibt neue Ein- und Ausgänge zur Steuerung der Laufrichtungen.
- Schutzausrüstung kommt direkt von der Stadt, einige Lehrer nähen aber auch Masken fürs Kollegium.
Text: Florian Boos
Autor:Lokalkompass Duisburg aus Duisburg |
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